mer bleiben mußte, nicht von seiner Seite, that herzlich betrübt; und befestigte sich dadurch noch mehr in der Liebe des Jünglings. Er entlehnte, unter allerley Vorwand, alle Augenblicke Geld von Siegwart; versprach immer, es ihm wieder heim- zugeben, und gewanns ihm dann durch Wetten, oder durch Spiele, die er aber anders nannte, ab, oder verkaufte an ihn schlechte Bücher theuer, so daß Siegwart sich in kurzer Zeit fast seines gan- zen Vorraths los sah.
P. Philipp hielt nicht viel von Kreutznern, und sah, daß er Xavern ganz von ihm abzöge. Er sagte also einmal auf einem Spatziergange, wo Kronhelm auch dabey war: Mein lieber Sieg- wart, er läßt sich ja bey mir wenig mehr sehen, und bey Kronhelm auch nicht, den ich ihm doch so sehr empfohlen habe. -- Ja, sagte Siegwart, Herr Professor! ich bin eben viel beym Kreutzner. Gut, antwortete P. Philipp, Kreutzner ist ein Mensch, dem ich zwar nichts offenbahr Böses nach- sagen kann; aber er hat so was in der Mine, und in seinem ganzen Betragen, das mir nicht ge- fällt. Jch weiß nicht; der Mensch lächelt immer so freundlich, wenn man mit ihm spricht; und sieht man ihm ins Aug, so schlägt ers nieder, als ob er
mer bleiben mußte, nicht von ſeiner Seite, that herzlich betruͤbt; und befeſtigte ſich dadurch noch mehr in der Liebe des Juͤnglings. Er entlehnte, unter allerley Vorwand, alle Augenblicke Geld von Siegwart; verſprach immer, es ihm wieder heim- zugeben, und gewanns ihm dann durch Wetten, oder durch Spiele, die er aber anders nannte, ab, oder verkaufte an ihn ſchlechte Buͤcher theuer, ſo daß Siegwart ſich in kurzer Zeit faſt ſeines gan- zen Vorraths los ſah.
P. Philipp hielt nicht viel von Kreutznern, und ſah, daß er Xavern ganz von ihm abzoͤge. Er ſagte alſo einmal auf einem Spatziergange, wo Kronhelm auch dabey war: Mein lieber Sieg- wart, er laͤßt ſich ja bey mir wenig mehr ſehen, und bey Kronhelm auch nicht, den ich ihm doch ſo ſehr empfohlen habe. — Ja, ſagte Siegwart, Herr Profeſſor! ich bin eben viel beym Kreutzner. Gut, antwortete P. Philipp, Kreutzner iſt ein Menſch, dem ich zwar nichts offenbahr Boͤſes nach- ſagen kann; aber er hat ſo was in der Mine, und in ſeinem ganzen Betragen, das mir nicht ge- faͤllt. Jch weiß nicht; der Menſch laͤchelt immer ſo freundlich, wenn man mit ihm ſpricht; und ſieht man ihm ins Aug, ſo ſchlaͤgt ers nieder, als ob er
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mer bleiben mußte, nicht von ſeiner Seite, that
herzlich betruͤbt; und befeſtigte ſich dadurch noch
mehr in der Liebe des Juͤnglings. Er entlehnte,
unter allerley Vorwand, alle Augenblicke Geld von
Siegwart; verſprach immer, es ihm wieder heim-
zugeben, und gewanns ihm dann durch Wetten,
oder durch Spiele, die er aber anders nannte, ab,
oder verkaufte an ihn ſchlechte Buͤcher theuer, ſo
daß Siegwart ſich in kurzer Zeit faſt ſeines gan-
zen Vorraths los ſah.
P. Philipp hielt nicht viel von Kreutznern,
und ſah, daß er Xavern ganz von ihm abzoͤge.
Er ſagte alſo einmal auf einem Spatziergange, wo
Kronhelm auch dabey war: Mein lieber Sieg-
wart, er laͤßt ſich ja bey mir wenig mehr ſehen,
und bey Kronhelm auch nicht, den ich ihm doch
ſo ſehr empfohlen habe. — Ja, ſagte Siegwart,
Herr Profeſſor! ich bin eben viel beym Kreutzner.
Gut, antwortete P. Philipp, Kreutzner iſt ein
Menſch, dem ich zwar nichts offenbahr Boͤſes nach-
ſagen kann; aber er hat ſo was in der Mine,
und in ſeinem ganzen Betragen, das mir nicht ge-
faͤllt. Jch weiß nicht; der Menſch laͤchelt immer
ſo freundlich, wenn man mit ihm ſpricht; und ſieht
man ihm ins Aug, ſo ſchlaͤgt ers nieder, als ob er
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/195>, abgerufen am 16.02.2025.
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