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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Sohn kam, war er auch auf dem Zimmer, mach-
te den gläsernen Bücherschrank auf, wies die schö-
nen Bände, sagte, was sie gekostet hätten, und
neigte sich lächelnd, wenn man etwas zu seinem,
oder seines Sohnes Lob sagte. Er erzälte fleissig,
wenn einer von den vornehmern Schülern, oder
gar von den Professoren seinen Sohn besucht hat-
te, und rekommandirte ihn der Gewogenheit dessen,
dem er es erzälte. Er fragte allemal, wie sich
sein Sohn auf der Schule halte? weil er was
schmeichelhaftes zu hören hoffte. Wenn die drey
Jünglinge auf der Violin spielten, so war er gleich
dabey, sah und hörte blos auf seinen Sohn, trat
immer mit dem Fuß, als ob er den Takt gäbe, und
nickte mit dem Kopf, ob er gleich nichts von der
Musik verstand. Seine Frau und seine Tochter
ließ er nie aufs Studierzimmer kommen, auch
nicht, wenn Musik war, weil er sagte: Die Ge-
lehrten würden durchs Frauenzimmer gleich ge-
stört. Er las auch Historienbücher und Romane,
welches er vorher nie gethan hatte; weil er glaub-
te, der Vater eines gelehrten Sohns müsse, ihm
zu Ehren, auch ein Gelehrter werden. Kron-
helm
bat er besonders inständig um die Freund-
schaft für seinen Sohn, weil er von Adel war;



Sohn kam, war er auch auf dem Zimmer, mach-
te den glaͤſernen Buͤcherſchrank auf, wies die ſchoͤ-
nen Baͤnde, ſagte, was ſie gekoſtet haͤtten, und
neigte ſich laͤchelnd, wenn man etwas zu ſeinem,
oder ſeines Sohnes Lob ſagte. Er erzaͤlte fleiſſig,
wenn einer von den vornehmern Schuͤlern, oder
gar von den Profeſſoren ſeinen Sohn beſucht hat-
te, und rekommandirte ihn der Gewogenheit deſſen,
dem er es erzaͤlte. Er fragte allemal, wie ſich
ſein Sohn auf der Schule halte? weil er was
ſchmeichelhaftes zu hoͤren hoffte. Wenn die drey
Juͤnglinge auf der Violin ſpielten, ſo war er gleich
dabey, ſah und hoͤrte blos auf ſeinen Sohn, trat
immer mit dem Fuß, als ob er den Takt gaͤbe, und
nickte mit dem Kopf, ob er gleich nichts von der
Muſik verſtand. Seine Frau und ſeine Tochter
ließ er nie aufs Studierzimmer kommen, auch
nicht, wenn Muſik war, weil er ſagte: Die Ge-
lehrten wuͤrden durchs Frauenzimmer gleich ge-
ſtoͤrt. Er las auch Hiſtorienbuͤcher und Romane,
welches er vorher nie gethan hatte; weil er glaub-
te, der Vater eines gelehrten Sohns muͤſſe, ihm
zu Ehren, auch ein Gelehrter werden. Kron-
helm
bat er beſonders inſtaͤndig um die Freund-
ſchaft fuͤr ſeinen Sohn, weil er von Adel war;

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[313/0317] Sohn kam, war er auch auf dem Zimmer, mach- te den glaͤſernen Buͤcherſchrank auf, wies die ſchoͤ- nen Baͤnde, ſagte, was ſie gekoſtet haͤtten, und neigte ſich laͤchelnd, wenn man etwas zu ſeinem, oder ſeines Sohnes Lob ſagte. Er erzaͤlte fleiſſig, wenn einer von den vornehmern Schuͤlern, oder gar von den Profeſſoren ſeinen Sohn beſucht hat- te, und rekommandirte ihn der Gewogenheit deſſen, dem er es erzaͤlte. Er fragte allemal, wie ſich ſein Sohn auf der Schule halte? weil er was ſchmeichelhaftes zu hoͤren hoffte. Wenn die drey Juͤnglinge auf der Violin ſpielten, ſo war er gleich dabey, ſah und hoͤrte blos auf ſeinen Sohn, trat immer mit dem Fuß, als ob er den Takt gaͤbe, und nickte mit dem Kopf, ob er gleich nichts von der Muſik verſtand. Seine Frau und ſeine Tochter ließ er nie aufs Studierzimmer kommen, auch nicht, wenn Muſik war, weil er ſagte: Die Ge- lehrten wuͤrden durchs Frauenzimmer gleich ge- ſtoͤrt. Er las auch Hiſtorienbuͤcher und Romane, welches er vorher nie gethan hatte; weil er glaub- te, der Vater eines gelehrten Sohns muͤſſe, ihm zu Ehren, auch ein Gelehrter werden. Kron- helm bat er beſonders inſtaͤndig um die Freund- ſchaft fuͤr ſeinen Sohn, weil er von Adel war;

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/317>, abgerufen am 22.11.2024.