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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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etwas spatzieren; scherzten aber weniger als sonst.
Beym Essen sah Therese oft unsern Kronhelm
lang und tiefsinnig an. Sein Auge begegnete
oft dem Jhrigen, und zog sich erschrocken zurück.
Nach Tisch spielte Therese ein paar schwermüthige
Arien; besonders das feyerliche Lied von Graun
und Klopstock: Auserstehn, ja auferstehn wirst
du! etc. das ihr Herr von Northern gegeben
hatte. Siegwart und Kronhelm, und der alte
Amtmann sangens mit. Das sollst du mir ein-
mal auf dem Grab singen lassen, Therese, sagte
der alte Siegwart. Es ist ein herrliches Lied,
das die ganze Seele faßt, und zum Himmel auf-
hebt. Laß mirs singen, Tochter, wenns schon ein
Lutheraner gemacht hat! Er muß doch ein braver
Mann seyn, den ich einmal im Himmel anzu-
treffen hoffe. Gott bewahre, sagte Therese, daß
ich das je erleben sollte! Sie, und ihr Bruder,
und Kronhelm weinten. Drauf spielten Kron-
helm
und Siegwart noch ein paar Adagio auf
ihren Violinen, die sie mitgebracht hatten. The-
rese
war tiefbewegt; ihr Busen bebte, und ihr
Herz schmolz. Sie sah Kronhelm einigemal
lang, und mit Bewegung an. Er merkte es,
ward nachdenklich, und wünschte zum Erstemal;



etwas ſpatzieren; ſcherzten aber weniger als ſonſt.
Beym Eſſen ſah Thereſe oft unſern Kronhelm
lang und tiefſinnig an. Sein Auge begegnete
oft dem Jhrigen, und zog ſich erſchrocken zuruͤck.
Nach Tiſch ſpielte Thereſe ein paar ſchwermuͤthige
Arien; beſonders das feyerliche Lied von Graun
und Klopſtock: Auſerſtehn, ja auferſtehn wirſt
du! ꝛc. das ihr Herr von Northern gegeben
hatte. Siegwart und Kronhelm, und der alte
Amtmann ſangens mit. Das ſollſt du mir ein-
mal auf dem Grab ſingen laſſen, Thereſe, ſagte
der alte Siegwart. Es iſt ein herrliches Lied,
das die ganze Seele faßt, und zum Himmel auf-
hebt. Laß mirs ſingen, Tochter, wenns ſchon ein
Lutheraner gemacht hat! Er muß doch ein braver
Mann ſeyn, den ich einmal im Himmel anzu-
treffen hoffe. Gott bewahre, ſagte Thereſe, daß
ich das je erleben ſollte! Sie, und ihr Bruder,
und Kronhelm weinten. Drauf ſpielten Kron-
helm
und Siegwart noch ein paar Adagio auf
ihren Violinen, die ſie mitgebracht hatten. The-
reſe
war tiefbewegt; ihr Buſen bebte, und ihr
Herz ſchmolz. Sie ſah Kronhelm einigemal
lang, und mit Bewegung an. Er merkte es,
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[347/0351] etwas ſpatzieren; ſcherzten aber weniger als ſonſt. Beym Eſſen ſah Thereſe oft unſern Kronhelm lang und tiefſinnig an. Sein Auge begegnete oft dem Jhrigen, und zog ſich erſchrocken zuruͤck. Nach Tiſch ſpielte Thereſe ein paar ſchwermuͤthige Arien; beſonders das feyerliche Lied von Graun und Klopſtock: Auſerſtehn, ja auferſtehn wirſt du! ꝛc. das ihr Herr von Northern gegeben hatte. Siegwart und Kronhelm, und der alte Amtmann ſangens mit. Das ſollſt du mir ein- mal auf dem Grab ſingen laſſen, Thereſe, ſagte der alte Siegwart. Es iſt ein herrliches Lied, das die ganze Seele faßt, und zum Himmel auf- hebt. Laß mirs ſingen, Tochter, wenns ſchon ein Lutheraner gemacht hat! Er muß doch ein braver Mann ſeyn, den ich einmal im Himmel anzu- treffen hoffe. Gott bewahre, ſagte Thereſe, daß ich das je erleben ſollte! Sie, und ihr Bruder, und Kronhelm weinten. Drauf ſpielten Kron- helm und Siegwart noch ein paar Adagio auf ihren Violinen, die ſie mitgebracht hatten. The- reſe war tiefbewegt; ihr Buſen bebte, und ihr Herz ſchmolz. Sie ſah Kronhelm einigemal lang, und mit Bewegung an. Er merkte es, ward nachdenklich, und wuͤnſchte zum Erſtemal;

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/351>, abgerufen am 22.11.2024.