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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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sie auf einsamen Spatziergängen fühlen, wenn alle
Vögel sich beeifern, Entzücken in ihr reines Herz
zu singen; wenn ihr ländliches Mahl aus lauter
Früchten besteht, die sie selbst gepflanzt haben;
wenn die Abendsonn' in ihre Sommerlaube glänzt,
und die Blumen um sie her düften? Wenn dann
das himmelvolleste Gefühl der Zärtlichkeit aus ih-
nen weint; was denken Sie von einem solchen
Paar, Herr von Kronhelm?

Kronhelm. Daß es recht glücklich seyn muß,
gnädiges Fräulein!

Regina. Recht glücklich? Weiter nichts?
Warum so kalt, Herr von Kronhelm? Sind Sie
immer so?

Kronhelm. Jmmer so, gnädiges Fräulein!
Kalt zwar nicht. -- Doch, wenn Sies so zu nen-
nen belieben --?

Regina. Nun, was ist es denn? -- Sagen
Sie mir einmal: möchten Sie nicht der Eine
Theil des glücklichen Paars seyn?

Kronhelm. O ja, gnädges Fräulein.

Regina. O ja, O ja! Und immer kälter!
Jhr Geficht muß ziemlich trügen. Es verspricht
so viel Empfindung; so viel schwärmerisches! Und
ich liebe das Schwärmerische so.



ſie auf einſamen Spatziergaͤngen fuͤhlen, wenn alle
Voͤgel ſich beeifern, Entzuͤcken in ihr reines Herz
zu ſingen; wenn ihr laͤndliches Mahl aus lauter
Fruͤchten beſteht, die ſie ſelbſt gepflanzt haben;
wenn die Abendſonn’ in ihre Sommerlaube glaͤnzt,
und die Blumen um ſie her duͤften? Wenn dann
das himmelvolleſte Gefuͤhl der Zaͤrtlichkeit aus ih-
nen weint; was denken Sie von einem ſolchen
Paar, Herr von Kronhelm?

Kronhelm. Daß es recht gluͤcklich ſeyn muß,
gnaͤdiges Fraͤulein!

Regina. Recht gluͤcklich? Weiter nichts?
Warum ſo kalt, Herr von Kronhelm? Sind Sie
immer ſo?

Kronhelm. Jmmer ſo, gnaͤdiges Fraͤulein!
Kalt zwar nicht. — Doch, wenn Sies ſo zu nen-
nen belieben —?

Regina. Nun, was iſt es denn? — Sagen
Sie mir einmal: moͤchten Sie nicht der Eine
Theil des gluͤcklichen Paars ſeyn?

Kronhelm. O ja, gnaͤdges Fraͤulein.

Regina. O ja, O ja! Und immer kaͤlter!
Jhr Geficht muß ziemlich truͤgen. Es verſpricht
ſo viel Empfindung; ſo viel ſchwaͤrmeriſches! Und
ich liebe das Schwaͤrmeriſche ſo.

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[286/0290] ſie auf einſamen Spatziergaͤngen fuͤhlen, wenn alle Voͤgel ſich beeifern, Entzuͤcken in ihr reines Herz zu ſingen; wenn ihr laͤndliches Mahl aus lauter Fruͤchten beſteht, die ſie ſelbſt gepflanzt haben; wenn die Abendſonn’ in ihre Sommerlaube glaͤnzt, und die Blumen um ſie her duͤften? Wenn dann das himmelvolleſte Gefuͤhl der Zaͤrtlichkeit aus ih- nen weint; was denken Sie von einem ſolchen Paar, Herr von Kronhelm? Kronhelm. Daß es recht gluͤcklich ſeyn muß, gnaͤdiges Fraͤulein! Regina. Recht gluͤcklich? Weiter nichts? Warum ſo kalt, Herr von Kronhelm? Sind Sie immer ſo? Kronhelm. Jmmer ſo, gnaͤdiges Fraͤulein! Kalt zwar nicht. — Doch, wenn Sies ſo zu nen- nen belieben —? Regina. Nun, was iſt es denn? — Sagen Sie mir einmal: moͤchten Sie nicht der Eine Theil des gluͤcklichen Paars ſeyn? Kronhelm. O ja, gnaͤdges Fraͤulein. Regina. O ja, O ja! Und immer kaͤlter! Jhr Geficht muß ziemlich truͤgen. Es verſpricht ſo viel Empfindung; ſo viel ſchwaͤrmeriſches! Und ich liebe das Schwaͤrmeriſche ſo.

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/290>, abgerufen am 20.05.2024.