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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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III. Der Reinlichkeitsfanatiker und seine Toilettengeheimnisse.

Ich will nämlich von einem Holländer erzählen, dessen
Bekanntschaft ich einst in Tirol machte und der ein wahrer
Reinlichkeitsfanatiker war, aber dabei dennoch viel
und mit Passion reiste. Die beiden Leidenschaften erfüllten
den Mann ganz und gar, und es war ihm in der That ge-
lungen, einen Compromiß für sie zu finden. Geraume Zeit
schon waren wir selbander gewandert, geklettert, gefahren,
geritten, hatten nirgend länger als eine Nacht gerastet, als
es mir auffiel, daß, obwohl auch er nur eine Jagdtasche von
mäßigem Umfang bei sich führte, er doch bei jeder unserer
gemeinschaftlichen Mahlzeiten stets in einem Hemd erschien,
das in allen sichtbaren Theilen salonfähig sauber war. Auf
meine Frage, wie er das anstelle, suchte er anfangs mit
Scherzen auszuweichen, offenbar befürchtete er Neckereien.
Als er jedoch sah, daß ein alter Fuchsjäger, wie ich, nicht
so leicht zu ermüden, noch von seiner Fährte abzulenken ist,
ließ er sich endlich vernehmen.

-- Zur Strafe für Ihre Neugierde sollen Sie nun
aber auch in alle meine Toilettengeheimnisse eingeweiht werden,
und je mehr Sie sich dabei ennuyiren, je lieber wird es mir
sein. Es hat Ihnen nicht entgehen können, daß von den
größeren und wohlhabenden Culturvölkern Europa's die
Niederlande verhältnißmäßig das schwächste Contingent liefern
zum allgemeinen Touristenheere. Einige sehen darin Träg-
heit, oder Geiz, oder eitle Selbstgenügsamkeit und was weiß
ich Alles: ich behaupte, daß die Ursache eine andere ist, und
wir sie nur aus Höflichkeit und Klugheit verschweigen, denn
wir haben ringsum Alles gegen uns. Sie fordern meine
Aufrichtigkeit heraus, wohlan, so wissen Sie: die Lust am
Reisen wird uns Holländern dadurch verdorben, daß unsere
Ansichten und Gewohnheiten in Bezug auf Reinlichkeit von
der ganzen übrigen Welt nicht getheilt, sondern bespöttelt
und mit Füßen getreten werden, außerdem schon die Reise
an und für sich die Uebung dieser Tugend sehr erschwert.
Ich bin unter den Ausnahmen, bei denen der Zug nach der

III. Der Reinlichkeitsfanatiker und ſeine Toilettengeheimniſſe.

Ich will nämlich von einem Holländer erzählen, deſſen
Bekanntſchaft ich einſt in Tirol machte und der ein wahrer
Reinlichkeitsfanatiker war, aber dabei dennoch viel
und mit Paſſion reiſte. Die beiden Leidenſchaften erfüllten
den Mann ganz und gar, und es war ihm in der That ge-
lungen, einen Compromiß für ſie zu finden. Geraume Zeit
ſchon waren wir ſelbander gewandert, geklettert, gefahren,
geritten, hatten nirgend länger als eine Nacht geraſtet, als
es mir auffiel, daß, obwohl auch er nur eine Jagdtaſche von
mäßigem Umfang bei ſich führte, er doch bei jeder unſerer
gemeinſchaftlichen Mahlzeiten ſtets in einem Hemd erſchien,
das in allen ſichtbaren Theilen ſalonfähig ſauber war. Auf
meine Frage, wie er das anſtelle, ſuchte er anfangs mit
Scherzen auszuweichen, offenbar befürchtete er Neckereien.
Als er jedoch ſah, daß ein alter Fuchsjäger, wie ich, nicht
ſo leicht zu ermüden, noch von ſeiner Fährte abzulenken iſt,
ließ er ſich endlich vernehmen.

