VIII. Bahnhofrestaurants -- Fürsprecher -- Strapazen -- Comfort.
Die eifrigsten Fürsprecher hat das Reisen unter den Engländern gefunden. Eines ihrer Sprüchwörter mahnt zwar daran, daß "ein rollender Stein kein Moos ansetze", hiermit scheint aber entweder nur vor Rastlosigkeit gewarnt oder vielleicht auch auf den reinigenden und abschleifenden Einfluß der Bewegung hingewiesen zu sein. Rogers sagt: "Keiner braucht sich zu entschuldigen, wenn er reist. Ist er reich, so geht er, um zu genießen, ist er arm, um zu sparen, ist er krank, um zu genesen, ist er wißbegierig, um zu lernen, ist er gelehrt, um sich von seinen Studien auszuruhen. Was er aber auch sage und glaube, die Meisten gehen in derselben Absicht und wer darüber nachdenkt, wird sie für keine eitle halten. Im Reisen vervollkommnen wir uns, nicht blos unser Geist gewinnt, auch unser Herz. Vorurtheile lassen wir fallen, Meere und Gebirge sind uns nicht länger Gren- zen, wir lernen jenseits derselben lieben, achten, bewundern. Der Genuß des Reisens muß indessen wie jeder andere erkauft werden, und wessen gute Laune durch kleine Wider- wärtigkeiten gestört wird, thäte besser, zu Hause zu bleiben." -- Wie? Sollte ein Solcher nicht um so mehr Ursache haben, eine Schule aufzusuchen, in welcher er Selbstbeherrschung lernen kann, um den Rest seines Lebens von dieser wichtigen Erwerbung zu zehren? Was meint Ihr Herren?
-- Gewiß, versetzte ich, haben Sie Recht und Mr. Rogers hat wohl seinen letzten Satz nicht ernsthaft gemeint. Mir wird indessen bange für unser Buch. Dieses beschäftigt sich ja so emsig u. A. damit, für den Comfort der Reise zu sorgen, wir handeln also wie gewissenlose Hauslehrer, die ihren Zöglingen die Schulexercitien machen helfen: schreiben anstatt einer Reiseschule eine Schule der Weichlichkeit und Trägheit.
-- Sein Sie außer Sorge. Was wir unsren Schülern
führt, oder daß Begünstigungen aus Privatrücksichten vorkommen. Die Kritik der Reisehandbücher sollte sich auch hierauf erstrecken.
VIII. Bahnhofreſtaurants — Fürſprecher — Strapazen — Comfort.
Die eifrigſten Fürſprecher hat das Reiſen unter den Engländern gefunden. Eines ihrer Sprüchwörter mahnt zwar daran, daß „ein rollender Stein kein Moos anſetze“, hiermit ſcheint aber entweder nur vor Raſtloſigkeit gewarnt oder vielleicht auch auf den reinigenden und abſchleifenden Einfluß der Bewegung hingewieſen zu ſein. Rogers ſagt: „Keiner braucht ſich zu entſchuldigen, wenn er reiſt. Iſt er reich, ſo geht er, um zu genießen, iſt er arm, um zu ſparen, iſt er krank, um zu geneſen, iſt er wißbegierig, um zu lernen, iſt er gelehrt, um ſich von ſeinen Studien auszuruhen. Was er aber auch ſage und glaube, die Meiſten gehen in derſelben Abſicht und wer darüber nachdenkt, wird ſie für keine eitle halten. Im Reiſen vervollkommnen wir uns, nicht blos unſer Geiſt gewinnt, auch unſer Herz. Vorurtheile laſſen wir fallen, Meere und Gebirge ſind uns nicht länger Gren- zen, wir lernen jenſeits derſelben lieben, achten, bewundern. Der Genuß des Reiſens muß indeſſen wie jeder andere erkauft werden, und weſſen gute Laune durch kleine Wider- wärtigkeiten geſtört wird, thäte beſſer, zu Hauſe zu bleiben.“ — Wie? Sollte ein Solcher nicht um ſo mehr Urſache haben, eine Schule aufzuſuchen, in welcher er Selbſtbeherrſchung lernen kann, um den Reſt ſeines Lebens von dieſer wichtigen Erwerbung zu zehren? Was meint Ihr Herren?
— Gewiß, verſetzte ich, haben Sie Recht und Mr. Rogers hat wohl ſeinen letzten Satz nicht ernſthaft gemeint. Mir wird indeſſen bange für unſer Buch. Dieſes beſchäftigt ſich ja ſo emſig u. A. damit, für den Comfort der Reiſe zu ſorgen, wir handeln alſo wie gewiſſenloſe Hauslehrer, die ihren Zöglingen die Schulexercitien machen helfen: ſchreiben anſtatt einer Reiſeſchule eine Schule der Weichlichkeit und Trägheit.
— Sein Sie außer Sorge. Was wir unſren Schülern
führt, oder daß Begünſtigungen aus Privatrückſichten vorkommen. Die Kritik der Reiſehandbücher ſollte ſich auch hierauf erſtrecken.
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VIII. Bahnhofreſtaurants — Fürſprecher — Strapazen — Comfort.
Die eifrigſten Fürſprecher hat das Reiſen unter den
Engländern gefunden. Eines ihrer Sprüchwörter mahnt
zwar daran, daß „ein rollender Stein kein Moos anſetze“,
hiermit ſcheint aber entweder nur vor Raſtloſigkeit gewarnt
oder vielleicht auch auf den reinigenden und abſchleifenden
Einfluß der Bewegung hingewieſen zu ſein. Rogers ſagt:
„Keiner braucht ſich zu entſchuldigen, wenn er reiſt. Iſt er
reich, ſo geht er, um zu genießen, iſt er arm, um zu ſparen,
iſt er krank, um zu geneſen, iſt er wißbegierig, um zu lernen,
iſt er gelehrt, um ſich von ſeinen Studien auszuruhen. Was
er aber auch ſage und glaube, die Meiſten gehen in derſelben
Abſicht und wer darüber nachdenkt, wird ſie für keine eitle
halten. Im Reiſen vervollkommnen wir uns, nicht blos
unſer Geiſt gewinnt, auch unſer Herz. Vorurtheile laſſen
wir fallen, Meere und Gebirge ſind uns nicht länger Gren-
zen, wir lernen jenſeits derſelben lieben, achten, bewundern.
Der Genuß des Reiſens muß indeſſen wie jeder andere
erkauft werden, und weſſen gute Laune durch kleine Wider-
wärtigkeiten geſtört wird, thäte beſſer, zu Hauſe zu bleiben.“
— Wie? Sollte ein Solcher nicht um ſo mehr Urſache haben,
eine Schule aufzuſuchen, in welcher er Selbſtbeherrſchung
lernen kann, um den Reſt ſeines Lebens von dieſer wichtigen
Erwerbung zu zehren? Was meint Ihr Herren?
— Gewiß, verſetzte ich, haben Sie Recht und Mr. Rogers
hat wohl ſeinen letzten Satz nicht ernſthaft gemeint. Mir
wird indeſſen bange für unſer Buch. Dieſes beſchäftigt ſich
ja ſo emſig u. A. damit, für den Comfort der Reiſe zu
ſorgen, wir handeln alſo wie gewiſſenloſe Hauslehrer, die
ihren Zöglingen die Schulexercitien machen helfen: ſchreiben
anſtatt einer Reiſeſchule eine Schule der Weichlichkeit und
Trägheit.
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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/261>, abgerufen am 20.07.2024.
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