reissen wollen. So schnell werden lebhafte Seelen, die jedem Eindruck offen sind, oft durch Schatten- bilder zu Entschlüssen hingerissen, die einen Einfluß auf ihr ganzes künftiges Glück oder Unglück ha- ben. Möchten doch nicht Leute, die diese schwa- che Seite einer feurigen Seele kennen, sie so oft misbrauchen!
Noch verweilten sie sich eine Zeitlang in den Zellen der beyden Mönche. Alles gefiel hier un- serm jungen Siegwart; das kleine Krucifix, das hölzerne Bette, und besonders der Todtenkopf, den Pater Anton auf seinem kleinen Tische stehen hatte.
Nun wars bald Essenszeit. Man speiste heute, um der beyden Fremden willen, in dem Gar- tensaal. Die Paters begegneten dem jungen Sieg- wart mit besondrer Achtung, um ihn immer noch mehr fürs Kloster einzunehmen. Gegeneinander zeig- ten sie eine ausserordentliche brüderliche Freund- lichkeit; einer erzälte nach dem andern etwas Ange- nehmes aus dem Kloster; sprach verächtlich von der Welt und ihren Freuden; rühmte das Glück der Einsamkeit, und pries den Tag als den glück- lichsten seines Lebens, an welchem er das Gelübde abgelegt hatte.
reiſſen wollen. So ſchnell werden lebhafte Seelen, die jedem Eindruck offen ſind, oft durch Schatten- bilder zu Entſchluͤſſen hingeriſſen, die einen Einfluß auf ihr ganzes kuͤnftiges Gluͤck oder Ungluͤck ha- ben. Moͤchten doch nicht Leute, die dieſe ſchwa- che Seite einer feurigen Seele kennen, ſie ſo oft misbrauchen!
Noch verweilten ſie ſich eine Zeitlang in den Zellen der beyden Moͤnche. Alles gefiel hier un- ſerm jungen Siegwart; das kleine Krucifix, das hoͤlzerne Bette, und beſonders der Todtenkopf, den Pater Anton auf ſeinem kleinen Tiſche ſtehen hatte.
Nun wars bald Eſſenszeit. Man ſpeiſte heute, um der beyden Fremden willen, in dem Gar- tenſaal. Die Paters begegneten dem jungen Sieg- wart mit beſondrer Achtung, um ihn immer noch mehr fuͤrs Kloſter einzunehmen. Gegeneinander zeig- ten ſie eine auſſerordentliche bruͤderliche Freund- lichkeit; einer erzaͤlte nach dem andern etwas Ange- nehmes aus dem Kloſter; ſprach veraͤchtlich von der Welt und ihren Freuden; ruͤhmte das Gluͤck der Einſamkeit, und pries den Tag als den gluͤck- lichſten ſeines Lebens, an welchem er das Geluͤbde abgelegt hatte.
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reiſſen wollen. So ſchnell werden lebhafte Seelen,
die jedem Eindruck offen ſind, oft durch Schatten-
bilder zu Entſchluͤſſen hingeriſſen, die einen Einfluß
auf ihr ganzes kuͤnftiges Gluͤck oder Ungluͤck ha-
ben. Moͤchten doch nicht Leute, die dieſe ſchwa-
che Seite einer feurigen Seele kennen, ſie ſo oft
misbrauchen!
Noch verweilten ſie ſich eine Zeitlang in den
Zellen der beyden Moͤnche. Alles gefiel hier un-
ſerm jungen Siegwart; das kleine Krucifix, das
hoͤlzerne Bette, und beſonders der Todtenkopf, den
Pater Anton auf ſeinem kleinen Tiſche ſtehen
hatte.
Nun wars bald Eſſenszeit. Man ſpeiſte
heute, um der beyden Fremden willen, in dem Gar-
tenſaal. Die Paters begegneten dem jungen Sieg-
wart mit beſondrer Achtung, um ihn immer noch
mehr fuͤrs Kloſter einzunehmen. Gegeneinander zeig-
ten ſie eine auſſerordentliche bruͤderliche Freund-
lichkeit; einer erzaͤlte nach dem andern etwas Ange-
nehmes aus dem Kloſter; ſprach veraͤchtlich von
der Welt und ihren Freuden; ruͤhmte das Gluͤck
der Einſamkeit, und pries den Tag als den gluͤck-
lichſten ſeines Lebens, an welchem er das Geluͤbde
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/44>, abgerufen am 24.11.2024.
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