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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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unaushörlich, oft zitterte ihr eine Thrän ins Au-
ge, und dann lachte sie, wann er sie ansah.
Kronhelm that erst etwas ängstlich, und schwieg;
denn er war überhaupt bey Frauenzimmern etwas
furchtsam. Aber ihr offenes und ungezwungenes
Betragen machte ihn sehr bald gesprächiger.

Sie kamen nun ans Haus des alten Sieg-
wart.
Er gieng ihnen mit Freuden entgegen;
drückte seinem Sohn die Hand, und bewillkomm-
te Kronhelm aufs freundschaftlichste. Weil der
Tag sehr schön war, so aß man im Garten in
der Sommerlaube, zwischen Blumen, die alle
Theresens Hand gepflanzt hatte. Karl aß mit
seiner neuen Frau dießmal auch mit, und betrug
sich gegen Kronhelm und seinen Bruder ziemlich
artig. Aber seine Frau war verdrießlich, und
stolz, und sprach wenig. Wilhelm war noch der
alte Träumer, der sich immer gleich blieb. Der
alte Siegwart war recht herzlich froh; erzälte
Geschichten aus seiner Jugend, und ließ sich von
den jungen Leuten wieder welche erzälen. Wenn
Therese vom Tisch weg, ins Haus gieng, so sag-
te er viel zu ihrem Vortheil, und lobte sie, daß
sie sich seiner, und des Hauswesens so treulich
annehme. Nach Tische waren unsre drey jungen



unauſhoͤrlich, oft zitterte ihr eine Thraͤn ins Au-
ge, und dann lachte ſie, wann er ſie anſah.
Kronhelm that erſt etwas aͤngſtlich, und ſchwieg;
denn er war uͤberhaupt bey Frauenzimmern etwas
furchtſam. Aber ihr offenes und ungezwungenes
Betragen machte ihn ſehr bald geſpraͤchiger.

Sie kamen nun ans Haus des alten Sieg-
wart.
Er gieng ihnen mit Freuden entgegen;
druͤckte ſeinem Sohn die Hand, und bewillkomm-
te Kronhelm aufs freundſchaftlichſte. Weil der
Tag ſehr ſchoͤn war, ſo aß man im Garten in
der Sommerlaube, zwiſchen Blumen, die alle
Thereſens Hand gepflanzt hatte. Karl aß mit
ſeiner neuen Frau dießmal auch mit, und betrug
ſich gegen Kronhelm und ſeinen Bruder ziemlich
artig. Aber ſeine Frau war verdrießlich, und
ſtolz, und ſprach wenig. Wilhelm war noch der
alte Traͤumer, der ſich immer gleich blieb. Der
alte Siegwart war recht herzlich froh; erzaͤlte
Geſchichten aus ſeiner Jugend, und ließ ſich von
den jungen Leuten wieder welche erzaͤlen. Wenn
Thereſe vom Tiſch weg, ins Haus gieng, ſo ſag-
te er viel zu ihrem Vortheil, und lobte ſie, daß
ſie ſich ſeiner, und des Hausweſens ſo treulich
annehme. Nach Tiſche waren unſre drey jungen

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[340/0344] unauſhoͤrlich, oft zitterte ihr eine Thraͤn ins Au- ge, und dann lachte ſie, wann er ſie anſah. Kronhelm that erſt etwas aͤngſtlich, und ſchwieg; denn er war uͤberhaupt bey Frauenzimmern etwas furchtſam. Aber ihr offenes und ungezwungenes Betragen machte ihn ſehr bald geſpraͤchiger. Sie kamen nun ans Haus des alten Sieg- wart. Er gieng ihnen mit Freuden entgegen; druͤckte ſeinem Sohn die Hand, und bewillkomm- te Kronhelm aufs freundſchaftlichſte. Weil der Tag ſehr ſchoͤn war, ſo aß man im Garten in der Sommerlaube, zwiſchen Blumen, die alle Thereſens Hand gepflanzt hatte. Karl aß mit ſeiner neuen Frau dießmal auch mit, und betrug ſich gegen Kronhelm und ſeinen Bruder ziemlich artig. Aber ſeine Frau war verdrießlich, und ſtolz, und ſprach wenig. Wilhelm war noch der alte Traͤumer, der ſich immer gleich blieb. Der alte Siegwart war recht herzlich froh; erzaͤlte Geſchichten aus ſeiner Jugend, und ließ ſich von den jungen Leuten wieder welche erzaͤlen. Wenn Thereſe vom Tiſch weg, ins Haus gieng, ſo ſag- te er viel zu ihrem Vortheil, und lobte ſie, daß ſie ſich ſeiner, und des Hausweſens ſo treulich annehme. Nach Tiſche waren unſre drey jungen

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/344>, abgerufen am 25.11.2024.