gezählt werden, von denen der gute Tourist eine reichliche Anzahl in verschiedenen Größen mitnimmt.
Unter den Kopfbedeckungen die allerunbrauchbarste ist der Filzcylinder, und da selbst die strenge sixtinische Capelle von ihren Gästen an den höchsten Kirchenfesten nur einen Frack und keinen capello francese verlangt, so gibt es keine Entschuldigung für die Mitnahme dieses steifen, hohlen Ge- sellen, dieser Krone aller häßlichen Männermoden, diesem Gipfel gespreizter Geckenhaftigkeit, der Hand in Hand mit seinem ebenso abgeschmackten und philiströsen Herrn Amts- bruder, dem Frack, einem Jahrhundert nach dem andern Trotz bietet, fort und fort die Form wechselnd, aber un- ausrottbar, unbesieglich, wie die menschliche Thorheit und Eitelkeit selbst. Solltest Du, lieber Leser, Candidat oder Referendar sein und Deinen Superintendenten oder Minister zu treffen hoffen resp. fürchten, oder sollten der hochverehrte Leser Excellenz, Durchlaucht, Hoheit, kurz sollten Rücksichten auf fremden oder eigenen Rang zu nehmen sein, so sei der Antrag gestattet, einen Klapphut, sogenannten Gibus, zu wählen, der in den Koffer gelegt wird und kein besonderes Collo bildet, denn viele Gepäckstücke mit sich zu führen, ist untouristisch. Ein weicher niedriger Filzhut wird sich stets als zuverlässiger, anspruchsloser Gefährte erweisen. Die Verdienste des Strohhuts werden im Allgemeinen zu hoch angeschlagen, wenigstens ist er als einziger Reisehut zu ver- werfen. Allerdings tragen ihn Tausende von Creolen im tropischen Amerika, dieses leichtblütige, sorglose Völkchen darf uns aber nicht zum Muster dienen; die bedächtigen Südasiaten und Nordafrikaner, die darin eine mehrtausend- jährige Erfahrung hinter sich haben, ziehen sämmtlich Kopf- bedeckungen vor, die zwar schwerer wiegen und wenig Luft, dafür aber auch keinen Sonnenstrahl durchlassen. Da indessen der kluge Arzt an Patienten Grillen, die nicht allzu schädlich sind, duldet, auch ein Autor Ursache hat, mit seinen Lesern galant zu verfahren, so erlaubt unsere Reiseschule nicht nur den
III. Kopfbedeckungen.
gezählt werden, von denen der gute Touriſt eine reichliche Anzahl in verſchiedenen Größen mitnimmt.
Unter den Kopfbedeckungen die allerunbrauchbarſte iſt der Filzcylinder, und da ſelbſt die ſtrenge ſixtiniſche Capelle von ihren Gäſten an den höchſten Kirchenfeſten nur einen Frack und keinen capello francese verlangt, ſo gibt es keine Entſchuldigung für die Mitnahme dieſes ſteifen, hohlen Ge- ſellen, dieſer Krone aller häßlichen Männermoden, dieſem Gipfel geſpreizter Geckenhaftigkeit, der Hand in Hand mit ſeinem ebenſo abgeſchmackten und philiſtröſen Herrn Amts- bruder, dem Frack, einem Jahrhundert nach dem andern Trotz bietet, fort und fort die Form wechſelnd, aber un- ausrottbar, unbeſieglich, wie die menſchliche Thorheit und Eitelkeit ſelbſt. Sollteſt Du, lieber Leſer, Candidat oder Referendar ſein und Deinen Superintendenten oder Miniſter zu treffen hoffen reſp. fürchten, oder ſollten der hochverehrte Leſer Excellenz, Durchlaucht, Hoheit, kurz ſollten Rückſichten auf fremden oder eigenen Rang zu nehmen ſein, ſo ſei der Antrag geſtattet, einen Klapphut, ſogenannten Gibus, zu wählen, der in den Koffer gelegt wird und kein beſonderes Collo bildet, denn viele Gepäckſtücke mit ſich zu führen, iſt untouriſtiſch. Ein weicher niedriger Filzhut wird ſich ſtets als zuverläſſiger, anſpruchsloſer Gefährte erweiſen. Die Verdienſte des Strohhuts werden im Allgemeinen zu hoch angeſchlagen, wenigſtens iſt er als einziger Reiſehut zu ver- werfen. Allerdings tragen ihn Tauſende von Creolen im tropiſchen Amerika, dieſes leichtblütige, ſorgloſe Völkchen darf uns aber nicht zum Muſter dienen; die bedächtigen Südaſiaten und Nordafrikaner, die darin eine mehrtauſend- jährige Erfahrung hinter ſich haben, ziehen ſämmtlich Kopf- bedeckungen vor, die zwar ſchwerer wiegen und wenig Luft, dafür aber auch keinen Sonnenſtrahl durchlaſſen. Da indeſſen der kluge Arzt an Patienten Grillen, die nicht allzu ſchädlich ſind, duldet, auch ein Autor Urſache hat, mit ſeinen Leſern galant zu verfahren, ſo erlaubt unſere Reiſeſchule nicht nur den
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III. Kopfbedeckungen.
