Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.zu leben, und ihn anzublicken. Er hielt sich schon für ein Mitglied des Ordens, und blickte in die Welt, wie in ein Grab zurück, von dem sich sein Geist dem Himmel zugeschwungen hatte. Der Guardian hielt das Hochamt; die Gemeinde kniete nieder, und ein heiliges Te Deum trug die Seele des Jünglings in noch tieferes Erstaunen und Entzücken über. Nach vollendetem Gottes- dienst gieng er mit dem P. Anton in die Zelle des Verstorbenen, der schon in einem schlechten Sarge lag, um welchen brennende Wachskerzen standen. Nach einer kurzen Unterredung von den Tugen- den des Todten, die in Siegwarts Seele eine brennende Nacheiferung erweckte, ward zum Essen geläutet. Während der ganzen Mahlzeit herrschte eine zu leben, und ihn anzublicken. Er hielt ſich ſchon fuͤr ein Mitglied des Ordens, und blickte in die Welt, wie in ein Grab zuruͤck, von dem ſich ſein Geiſt dem Himmel zugeſchwungen hatte. Der Guardian hielt das Hochamt; die Gemeinde kniete nieder, und ein heiliges Te Deum trug die Seele des Juͤnglings in noch tieferes Erſtaunen und Entzuͤcken uͤber. Nach vollendetem Gottes- dienſt gieng er mit dem P. Anton in die Zelle des Verſtorbenen, der ſchon in einem ſchlechten Sarge lag, um welchen brennende Wachskerzen ſtanden. Nach einer kurzen Unterredung von den Tugen- den des Todten, die in Siegwarts Seele eine brennende Nacheiferung erweckte, ward zum Eſſen gelaͤutet. Waͤhrend der ganzen Mahlzeit herrſchte eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0052" n="48"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> zu leben, und ihn anzublicken. Er hielt ſich ſchon<lb/> fuͤr ein Mitglied des Ordens, und blickte in die<lb/> Welt, wie in ein Grab zuruͤck, von dem ſich ſein<lb/> Geiſt dem Himmel zugeſchwungen hatte. Der<lb/> Guardian hielt das Hochamt; die Gemeinde<lb/> kniete nieder, und ein heiliges <hi rendition="#aq">Te Deum</hi> trug die<lb/> Seele des Juͤnglings in noch tieferes Erſtaunen<lb/> und Entzuͤcken uͤber. Nach vollendetem Gottes-<lb/> dienſt gieng er mit dem P. <hi rendition="#fr">Anton</hi> in die Zelle des<lb/> Verſtorbenen, der ſchon in einem ſchlechten Sarge<lb/> lag, um welchen brennende Wachskerzen ſtanden.<lb/> Nach einer kurzen Unterredung von den Tugen-<lb/> den des Todten, die in <hi rendition="#fr">Siegwarts</hi> Seele eine<lb/> brennende Nacheiferung erweckte, ward zum Eſſen<lb/> gelaͤutet.</p><lb/> <p>Waͤhrend der ganzen Mahlzeit herrſchte eine<lb/> faſt ununterbrochene feyerliche Stille. Die Augen<lb/> waren niedergeſchlagen; zuweilen ſah ein Pater<lb/> den andern an, und kehrte ſchnell, wenn er be-<lb/> merkt wurde, den Blick, in welchem Thraͤnen<lb/> ſchwammen, wieder weg. Wider Willen ſtieß der<lb/> eine und der andre einen lauten Seufzer aus,<lb/> der die Loſung zu einer neuen allgemeinen Be-<lb/> ſtuͤrzung gab. Jnzwiſchen redete doch jeder mit<lb/> dem jungen <hi rendition="#fr">Siegwart,</hi> den das allgemeine Be-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0052]
zu leben, und ihn anzublicken. Er hielt ſich ſchon
fuͤr ein Mitglied des Ordens, und blickte in die
Welt, wie in ein Grab zuruͤck, von dem ſich ſein
Geiſt dem Himmel zugeſchwungen hatte. Der
Guardian hielt das Hochamt; die Gemeinde
kniete nieder, und ein heiliges Te Deum trug die
Seele des Juͤnglings in noch tieferes Erſtaunen
und Entzuͤcken uͤber. Nach vollendetem Gottes-
dienſt gieng er mit dem P. Anton in die Zelle des
Verſtorbenen, der ſchon in einem ſchlechten Sarge
lag, um welchen brennende Wachskerzen ſtanden.
Nach einer kurzen Unterredung von den Tugen-
den des Todten, die in Siegwarts Seele eine
brennende Nacheiferung erweckte, ward zum Eſſen
gelaͤutet.
Waͤhrend der ganzen Mahlzeit herrſchte eine
faſt ununterbrochene feyerliche Stille. Die Augen
waren niedergeſchlagen; zuweilen ſah ein Pater
den andern an, und kehrte ſchnell, wenn er be-
merkt wurde, den Blick, in welchem Thraͤnen
ſchwammen, wieder weg. Wider Willen ſtieß der
eine und der andre einen lauten Seufzer aus,
der die Loſung zu einer neuen allgemeinen Be-
ſtuͤrzung gab. Jnzwiſchen redete doch jeder mit
dem jungen Siegwart, den das allgemeine Be-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |