sies gleich nicht sagte. Verdruß, Schwärmerey, Eigennutz der Eltern und Verwandten, und Ueber- eilung sinds allein, die das Kloster füllen; diese haben ihre Gränzen, hören wieder auf; aber das Gelübde, Einmal ausgesprochen, ist ewig unauf- löslich.
Xaver. Das ist schon recht, Therese, du sprichst hier von Nonnenklöstern, und da weiß ich nichts davon, hab mich auch niemals drum be- kümmert, aber bey uns -- -- --
Therese. Nun? ists bey euch wol anders? Seyd ihr denn nicht auch Menschen, wie wir? Habt ihr nicht auch Fleisch und Blut? Bey Euch, denk ich, sollt's noch ärger seyn, da ihr die Frey- heit mehr gewohnt seyd, stärkere Leidenschaften habt, und euch weniger schmiegen könnt, als wir. Wir müssen uns so vieles in der Welt gefallen lassen; sind an Unterwerfung und Gehorsam schon von Jugend auf gewöhnt; leben immer einsamer, als ihr, und sind oft ganze Wochen lang zwischen unsre vier Wände eingesperrt, da ihr indessen volle Freyheit habt, in der Welt anzufangen, was ihr wollt. Von uns sollte man weit eher den- ken, daß das Kloster für uns wäre, und doch ists nicht.
ſies gleich nicht ſagte. Verdruß, Schwaͤrmerey, Eigennutz der Eltern und Verwandten, und Ueber- eilung ſinds allein, die das Kloſter fuͤllen; dieſe haben ihre Graͤnzen, hoͤren wieder auf; aber das Geluͤbde, Einmal ausgeſprochen, iſt ewig unauf- loͤslich.
Xaver. Das iſt ſchon recht, Thereſe, du ſprichſt hier von Nonnenkloͤſtern, und da weiß ich nichts davon, hab mich auch niemals drum be- kuͤmmert, aber bey uns — — —
Thereſe. Nun? iſts bey euch wol anders? Seyd ihr denn nicht auch Menſchen, wie wir? Habt ihr nicht auch Fleiſch und Blut? Bey Euch, denk ich, ſollt’s noch aͤrger ſeyn, da ihr die Frey- heit mehr gewohnt ſeyd, ſtaͤrkere Leidenſchaften habt, und euch weniger ſchmiegen koͤnnt, als wir. Wir muͤſſen uns ſo vieles in der Welt gefallen laſſen; ſind an Unterwerfung und Gehorſam ſchon von Jugend auf gewoͤhnt; leben immer einſamer, als ihr, und ſind oft ganze Wochen lang zwiſchen unſre vier Waͤnde eingeſperrt, da ihr indeſſen volle Freyheit habt, in der Welt anzufangen, was ihr wollt. Von uns ſollte man weit eher den- ken, daß das Kloſter fuͤr uns waͤre, und doch iſts nicht.
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ſies gleich nicht ſagte. Verdruß, Schwaͤrmerey,
Eigennutz der Eltern und Verwandten, und Ueber-
eilung ſinds allein, die das Kloſter fuͤllen; dieſe
haben ihre Graͤnzen, hoͤren wieder auf; aber das
Geluͤbde, Einmal ausgeſprochen, iſt ewig unauf-
loͤslich.
Xaver. Das iſt ſchon recht, Thereſe, du
ſprichſt hier von Nonnenkloͤſtern, und da weiß ich
nichts davon, hab mich auch niemals drum be-
kuͤmmert, aber bey uns — — —
Thereſe. Nun? iſts bey euch wol anders?
Seyd ihr denn nicht auch Menſchen, wie wir?
Habt ihr nicht auch Fleiſch und Blut? Bey Euch,
denk ich, ſollt’s noch aͤrger ſeyn, da ihr die Frey-
heit mehr gewohnt ſeyd, ſtaͤrkere Leidenſchaften
habt, und euch weniger ſchmiegen koͤnnt, als wir.
Wir muͤſſen uns ſo vieles in der Welt gefallen laſſen;
ſind an Unterwerfung und Gehorſam ſchon von
Jugend auf gewoͤhnt; leben immer einſamer,
als ihr, und ſind oft ganze Wochen lang zwiſchen
unſre vier Waͤnde eingeſperrt, da ihr indeſſen
volle Freyheit habt, in der Welt anzufangen, was
ihr wollt. Von uns ſollte man weit eher den-
ken, daß das Kloſter fuͤr uns waͤre, und doch iſts
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/141>, abgerufen am 22.11.2024.
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