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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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daß mans in Scheffeln messen muß! Langes Le-
ben und Gesundheit! Hohe Ehr, und vor allem
andern eine hübsche runde Frau! O, ein allerlieb-
stes Mädel! und ein Dutzend Kinder hinter drein!
-- Ach, wie allerliebst! Siehst du, Junker, was
du für ein Glückskind bist! Kannst mich auch
dafür bezahlen! -- Nun muste ihr auch Sieg-
wart
die Hand hinreichen. Jch wollt dir gern
auch Gutes prophezeihen, Junker, aber die Linea-
menten wollens nicht erlauben. Ey, Ey, Ey!
Schmerz und Jammer! Angst und Leiden! Eine
Braut und keine Hochzeit! Gesundheit und ein
frühes Grab! Faß Muth, Junker, denn du
brauchst viel! Armer Junker daurst mich, denn
du bist ein gutes Kind. Aber sieh, daß ich un-
partheyisch bin, und red, was wahr ist. Darfst
mir nichts geben, denn ich hab dir Unglück pro-
phezeiht. Faß Muth, du brauchst viel! Unsre
Jünglinge achteten der Reden des alten Weibes
wenig, und fuhren wieder weiter. Eine Stunde
noch vom Dorfe kam ihnen Therese in einem
schneeweissen Gewand mit himmelblauen Schlei-
fen, und einem schwarzen Sommerhut entgegen.
Siegwart sah sie kaum, so sprang er aus dem
Wagen auf sie zu, und sank ihr, ohne ein Wort



daß mans in Scheffeln meſſen muß! Langes Le-
ben und Geſundheit! Hohe Ehr, und vor allem
andern eine huͤbſche runde Frau! O, ein allerlieb-
ſtes Maͤdel! und ein Dutzend Kinder hinter drein!
— Ach, wie allerliebſt! Siehſt du, Junker, was
du fuͤr ein Gluͤckskind biſt! Kannſt mich auch
dafuͤr bezahlen! — Nun muſte ihr auch Sieg-
wart
die Hand hinreichen. Jch wollt dir gern
auch Gutes prophezeihen, Junker, aber die Linea-
menten wollens nicht erlauben. Ey, Ey, Ey!
Schmerz und Jammer! Angſt und Leiden! Eine
Braut und keine Hochzeit! Geſundheit und ein
fruͤhes Grab! Faß Muth, Junker, denn du
brauchſt viel! Armer Junker daurſt mich, denn
du biſt ein gutes Kind. Aber ſieh, daß ich un-
partheyiſch bin, und red, was wahr iſt. Darfſt
mir nichts geben, denn ich hab dir Ungluͤck pro-
phezeiht. Faß Muth, du brauchſt viel! Unſre
Juͤnglinge achteten der Reden des alten Weibes
wenig, und fuhren wieder weiter. Eine Stunde
noch vom Dorfe kam ihnen Thereſe in einem
ſchneeweiſſen Gewand mit himmelblauen Schlei-
fen, und einem ſchwarzen Sommerhut entgegen.
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[338/0342] daß mans in Scheffeln meſſen muß! Langes Le- ben und Geſundheit! Hohe Ehr, und vor allem andern eine huͤbſche runde Frau! O, ein allerlieb- ſtes Maͤdel! und ein Dutzend Kinder hinter drein! — Ach, wie allerliebſt! Siehſt du, Junker, was du fuͤr ein Gluͤckskind biſt! Kannſt mich auch dafuͤr bezahlen! — Nun muſte ihr auch Sieg- wart die Hand hinreichen. Jch wollt dir gern auch Gutes prophezeihen, Junker, aber die Linea- menten wollens nicht erlauben. Ey, Ey, Ey! Schmerz und Jammer! Angſt und Leiden! Eine Braut und keine Hochzeit! Geſundheit und ein fruͤhes Grab! Faß Muth, Junker, denn du brauchſt viel! Armer Junker daurſt mich, denn du biſt ein gutes Kind. Aber ſieh, daß ich un- partheyiſch bin, und red, was wahr iſt. Darfſt mir nichts geben, denn ich hab dir Ungluͤck pro- phezeiht. Faß Muth, du brauchſt viel! Unſre Juͤnglinge achteten der Reden des alten Weibes wenig, und fuhren wieder weiter. Eine Stunde noch vom Dorfe kam ihnen Thereſe in einem ſchneeweiſſen Gewand mit himmelblauen Schlei- fen, und einem ſchwarzen Sommerhut entgegen. Siegwart ſah ſie kaum, ſo ſprang er aus dem Wagen auf ſie zu, und ſank ihr, ohne ein Wort

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/342>, abgerufen am 20.05.2024.