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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Der andre Morgen war der Begräbnißtag
des verstorbnen Paters. Alle Väter versammelten
sich um acht Uhr im Konventsaal. Auf ihren
Gesichtern war eine allgemeine Traurigkeit verbrei-
tet; Schmerz und Thränen sprachen aus den Au-
gen; Siegwart war bey ihnen. Man gieng an
die Zelle des Verstorbenen; zwölf Paters nahmen
den Sarg auf. Die andern und Siegwart gien-
gen Paar und Paar; jeder eine brennende Wachs-
kerze in der Hand. Man gieng durch den langen
Kreuzgang nach der Kirche zu. Das Schweigen
und das Rauschen der hölzernen Schuhe war
fürchterlich. Jn der Kirche setzte man am Hoch-
altar den Sarg nieder; und stellte Wachskerzen
drum herum. Nach einer dumpfen feyerlichen
Trauermusik, die die Seele durch dunkle, Men-
schenleere Wüsten bis ans Grab hin führte, und
sie vor der Verwesung des Körpers zurückschauern
machte, ward eine Seelmesse gelesen. Man hub
den Sarg, nachdem er mit dem Weihwasser be-
sprengt worden war, wieder auf, und trug ihn
durch den langen Gang im Garten nach dem
Gottesacker. Ein dicker Nebel hüllte alles ein.
Die Wachskerzen warfen einen fürchterlichen
Schein in die Nacht des Nebels. Der Sarg



Der andre Morgen war der Begraͤbnißtag
des verſtorbnen Paters. Alle Vaͤter verſammelten
ſich um acht Uhr im Konventſaal. Auf ihren
Geſichtern war eine allgemeine Traurigkeit verbrei-
tet; Schmerz und Thraͤnen ſprachen aus den Au-
gen; Siegwart war bey ihnen. Man gieng an
die Zelle des Verſtorbenen; zwoͤlf Paters nahmen
den Sarg auf. Die andern und Siegwart gien-
gen Paar und Paar; jeder eine brennende Wachs-
kerze in der Hand. Man gieng durch den langen
Kreuzgang nach der Kirche zu. Das Schweigen
und das Rauſchen der hoͤlzernen Schuhe war
fuͤrchterlich. Jn der Kirche ſetzte man am Hoch-
altar den Sarg nieder; und ſtellte Wachskerzen
drum herum. Nach einer dumpfen feyerlichen
Trauermuſik, die die Seele durch dunkle, Men-
ſchenleere Wuͤſten bis ans Grab hin fuͤhrte, und
ſie vor der Verweſung des Koͤrpers zuruͤckſchauern
machte, ward eine Seelmeſſe geleſen. Man hub
den Sarg, nachdem er mit dem Weihwaſſer be-
ſprengt worden war, wieder auf, und trug ihn
durch den langen Gang im Garten nach dem
Gottesacker. Ein dicker Nebel huͤllte alles ein.
Die Wachskerzen warfen einen fuͤrchterlichen
Schein in die Nacht des Nebels. Der Sarg

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[87/0091] Der andre Morgen war der Begraͤbnißtag des verſtorbnen Paters. Alle Vaͤter verſammelten ſich um acht Uhr im Konventſaal. Auf ihren Geſichtern war eine allgemeine Traurigkeit verbrei- tet; Schmerz und Thraͤnen ſprachen aus den Au- gen; Siegwart war bey ihnen. Man gieng an die Zelle des Verſtorbenen; zwoͤlf Paters nahmen den Sarg auf. Die andern und Siegwart gien- gen Paar und Paar; jeder eine brennende Wachs- kerze in der Hand. Man gieng durch den langen Kreuzgang nach der Kirche zu. Das Schweigen und das Rauſchen der hoͤlzernen Schuhe war fuͤrchterlich. Jn der Kirche ſetzte man am Hoch- altar den Sarg nieder; und ſtellte Wachskerzen drum herum. Nach einer dumpfen feyerlichen Trauermuſik, die die Seele durch dunkle, Men- ſchenleere Wuͤſten bis ans Grab hin fuͤhrte, und ſie vor der Verweſung des Koͤrpers zuruͤckſchauern machte, ward eine Seelmeſſe geleſen. Man hub den Sarg, nachdem er mit dem Weihwaſſer be- ſprengt worden war, wieder auf, und trug ihn durch den langen Gang im Garten nach dem Gottesacker. Ein dicker Nebel huͤllte alles ein. Die Wachskerzen warfen einen fuͤrchterlichen Schein in die Nacht des Nebels. Der Sarg

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/91>, abgerufen am 21.11.2024.