Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.auch andre Bücher geliehen, die mir weniger ge- fallen. Besonders ein gewisser Versuch in Schä- fergedichten; ich hab ihm aber das Buch gleich wieder zurückgegeben, weil es so sehr anstössig ist, und viel muthwillige Stellen und Zweydeutigkei- ten enthält. Jch kann nicht begreifen, was ein Mensch für Absichten haben kann, der solche Din- ge schreibt? Will er uns die Unschuld als etwas gleichgültiges abschildern, und uns Ausschweifun- gen als etwas schönes anpreisen? Pfuy, er wird doch nicht glauben, daß wirs seinen Schäferinnen nachmachen sollen, oder daß uns solche Zweydeu- tigkeiten angenehm seyn werden? Wenn er nichts bessers schreiben kann, so such er nicht, noch un- verdorbene und reine Gemüther anzustecken! So ein Mensch ist ein Feind von unserm Geschlecht, und von aller Rechtschaffenheit. Klopstock und Kleist haben mich gelehrt, daß man das Gemüth auf das angenehmste beschäftigen kann, ohne es zu verderben. Ein Dichter muß ein guter Mann seyn, sonst ist er ein schädlicher Mensch. u. s. w. Siegwart hörte nun auch die ersten Regeln auch andre Buͤcher geliehen, die mir weniger ge- fallen. Beſonders ein gewiſſer Verſuch in Schaͤ- fergedichten; ich hab ihm aber das Buch gleich wieder zuruͤckgegeben, weil es ſo ſehr anſtoͤſſig iſt, und viel muthwillige Stellen und Zweydeutigkei- ten enthaͤlt. Jch kann nicht begreifen, was ein Menſch fuͤr Abſichten haben kann, der ſolche Din- ge ſchreibt? Will er uns die Unſchuld als etwas gleichguͤltiges abſchildern, und uns Ausſchweifun- gen als etwas ſchoͤnes anpreiſen? Pfuy, er wird doch nicht glauben, daß wirs ſeinen Schaͤferinnen nachmachen ſollen, oder daß uns ſolche Zweydeu- tigkeiten angenehm ſeyn werden? Wenn er nichts beſſers ſchreiben kann, ſo ſuch er nicht, noch un- verdorbene und reine Gemuͤther anzuſtecken! So ein Menſch iſt ein Feind von unſerm Geſchlecht, und von aller Rechtſchaffenheit. Klopſtock und Kleiſt haben mich gelehrt, daß man das Gemuͤth auf das angenehmſte beſchaͤftigen kann, ohne es zu verderben. Ein Dichter muß ein guter Mann ſeyn, ſonſt iſt er ein ſchaͤdlicher Menſch. u. ſ. w. Siegwart hoͤrte nun auch die erſten Regeln <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0337" n="333"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> auch andre Buͤcher geliehen, die mir weniger ge-<lb/> fallen. Beſonders ein gewiſſer <hi rendition="#fr">Verſuch in Schaͤ-<lb/> fergedichten;</hi> ich hab ihm aber das Buch gleich<lb/> wieder zuruͤckgegeben, weil es ſo ſehr anſtoͤſſig iſt,<lb/> und viel muthwillige Stellen und Zweydeutigkei-<lb/> ten enthaͤlt. Jch kann nicht begreifen, was ein<lb/> Menſch fuͤr Abſichten haben kann, der ſolche Din-<lb/> ge ſchreibt? Will er uns die Unſchuld als etwas<lb/> gleichguͤltiges abſchildern, und uns Ausſchweifun-<lb/> gen als etwas ſchoͤnes anpreiſen? Pfuy, er wird<lb/> doch nicht glauben, daß wirs ſeinen Schaͤferinnen<lb/> nachmachen ſollen, oder daß uns ſolche Zweydeu-<lb/> tigkeiten angenehm ſeyn werden? Wenn er nichts<lb/> beſſers ſchreiben kann, ſo ſuch er nicht, noch un-<lb/> verdorbene und reine Gemuͤther anzuſtecken! So<lb/> ein Menſch iſt ein Feind von unſerm Geſchlecht,<lb/> und von aller Rechtſchaffenheit. <hi rendition="#fr">Klopſtock</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Kleiſt</hi> haben mich gelehrt, daß man das Gemuͤth<lb/> auf das angenehmſte beſchaͤftigen kann, ohne es<lb/> zu verderben. Ein Dichter muß ein guter Mann<lb/> ſeyn, ſonſt iſt er ein ſchaͤdlicher Menſch. u. ſ. w.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Siegwart</hi> hoͤrte nun auch die erſten Regeln<lb/> der Dichtkunſt und der Redekunſt, aber zu allem<lb/> Ungluͤck beym P. <hi rendition="#fr">Hyacinth.</hi> Die Regeln dieſer<lb/> beyden Wiſſenſchaften ſind uͤberhaupt fuͤr den,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [333/0337]
auch andre Buͤcher geliehen, die mir weniger ge-
fallen. Beſonders ein gewiſſer Verſuch in Schaͤ-
fergedichten; ich hab ihm aber das Buch gleich
wieder zuruͤckgegeben, weil es ſo ſehr anſtoͤſſig iſt,
und viel muthwillige Stellen und Zweydeutigkei-
ten enthaͤlt. Jch kann nicht begreifen, was ein
Menſch fuͤr Abſichten haben kann, der ſolche Din-
ge ſchreibt? Will er uns die Unſchuld als etwas
gleichguͤltiges abſchildern, und uns Ausſchweifun-
gen als etwas ſchoͤnes anpreiſen? Pfuy, er wird
doch nicht glauben, daß wirs ſeinen Schaͤferinnen
nachmachen ſollen, oder daß uns ſolche Zweydeu-
tigkeiten angenehm ſeyn werden? Wenn er nichts
beſſers ſchreiben kann, ſo ſuch er nicht, noch un-
verdorbene und reine Gemuͤther anzuſtecken! So
ein Menſch iſt ein Feind von unſerm Geſchlecht,
und von aller Rechtſchaffenheit. Klopſtock und
Kleiſt haben mich gelehrt, daß man das Gemuͤth
auf das angenehmſte beſchaͤftigen kann, ohne es
zu verderben. Ein Dichter muß ein guter Mann
ſeyn, ſonſt iſt er ein ſchaͤdlicher Menſch. u. ſ. w.
Siegwart hoͤrte nun auch die erſten Regeln
der Dichtkunſt und der Redekunſt, aber zu allem
Ungluͤck beym P. Hyacinth. Die Regeln dieſer
beyden Wiſſenſchaften ſind uͤberhaupt fuͤr den,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |