Sie trafen den P. Anton auf seiner Zelle an. Er drückte mit froher Treuherzigkeit seinem Xaver die Hand, und bewillkommte Kronhelm und Theresen mit einem liebreichen Lächeln. Seine Freundlichkeit und sein ehrwürdiges Aus- sehen nahmen die beyden Liebenden sogleich ganz für ihn ein, und gewannen ihre Seelen völlig. Er that hundert Fragen an Siegwart, wie es ihm bisher gegangen, ob er froh und zufrieden sey? Wie es ihm bey den Piaristen gefalle, und was er schon gelernet habe? Es kamen bald auch andre Paters auf die Zelle, um unsern Xaver zu bewillkommen. Pater Johanns Bruder kam auch, und sagte, daß er von seinem Bruder Nach- richt habe, wie wohl er und alle Piaristen mit ihm zufrieden seyen. Der Prior ließ die Gäste in den Gartensaal kommen; empfieng sie mit gros- sen Freuden, und bewirthete sie aufs beste. Man kam aus P. Gregor zu sprechen, weil Siegwart, der ihn vermiste, nach ihm fragte. -- Der ist bey Gott, sagte P. Anton; vor einem Viertel- jahr ist er gestorben. Sein Ende war uns allen recht erbaulich; er behielt bis an den letzten Au- genblick seinen Verstand. Er hat mir auch an dich, mein lieber Siegwart, noch seinen Gruß
Sie trafen den P. Anton auf ſeiner Zelle an. Er druͤckte mit froher Treuherzigkeit ſeinem Xaver die Hand, und bewillkommte Kronhelm und Thereſen mit einem liebreichen Laͤcheln. Seine Freundlichkeit und ſein ehrwuͤrdiges Aus- ſehen nahmen die beyden Liebenden ſogleich ganz fuͤr ihn ein, und gewannen ihre Seelen voͤllig. Er that hundert Fragen an Siegwart, wie es ihm bisher gegangen, ob er froh und zufrieden ſey? Wie es ihm bey den Piariſten gefalle, und was er ſchon gelernet habe? Es kamen bald auch andre Paters auf die Zelle, um unſern Xaver zu bewillkommen. Pater Johanns Bruder kam auch, und ſagte, daß er von ſeinem Bruder Nach- richt habe, wie wohl er und alle Piariſten mit ihm zufrieden ſeyen. Der Prior ließ die Gaͤſte in den Gartenſaal kommen; empfieng ſie mit groſ- ſen Freuden, und bewirthete ſie aufs beſte. Man kam auſ P. Gregor zu ſprechen, weil Siegwart, der ihn vermiſte, nach ihm fragte. — Der iſt bey Gott, ſagte P. Anton; vor einem Viertel- jahr iſt er geſtorben. Sein Ende war uns allen recht erbaulich; er behielt bis an den letzten Au- genblick ſeinen Verſtand. Er hat mir auch an dich, mein lieber Siegwart, noch ſeinen Gruß
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Sie trafen den P. Anton auf ſeiner Zelle
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Xaver die Hand, und bewillkommte Kronhelm
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Seine Freundlichkeit und ſein ehrwuͤrdiges Aus-
ſehen nahmen die beyden Liebenden ſogleich ganz
fuͤr ihn ein, und gewannen ihre Seelen voͤllig.
Er that hundert Fragen an Siegwart, wie es
ihm bisher gegangen, ob er froh und zufrieden
ſey? Wie es ihm bey den Piariſten gefalle, und
was er ſchon gelernet habe? Es kamen bald auch
andre Paters auf die Zelle, um unſern Xaver zu
bewillkommen. Pater Johanns Bruder kam
auch, und ſagte, daß er von ſeinem Bruder Nach-
richt habe, wie wohl er und alle Piariſten mit
ihm zufrieden ſeyen. Der Prior ließ die Gaͤſte
in den Gartenſaal kommen; empfieng ſie mit groſ-
ſen Freuden, und bewirthete ſie aufs beſte. Man
kam auſ P. Gregor zu ſprechen, weil Siegwart,
der ihn vermiſte, nach ihm fragte. — Der iſt
bey Gott, ſagte P. Anton; vor einem Viertel-
jahr iſt er geſtorben. Sein Ende war uns allen
recht erbaulich; er behielt bis an den letzten Au-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/418>, abgerufen am 21.11.2024.
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