gezählt werden, von denen der gute Touriſt eine reichliche
Anzahl in verſchiedenen Größen mitnimmt.
Unter den Kopfbedeckungen die allerunbrauchbarſte
iſt der Filzcylinder, und da ſelbſt die ſtrenge ſixtiniſche Capelle
von ihren Gäſten an den höchſten Kirchenfeſten nur einen
Frack und keinen capello francese verlangt, ſo gibt es keine
Entſchuldigung für die Mitnahme dieſes ſteifen, hohlen Ge-
ſellen, dieſer Krone aller häßlichen Männermoden, dieſem
Gipfel geſpreizter Geckenhaftigkeit, der Hand in Hand mit
ſeinem ebenſo abgeſchmackten und philiſtröſen Herrn Amts-
bruder, dem Frack, einem Jahrhundert nach dem andern
Trotz bietet, fort und fort die Form wechſelnd, aber un-
ausrottbar, unbeſieglich, wie die menſchliche Thorheit und
Eitelkeit ſelbſt. Sollteſt Du, lieber Leſer, Candidat oder
Referendar ſein und Deinen Superintendenten oder Miniſter
zu treffen hoffen reſp. fürchten, oder ſollten der hochverehrte
Leſer Excellenz, Durchlaucht, Hoheit, kurz ſollten Rückſichten
auf fremden oder eigenen Rang zu nehmen ſein, ſo ſei der
Antrag geſtattet, einen Klapphut, ſogenannten Gibus, zu
wählen, der in den Koffer gelegt wird und kein beſonderes
Collo bildet, denn viele Gepäckſtücke mit ſich zu führen, iſt
untouriſtiſch. Ein weicher niedriger Filzhut wird ſich ſtets
als zuverläſſiger, anſpruchsloſer Gefährte erweiſen. Die
Verdienſte des Strohhuts werden im Allgemeinen zu hoch
angeſchlagen, wenigſtens iſt er als einziger Reiſehut zu ver-
werfen. Allerdings tragen ihn Tauſende von Creolen im
tropiſchen Amerika, dieſes leichtblütige, ſorgloſe Völkchen
darf uns aber nicht zum Muſter dienen; die bedächtigen
Südaſiaten und Nordafrikaner, die darin eine mehrtauſend-
jährige Erfahrung hinter ſich haben, ziehen ſämmtlich Kopf-
bedeckungen vor, die zwar ſchwerer wiegen und wenig Luft, dafür
aber auch keinen Sonnenſtrahl durchlaſſen. Da indeſſen der
kluge Arzt an Patienten Grillen, die nicht allzu ſchädlich ſind,
duldet, auch ein Autor Urſache hat, mit ſeinen Leſern galant
zu verfahren, ſo erlaubt unſere Reiſeſchule nicht nur den
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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/53>, abgerufen am 29.07.2024.
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