— Zur Strafe für Ihre Neugierde ſollen Sie nun
aber auch in alle meine Toilettengeheimniſſe eingeweiht werden,
und je mehr Sie ſich dabei ennuyiren, je lieber wird es mir
ſein. Es hat Ihnen nicht entgehen können, daß von den
größeren und wohlhabenden Culturvölkern Europa’s die
Niederlande verhältnißmäßig das ſchwächſte Contingent liefern
zum allgemeinen Touriſtenheere. Einige ſehen darin Träg-
heit, oder Geiz, oder eitle Selbſtgenügſamkeit und was weiß
ich Alles: ich behaupte, daß die Urſache eine andere iſt, und
wir ſie nur aus Höflichkeit und Klugheit verſchweigen, denn
wir haben ringsum Alles gegen uns. Sie fordern meine
Aufrichtigkeit heraus, wohlan, ſo wiſſen Sie: die Luſt am
Reiſen wird uns Holländern dadurch verdorben, daß unſere
Anſichten und Gewohnheiten in Bezug auf Reinlichkeit von
der ganzen übrigen Welt nicht getheilt, ſondern beſpöttelt
und mit Füßen getreten werden, außerdem ſchon die Reiſe
an und für ſich die Uebung dieſer Tugend ſehr erſchwert.
Ich bin unter den Ausnahmen, bei denen der Zug nach der

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[41/0055] III. Der Reinlichkeitsfanatiker und ſeine Toilettengeheimniſſe. Ich will nämlich von einem Holländer erzählen, deſſen Bekanntſchaft ich einſt in Tirol machte und der ein wahrer Reinlichkeitsfanatiker war, aber dabei dennoch viel und mit Paſſion reiſte. Die beiden Leidenſchaften erfüllten den Mann ganz und gar, und es war ihm in der That ge- lungen, einen Compromiß für ſie zu finden. Geraume Zeit ſchon waren wir ſelbander gewandert, geklettert, gefahren, geritten, hatten nirgend länger als eine Nacht geraſtet, als es mir auffiel, daß, obwohl auch er nur eine Jagdtaſche von mäßigem Umfang bei ſich führte, er doch bei jeder unſerer gemeinſchaftlichen Mahlzeiten ſtets in einem Hemd erſchien, das in allen ſichtbaren Theilen ſalonfähig ſauber war. Auf meine Frage, wie er das anſtelle, ſuchte er anfangs mit Scherzen auszuweichen, offenbar befürchtete er Neckereien. Als er jedoch ſah, daß ein alter Fuchsjäger, wie ich, nicht ſo leicht zu ermüden, noch von ſeiner Fährte abzulenken iſt, ließ er ſich endlich vernehmen. — Zur Strafe für Ihre Neugierde ſollen Sie nun aber auch in alle meine Toilettengeheimniſſe eingeweiht werden, und je mehr Sie ſich dabei ennuyiren, je lieber wird es mir ſein. Es hat Ihnen nicht entgehen können, daß von den größeren und wohlhabenden Culturvölkern Europa’s die Niederlande verhältnißmäßig das ſchwächſte Contingent liefern zum allgemeinen Touriſtenheere. Einige ſehen darin Träg- heit, oder Geiz, oder eitle Selbſtgenügſamkeit und was weiß ich Alles: ich behaupte, daß die Urſache eine andere iſt, und wir ſie nur aus Höflichkeit und Klugheit verſchweigen, denn wir haben ringsum Alles gegen uns. Sie fordern meine Aufrichtigkeit heraus, wohlan, ſo wiſſen Sie: die Luſt am Reiſen wird uns Holländern dadurch verdorben, daß unſere Anſichten und Gewohnheiten in Bezug auf Reinlichkeit von der ganzen übrigen Welt nicht getheilt, ſondern beſpöttelt und mit Füßen getreten werden, außerdem ſchon die Reiſe an und für ſich die Uebung dieſer Tugend ſehr erſchwert. Ich bin unter den Ausnahmen, bei denen der Zug nach der

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/55>, abgerufen am 22.11.2024.