Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VII. Allein reisen? -- Warnung vor den besten Freunden. Geist ausfüllen zu helfen. Die Ansässigen haben auch in derRegel ihre feste Tagesordnung, in welcher der Fremde nicht leicht Raum für seine Person und seine Interessen findet. Hier fiel mein Professor der Touristik wieder in eine sei- -- Wie so oft unser Schutzengel besser für uns sorgt, als VII. Allein reiſen? — Warnung vor den beſten Freunden. Geiſt ausfüllen zu helfen. Die Anſäſſigen haben auch in derRegel ihre feſte Tagesordnung, in welcher der Fremde nicht leicht Raum für ſeine Perſon und ſeine Intereſſen findet. Hier fiel mein Profeſſor der Touriſtik wieder in eine ſei- — Wie ſo oft unſer Schutzengel beſſer für uns ſorgt, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0245" n="231"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Allein reiſen? — Warnung vor den beſten Freunden.</fw><lb/> Geiſt ausfüllen zu helfen. Die Anſäſſigen haben auch in der<lb/> Regel ihre feſte Tagesordnung, in welcher der Fremde nicht<lb/> leicht Raum für ſeine Perſon und ſeine Intereſſen findet.</p><lb/> <p>Hier fiel mein Profeſſor der Touriſtik wieder in eine ſei-<lb/> ner beliebten Pauſen und ſah uns Schüler fragend an, wie<lb/> es ſchien, um uns Zeit zu laſſen, etwas Unweiſes zu ſagen,<lb/> das ſeiner Lehre zur Folie dienen konnte. Ich warf deshalb<lb/> hin: um das Gefühl der Einſamkeit und Verlaſſenheit fern<lb/> zu halten, müſſe man <hi rendition="#g">nicht allein</hi> reiſen, ſondern einen<lb/> Freund zum Begleiter ſuchen, oder die Frau mitnehmen, kurz,<lb/> ein Stück Heimat unterwegs in ſeiner Nähe haben. Mentor<lb/> machte das erwartete, ſchon oft geſehene Geſicht, welches deut-<lb/> lich ſagte: ich ſchäme mich dieſes Zöglings, ſchwieg aber. Ich<lb/> fuhr fort. Aber ich bitte Sie, theurer Meiſter, warum ſoll<lb/> ich denn nicht, wenn ſich’s thun läßt, mit meinem beſten<lb/> Freunde reiſen? Gibt es etwas Schöneres, als Empfin-<lb/> dungen, die für eine Bruſt zu groß, zu gewaltig ſind, zur<lb/> Hälfte in eine gleichgeſtimmte gießen zu können? O, ich er-<lb/> innere mich nur zu wohl, wie ſchmerzlich ich es in <hi rendition="#aq">Valle dei<lb/> mulini</hi> bei <placeName>Amalfi</placeName> empfand, inmitten alles Entzückens über<lb/> die bezauberndſte aller irdiſchen Landſchaften, daß ich nicht<lb/> anſtatt des Führers <persName ref="nognd">Miloni</persName> und eines aus <placeName>Dänemark</placeName> gebür-<lb/> tigen Eiszapfens, den ich mir Tags zuvor unvorſichtigerweiſe<lb/> hatte anfrieren laſſen, meinen <persName ref="nognd">Hermann</persName> neben mir haben<lb/> konnte! Auch als ich im <placeName>Vatican</placeName> vor <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael’s</persName> Trans-<lb/> figuration ſtand und bei ſo mancher anderen Gelegenheit hätte<lb/> ich alles darum gegeben, wenn er an meiner Seite geweſen<lb/> wäre, mit mir hätte ſchwelgen können.</p><lb/> <p>— Wie ſo oft unſer Schutzengel beſſer für uns ſorgt, als<lb/> wir ſelber, wenn es nach unſrem Kopfe geht, ſo wird er es<lb/> auch vermuthlich bei <placeName>Amalfi</placeName> und in <placeName>Rom</placeName> mit Ihnen und mit<lb/> Ihrem <persName ref="nognd">Hermann</persName> beſſer als Sie ſelbſt gemacht haben. Mit<lb/> beſten Freunden am allerwenigſten ſollen größere Reiſen<lb/> unternommen werden. Die Freundſchaft iſt ein zu koſtbares<lb/> Gut, als daß ....</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [231/0245]
VII. Allein reiſen? — Warnung vor den beſten Freunden.
Geiſt ausfüllen zu helfen. Die Anſäſſigen haben auch in der
Regel ihre feſte Tagesordnung, in welcher der Fremde nicht
leicht Raum für ſeine Perſon und ſeine Intereſſen findet.
Hier fiel mein Profeſſor der Touriſtik wieder in eine ſei-
ner beliebten Pauſen und ſah uns Schüler fragend an, wie
es ſchien, um uns Zeit zu laſſen, etwas Unweiſes zu ſagen,
das ſeiner Lehre zur Folie dienen konnte. Ich warf deshalb
hin: um das Gefühl der Einſamkeit und Verlaſſenheit fern
zu halten, müſſe man nicht allein reiſen, ſondern einen
Freund zum Begleiter ſuchen, oder die Frau mitnehmen, kurz,
ein Stück Heimat unterwegs in ſeiner Nähe haben. Mentor
machte das erwartete, ſchon oft geſehene Geſicht, welches deut-
lich ſagte: ich ſchäme mich dieſes Zöglings, ſchwieg aber. Ich
fuhr fort. Aber ich bitte Sie, theurer Meiſter, warum ſoll
ich denn nicht, wenn ſich’s thun läßt, mit meinem beſten
Freunde reiſen? Gibt es etwas Schöneres, als Empfin-
dungen, die für eine Bruſt zu groß, zu gewaltig ſind, zur
Hälfte in eine gleichgeſtimmte gießen zu können? O, ich er-
innere mich nur zu wohl, wie ſchmerzlich ich es in Valle dei
mulini bei Amalfi empfand, inmitten alles Entzückens über
die bezauberndſte aller irdiſchen Landſchaften, daß ich nicht
anſtatt des Führers Miloni und eines aus Dänemark gebür-
tigen Eiszapfens, den ich mir Tags zuvor unvorſichtigerweiſe
hatte anfrieren laſſen, meinen Hermann neben mir haben
konnte! Auch als ich im Vatican vor Raphael’s Trans-
figuration ſtand und bei ſo mancher anderen Gelegenheit hätte
ich alles darum gegeben, wenn er an meiner Seite geweſen
wäre, mit mir hätte ſchwelgen können.
— Wie ſo oft unſer Schutzengel beſſer für uns ſorgt, als
wir ſelber, wenn es nach unſrem Kopfe geht, ſo wird er es
auch vermuthlich bei Amalfi und in Rom mit Ihnen und mit
Ihrem Hermann beſſer als Sie ſelbſt gemacht haben. Mit
beſten Freunden am allerwenigſten ſollen größere Reiſen
unternommen werden. Die Freundſchaft iſt ein zu koſtbares
Gut, als daß ....
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