Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



Kloster, ob ich je einem was zu Leid gethan habe?
Und dir bin ich immer vorzüglich gut gewesen.

Siegwart war sehr aufgebracht, und wollte
gleich zu Kronhelm; aber Kreutzner misrieth ihms,
und sagte, ob er ihn verrathen wollte? Das sey nun
der Dank u. s. w. P. Philipp war in der That
ein muntrer Mann, und lachte gern; er that oft mit
Kronhelm ziemlich vertraut, und da kam Kreutz-
ners
Aussage unserm Xaver desto glaubwürdiger
vor. Auch das hatte er schon gehört, daß Kron-
helms
Vater ein sehr schlechter Mann sey, und der
Sohn sah immer etwas blaß aus; also war auch
das, was Kreutzner von ihm sagte, nicht ganz
unwahrscheinlich. Siegwarts beleidigter Ehrgeiz,
und die schmeichlerischen Freundschaftsversicherun-
gen des schlauen Kreutzners, die er gar mit Thrä-
nen begleitete, kamen noch dazu; also nahm sein
Zutrauen zu P. Philipp und zu Kronhelm ziem-
lich ab. Den andern Tag, als er zum Pater woll-
te, bat ihn dieser, ihn dießmal allein zu lassen,
weil Kronhelm bey ihm sey, mit dem er etwas
Geheimes zu reden habe. Dieß brachte ihn noch
mehr auf, und machte ihn noch mistrauischer.
Kreutzner blies den kleinen Funken der Eifersucht
noch mehr an, und als P. Philipp eine Küste



Kloſter, ob ich je einem was zu Leid gethan habe?
Und dir bin ich immer vorzuͤglich gut geweſen.

Siegwart war ſehr aufgebracht, und wollte
gleich zu Kronhelm; aber Kreutzner misrieth ihms,
und ſagte, ob er ihn verrathen wollte? Das ſey nun
der Dank u. ſ. w. P. Philipp war in der That
ein muntrer Mann, und lachte gern; er that oft mit
Kronhelm ziemlich vertraut, und da kam Kreutz-
ners
Ausſage unſerm Xaver deſto glaubwuͤrdiger
vor. Auch das hatte er ſchon gehoͤrt, daß Kron-
helms
Vater ein ſehr ſchlechter Mann ſey, und der
Sohn ſah immer etwas blaß aus; alſo war auch
das, was Kreutzner von ihm ſagte, nicht ganz
unwahrſcheinlich. Siegwarts beleidigter Ehrgeiz,
und die ſchmeichleriſchen Freundſchaftsverſicherun-
gen des ſchlauen Kreutzners, die er gar mit Thraͤ-
nen begleitete, kamen noch dazu; alſo nahm ſein
Zutrauen zu P. Philipp und zu Kronhelm ziem-
lich ab. Den andern Tag, als er zum Pater woll-
te, bat ihn dieſer, ihn dießmal allein zu laſſen,
weil Kronhelm bey ihm ſey, mit dem er etwas
Geheimes zu reden habe. Dieß brachte ihn noch
mehr auf, und machte ihn noch mistrauiſcher.
Kreutzner blies den kleinen Funken der Eiferſucht
noch mehr an, und als P. Philipp eine Kuͤſte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0201" n="197"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Klo&#x017F;ter, ob ich je einem was zu Leid gethan habe?<lb/>
Und dir bin ich immer vorzu&#x0364;glich gut gewe&#x017F;en.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Siegwart</hi> war &#x017F;ehr aufgebracht, und wollte<lb/>
gleich zu <hi rendition="#fr">Kronhelm;</hi> aber <hi rendition="#fr">Kreutzner</hi> misrieth ihms,<lb/>
und &#x017F;agte, ob er ihn verrathen wollte? Das &#x017F;ey nun<lb/>
der Dank u. &#x017F;. w. P. <hi rendition="#fr">Philipp</hi> war in der That<lb/>
ein muntrer Mann, und lachte gern; er that oft mit<lb/><hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> ziemlich vertraut, und da kam <hi rendition="#fr">Kreutz-<lb/>
ners</hi> Aus&#x017F;age un&#x017F;erm <hi rendition="#fr">Xaver</hi> de&#x017F;to glaubwu&#x0364;rdiger<lb/>
vor. Auch das hatte er &#x017F;chon geho&#x0364;rt, daß <hi rendition="#fr">Kron-<lb/>
helms</hi> Vater ein &#x017F;ehr &#x017F;chlechter Mann &#x017F;ey, und der<lb/>
Sohn &#x017F;ah immer etwas blaß aus; al&#x017F;o war auch<lb/>
das, was <hi rendition="#fr">Kreutzner</hi> von ihm &#x017F;agte, nicht ganz<lb/>
unwahr&#x017F;cheinlich. <hi rendition="#fr">Siegwarts</hi> beleidigter Ehrgeiz,<lb/>
und die &#x017F;chmeichleri&#x017F;chen Freund&#x017F;chaftsver&#x017F;icherun-<lb/>
gen des &#x017F;chlauen <hi rendition="#fr">Kreutzners,</hi> die er gar mit Thra&#x0364;-<lb/>
nen begleitete, kamen noch dazu; al&#x017F;o nahm &#x017F;ein<lb/>
Zutrauen zu P. <hi rendition="#fr">Philipp</hi> und zu <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> ziem-<lb/>
lich ab. Den andern Tag, als er zum Pater woll-<lb/>
te, bat ihn die&#x017F;er, ihn dießmal allein zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
weil <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> bey ihm &#x017F;ey, mit dem er etwas<lb/>
Geheimes zu reden habe. Dieß brachte ihn noch<lb/>
mehr auf, und machte ihn noch mistraui&#x017F;cher.<lb/><hi rendition="#fr">Kreutzner</hi> blies den kleinen Funken der Eifer&#x017F;ucht<lb/>
noch mehr an, und als P. <hi rendition="#fr">Philipp</hi> eine Ku&#x0364;&#x017F;te<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0201] Kloſter, ob ich je einem was zu Leid gethan habe? Und dir bin ich immer vorzuͤglich gut geweſen. Siegwart war ſehr aufgebracht, und wollte gleich zu Kronhelm; aber Kreutzner misrieth ihms, und ſagte, ob er ihn verrathen wollte? Das ſey nun der Dank u. ſ. w. P. Philipp war in der That ein muntrer Mann, und lachte gern; er that oft mit Kronhelm ziemlich vertraut, und da kam Kreutz- ners Ausſage unſerm Xaver deſto glaubwuͤrdiger vor. Auch das hatte er ſchon gehoͤrt, daß Kron- helms Vater ein ſehr ſchlechter Mann ſey, und der Sohn ſah immer etwas blaß aus; alſo war auch das, was Kreutzner von ihm ſagte, nicht ganz unwahrſcheinlich. Siegwarts beleidigter Ehrgeiz, und die ſchmeichleriſchen Freundſchaftsverſicherun- gen des ſchlauen Kreutzners, die er gar mit Thraͤ- nen begleitete, kamen noch dazu; alſo nahm ſein Zutrauen zu P. Philipp und zu Kronhelm ziem- lich ab. Den andern Tag, als er zum Pater woll- te, bat ihn dieſer, ihn dießmal allein zu laſſen, weil Kronhelm bey ihm ſey, mit dem er etwas Geheimes zu reden habe. Dieß brachte ihn noch mehr auf, und machte ihn noch mistrauiſcher. Kreutzner blies den kleinen Funken der Eiferſucht noch mehr an, und als P. Philipp eine Kuͤſte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/201
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/201>, abgerufen am 02.05.2024.