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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Sie müssen aber heut doch erst bey uns zu
Mittage essen, sagte Gregor, und das Kloster ein
bischen besehen.

Er und Anton giengen nun mit den bey-
den Siegwarts auf die Bibliothek, wo sie Bü-
cher mit den schönsten Kupfern sahen. Dann be-
sahen sie die herrlichen mit Perlen und Gold ge-
stickten Meßgewande, deren Anblick das Auge des
jungen Siegwarts fast verblendete; die goldnen,
mit Steinen besetzten Kelche; Silberne und ver-
goldete Bildnisse von Aposteln und Heiligen. Jn
der Kirche schimmerten die goldbedeckten Altäre
im Stral der Morgensonne. An den Wänden
hiengen herrliche Gemälde von Heiligen, und Ka-
puzinern, die als Märtyrer gestorben sind. Be-
sonders rührte ein Gemälde den jungen Siegwart
bis zu Thränen. Viele Kapuziner hiengen todt-
blaß, aber doch mit einer innern Heiterkeit, und
einem halbgebrochnen, mühsam zum Himmel
empor gehobnen Auge, an Kreuzen. Ueber ih-
nen schwebten, in halberleuchteten Gewölken, Engel
mit Siegerkronen, und Palmzweigen in der Rech-
ten. Auf einer andern Seite wurden welche
durch das Schwert hingerichtet. Verschiedne, mit
Blut befleckte Rümpfe lagen schon vor ihnen.



Sie muͤſſen aber heut doch erſt bey uns zu
Mittage eſſen, ſagte Gregor, und das Kloſter ein
bischen beſehen.

Er und Anton giengen nun mit den bey-
den Siegwarts auf die Bibliothek, wo ſie Buͤ-
cher mit den ſchoͤnſten Kupfern ſahen. Dann be-
ſahen ſie die herrlichen mit Perlen und Gold ge-
ſtickten Meßgewande, deren Anblick das Auge des
jungen Siegwarts faſt verblendete; die goldnen,
mit Steinen beſetzten Kelche; Silberne und ver-
goldete Bildniſſe von Apoſteln und Heiligen. Jn
der Kirche ſchimmerten die goldbedeckten Altaͤre
im Stral der Morgenſonne. An den Waͤnden
hiengen herrliche Gemaͤlde von Heiligen, und Ka-
puzinern, die als Maͤrtyrer geſtorben ſind. Be-
ſonders ruͤhrte ein Gemaͤlde den jungen Siegwart
bis zu Thraͤnen. Viele Kapuziner hiengen todt-
blaß, aber doch mit einer innern Heiterkeit, und
einem halbgebrochnen, muͤhſam zum Himmel
empor gehobnen Auge, an Kreuzen. Ueber ih-
nen ſchwebten, in halberleuchteten Gewoͤlken, Engel
mit Siegerkronen, und Palmzweigen in der Rech-
ten. Auf einer andern Seite wurden welche
durch das Schwert hingerichtet. Verſchiedne, mit
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[37/0041] Sie muͤſſen aber heut doch erſt bey uns zu Mittage eſſen, ſagte Gregor, und das Kloſter ein bischen beſehen. Er und Anton giengen nun mit den bey- den Siegwarts auf die Bibliothek, wo ſie Buͤ- cher mit den ſchoͤnſten Kupfern ſahen. Dann be- ſahen ſie die herrlichen mit Perlen und Gold ge- ſtickten Meßgewande, deren Anblick das Auge des jungen Siegwarts faſt verblendete; die goldnen, mit Steinen beſetzten Kelche; Silberne und ver- goldete Bildniſſe von Apoſteln und Heiligen. Jn der Kirche ſchimmerten die goldbedeckten Altaͤre im Stral der Morgenſonne. An den Waͤnden hiengen herrliche Gemaͤlde von Heiligen, und Ka- puzinern, die als Maͤrtyrer geſtorben ſind. Be- ſonders ruͤhrte ein Gemaͤlde den jungen Siegwart bis zu Thraͤnen. Viele Kapuziner hiengen todt- blaß, aber doch mit einer innern Heiterkeit, und einem halbgebrochnen, muͤhſam zum Himmel empor gehobnen Auge, an Kreuzen. Ueber ih- nen ſchwebten, in halberleuchteten Gewoͤlken, Engel mit Siegerkronen, und Palmzweigen in der Rech- ten. Auf einer andern Seite wurden welche durch das Schwert hingerichtet. Verſchiedne, mit Blut befleckte Ruͤmpfe lagen ſchon vor ihnen.

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/41>, abgerufen am 21.11.2024.