Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VIII. Ulysses wird ruhmredig und hinterhaltig -- Diener -- Ersparnisse. Wirklichkeit sehr selten, desto öfter in Komödien und Romanenvorkommen. Ein solcher Christian oder Hans hat allemal einen Theil seiner Herrschaft, den Herrn oder die Dame, schon in deren Kindheit bedient und verziehen geholfen, darum darf er sich manches erlauben, was Andern übel genommen würde, selbst die unbeliebtesten Dinge, Predigten, verzeiht man ihm, denn man weiß, daß er nie seine "untergeordnete Stellung" vergißt, daß er bei aller Pedanterie, allen curiosen Einfällen doch eine "ehrliche Haut" ist und für seine Herr- schaft durch Feuer und Wasser ginge. Gibt's etwas zu schustern, zu schneidern, zu flicken, zu waschen, zu tragen, zu fragen, zu laufen, zu kaufen, zu packen, zu placken, so muß Ulysses bei der Hand sein, immer flink, unverdrossen, auf- geräumt, anstellig, geräuschlos, redlich, treu, sparsam, reinlich. Hat seine Herrschaft etwas vergessen, so läßt er sich dafür schelten und macht das Versäumte wieder gut, hat sie Lange- weile, sorgt er für Unterhaltung, ist sie übler Laune, so nennt er das Nervosität und verdoppelt seine Sorgfalt, lästige Be- suche weiß er abzuhalten, auf beachtenswerthe Menschen und Dinge aufmerksam zu machen, eine eigene Meinung wagt er nur selten zu haben, und, ist es nicht zu vermeiden, so sucht er, weit entfernt sich damit zu brüsten oder aufzudrängen, es einzurichten, daß es aussieht, als handelte er auf Befehl der Herrschaft selbst oder des Arztes. -- Werden denn aber, warf ich ein, die hohen Herren -- Im Gegentheil, um so mehr schätzen werden sie das VIII. Ulyſſes wird ruhmredig und hinterhaltig — Diener — Erſparniſſe. Wirklichkeit ſehr ſelten, deſto öfter in Komödien und Romanenvorkommen. Ein ſolcher Chriſtian oder Hans hat allemal einen Theil ſeiner Herrſchaft, den Herrn oder die Dame, ſchon in deren Kindheit bedient und verziehen geholfen, darum darf er ſich manches erlauben, was Andern übel genommen würde, ſelbſt die unbeliebteſten Dinge, Predigten, verzeiht man ihm, denn man weiß, daß er nie ſeine „untergeordnete Stellung“ vergißt, daß er bei aller Pedanterie, allen curioſen Einfällen doch eine „ehrliche Haut“ iſt und für ſeine Herr- ſchaft durch Feuer und Waſſer ginge. Gibt’s etwas zu ſchuſtern, zu ſchneidern, zu flicken, zu waſchen, zu tragen, zu fragen, zu laufen, zu kaufen, zu packen, zu placken, ſo muß Ulyſſes bei der Hand ſein, immer flink, unverdroſſen, auf- geräumt, anſtellig, geräuſchlos, redlich, treu, ſparſam, reinlich. Hat ſeine Herrſchaft etwas vergeſſen, ſo läßt er ſich dafür ſchelten und macht das Verſäumte wieder gut, hat ſie Lange- weile, ſorgt er für Unterhaltung, iſt ſie übler Laune, ſo nennt er das Nervoſität und verdoppelt ſeine Sorgfalt, läſtige Be- ſuche weiß er abzuhalten, auf beachtenswerthe Menſchen und Dinge aufmerkſam zu machen, eine eigene Meinung wagt er nur ſelten zu haben, und, iſt es nicht zu vermeiden, ſo ſucht er, weit entfernt ſich damit zu brüſten oder aufzudrängen, es einzurichten, daß es ausſieht, als handelte er auf Befehl der Herrſchaft ſelbſt oder des Arztes. — Werden denn aber, warf ich ein, die hohen Herren — Im Gegentheil, um ſo mehr ſchätzen werden ſie das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0253" n="239"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Ulyſſes wird ruhmredig und hinterhaltig — Diener — Erſparniſſe.</fw><lb/> Wirklichkeit ſehr ſelten, deſto öfter in Komödien und Romanen<lb/> vorkommen. 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VIII. Ulyſſes wird ruhmredig und hinterhaltig — Diener — Erſparniſſe.
Wirklichkeit ſehr ſelten, deſto öfter in Komödien und Romanen
vorkommen. Ein ſolcher Chriſtian oder Hans hat allemal
einen Theil ſeiner Herrſchaft, den Herrn oder die Dame,
ſchon in deren Kindheit bedient und verziehen geholfen, darum
darf er ſich manches erlauben, was Andern übel genommen
würde, ſelbſt die unbeliebteſten Dinge, Predigten, verzeiht
man ihm, denn man weiß, daß er nie ſeine „untergeordnete
Stellung“ vergißt, daß er bei aller Pedanterie, allen curioſen
Einfällen doch eine „ehrliche Haut“ iſt und für ſeine Herr-
ſchaft durch Feuer und Waſſer ginge. Gibt’s etwas zu
ſchuſtern, zu ſchneidern, zu flicken, zu waſchen, zu tragen, zu
fragen, zu laufen, zu kaufen, zu packen, zu placken, ſo muß
Ulyſſes bei der Hand ſein, immer flink, unverdroſſen, auf-
geräumt, anſtellig, geräuſchlos, redlich, treu, ſparſam, reinlich.
Hat ſeine Herrſchaft etwas vergeſſen, ſo läßt er ſich dafür
ſchelten und macht das Verſäumte wieder gut, hat ſie Lange-
weile, ſorgt er für Unterhaltung, iſt ſie übler Laune, ſo nennt
er das Nervoſität und verdoppelt ſeine Sorgfalt, läſtige Be-
ſuche weiß er abzuhalten, auf beachtenswerthe Menſchen und
Dinge aufmerkſam zu machen, eine eigene Meinung wagt er
nur ſelten zu haben, und, iſt es nicht zu vermeiden, ſo ſucht
er, weit entfernt ſich damit zu brüſten oder aufzudrängen,
es einzurichten, daß es ausſieht, als handelte er auf Befehl
der Herrſchaft ſelbſt oder des Arztes.
— Werden denn aber, warf ich ein, die hohen Herren
und Damen unſerm Ulyſſes nicht übel nehmen, wenn er z. B.
auf Erſparniſſe bedacht iſt?
— Im Gegentheil, um ſo mehr ſchätzen werden ſie das
an ihm, als es ſich für ſie nicht ſchickt. Laſſen wir ihn nur
tüchtig feilſchen mit Kutſchern und mit Gaſtwirthen hadern,
Kellner ſchelten, Hausknechten in die Rippen ſtoßen, alles
das iſt ſeines Amts. Auch daß er Badeärzten und Cur-
vorſtänden kleine Anzüglichkeiten ſagt, wird höheren Orts
nur wohlgefällig vermerkt werden. Seiner Rolle getreu,
hat ſich Ulyſſes auch zu hüten, mit hiſtoriſchen Rückblicken,
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