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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Gesicht) Die Zeit wird dir theurer werden, als
Gold und Edelstein. Sie, gut angewendet, mein
Geliebter, ist das Mittel, uns zum Engel, und
Gott ähnlich zu machen.
IV. Wer von der Welt allein Belohnung
oder Lob erwartet, wird wenig wirklich grosse
Handlungen verrichten, wenigstens nicht in den
Augen Gottes, der sie allein würdigen und schätzen
kann. Die grösten Handlungen gehen in uns selbst
vor, und treten nicht vors Angesicht der Menschen.
Jnnere Bestreitung seiner Leidenschaften, seiner
Lieblingsneigungen, des Hangs zur Bequemlichkeit,
zum äusserlichen Ansehen, zum Geld, zur Wollust
u. s. w. ist der herrlichste Sieg, der die glorreich-
sten und fortdaurendsten Palmen erringt, aber erst
jenseits des Grabes. Doch fehlts diesem Sieg auch
nicht in dieser Welt an seiner hohen himmlischen
Belohnung. Das Gesühl, nach seiner Pflicht
gehandelt, und die Menschen, seine Brüder, glück-
lich gemacht zu haben, ist nach einem Tage, der für
uns mit Wohlthun untergieng, das süsseste und
edelste. Ein Mann, der so viel Gutes thut, als
er kann, darf kühn auf alle Könige und Sieger
stolz herabsehn, die durch Ehrenpforten auf Triumph-
wagen einziehn!


Geſicht) Die Zeit wird dir theurer werden, als
Gold und Edelſtein. Sie, gut angewendet, mein
Geliebter, iſt das Mittel, uns zum Engel, und
Gott aͤhnlich zu machen.
IV. Wer von der Welt allein Belohnung
oder Lob erwartet, wird wenig wirklich groſſe
Handlungen verrichten, wenigſtens nicht in den
Augen Gottes, der ſie allein wuͤrdigen und ſchaͤtzen
kann. Die groͤſten Handlungen gehen in uns ſelbſt
vor, und treten nicht vors Angeſicht der Menſchen.
Jnnere Beſtreitung ſeiner Leidenſchaften, ſeiner
Lieblingsneigungen, des Hangs zur Bequemlichkeit,
zum aͤuſſerlichen Anſehen, zum Geld, zur Wolluſt
u. ſ. w. iſt der herrlichſte Sieg, der die glorreich-
ſten und fortdaurendſten Palmen erringt, aber erſt
jenſeits des Grabes. Doch fehlts dieſem Sieg auch
nicht in dieſer Welt an ſeiner hohen himmliſchen
Belohnung. Das Geſuͤhl, nach ſeiner Pflicht
gehandelt, und die Menſchen, ſeine Bruͤder, gluͤck-
lich gemacht zu haben, iſt nach einem Tage, der fuͤr
uns mit Wohlthun untergieng, das ſuͤſſeſte und
edelſte. Ein Mann, der ſo viel Gutes thut, als
er kann, darf kuͤhn auf alle Koͤnige und Sieger
ſtolz herabſehn, die durch Ehrenpforten auf Triumph-
wagen einziehn!
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[104/0108] Geſicht) Die Zeit wird dir theurer werden, als Gold und Edelſtein. Sie, gut angewendet, mein Geliebter, iſt das Mittel, uns zum Engel, und Gott aͤhnlich zu machen. IV. Wer von der Welt allein Belohnung oder Lob erwartet, wird wenig wirklich groſſe Handlungen verrichten, wenigſtens nicht in den Augen Gottes, der ſie allein wuͤrdigen und ſchaͤtzen kann. Die groͤſten Handlungen gehen in uns ſelbſt vor, und treten nicht vors Angeſicht der Menſchen. Jnnere Beſtreitung ſeiner Leidenſchaften, ſeiner Lieblingsneigungen, des Hangs zur Bequemlichkeit, zum aͤuſſerlichen Anſehen, zum Geld, zur Wolluſt u. ſ. w. iſt der herrlichſte Sieg, der die glorreich- ſten und fortdaurendſten Palmen erringt, aber erſt jenſeits des Grabes. Doch fehlts dieſem Sieg auch nicht in dieſer Welt an ſeiner hohen himmliſchen Belohnung. Das Geſuͤhl, nach ſeiner Pflicht gehandelt, und die Menſchen, ſeine Bruͤder, gluͤck- lich gemacht zu haben, iſt nach einem Tage, der fuͤr uns mit Wohlthun untergieng, das ſuͤſſeſte und edelſte. Ein Mann, der ſo viel Gutes thut, als er kann, darf kuͤhn auf alle Koͤnige und Sieger ſtolz herabſehn, die durch Ehrenpforten auf Triumph- wagen einziehn!

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/108>, abgerufen am 22.11.2024.