Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Nautik -- wie findet man gute Gasthöfe? -- Geheime Registratoren.
Zeus sich ihrer angenommen. Demungeachtet gelang es ihnen
nicht immer, Klippen, Sandbänken und Verlockungen zu ent-
gehen und im feindlichen Ocean geeignete Landungsplätze zu
finden. Seitdem hat sich Vieles geändert, die alten Götter
sind in Ruhestand versetzt, dagegen nautische Erfindungen
gemacht, vielleicht gelingt es mit ihrer Hilfe, uns zurecht zu
finden. Als Leuchtthürme, Zeichen, wohin nicht gesteuert
werden darf, dienen die erwähnten Merkmale, was benutzen
wir nun aber als Seekarte, um gute Ankerplätze zu ermitteln?

So fing unser Mentor in seiner Weise wieder an zu
katechisiren und zu schelten über unsren Mangel an Reise-
ernst, an eingehendem Scharfsinn und an schöpferischen Ge-
danken, denn Keiner von uns gab eine Antwort nach seinem
Sinne. -- Ich sehe, rief er endlich, ich muß noch einmal von
vorn anfangen. Die Bücherangaben fußen, wie wir wissen
und wie Murray und Bädeker, die Wirthshaus-Lessings,
selbst eingestehen, auf schmaler, unsicherer Grundlage, und
fortwährend hört man unterwegs Klagen über unverdiente,
unverständige, unverantwortliche Sterne, unschmackhafte und
unverdauliche Rechnungen, Speisen und Getränke. Um mich
vor solchen Asteroidalbeschwerden zu bewahren, benutze ich --
wie man in Indien vermittelst Elephanten andren Elephanten
beikommt -- einen Wirth zur Ermittelung anderer.

Eduard und ich brachen in ein Gelächter aus, das respect-
widrig genug klang. Unser Reiseprofessor fuhr unbeirrt fort:
-- So weit her hätte ich freilich meine Motive nicht holen
dürfen, ich glaubte aber, daß Eurem Verständniß der Um-
weg über Indien immer noch leichter fallen würde, als der
directe der Logik. Pause.

-- Ich räume ein, versetzte ich endlich, daß ein Wirth
über Geschäftsgenossen der nächsten Stationen richtiges Ur-
theil haben mag, denn kennt er sie und ihre Leistungen auch
nicht aus persönlicher Anschauung, so hört er doch über sie
Kritiken von Leuten, die dort einkehrten, er ist Registrator
und Calculator der öffentlichen Meinung, aber -- geheimer.

VI. Nautik — wie findet man gute Gaſthöfe? — Geheime Regiſtratoren.
Zeus ſich ihrer angenommen. Demungeachtet gelang es ihnen
nicht immer, Klippen, Sandbänken und Verlockungen zu ent-
gehen und im feindlichen Ocean geeignete Landungsplätze zu
finden. Seitdem hat ſich Vieles geändert, die alten Götter
ſind in Ruheſtand verſetzt, dagegen nautiſche Erfindungen
gemacht, vielleicht gelingt es mit ihrer Hilfe, uns zurecht zu
finden. Als Leuchtthürme, Zeichen, wohin nicht geſteuert
werden darf, dienen die erwähnten Merkmale, was benutzen
wir nun aber als Seekarte, um gute Ankerplätze zu ermitteln?

So fing unſer Mentor in ſeiner Weiſe wieder an zu
katechiſiren und zu ſchelten über unſren Mangel an Reiſe-
ernſt, an eingehendem Scharfſinn und an ſchöpferiſchen Ge-
danken, denn Keiner von uns gab eine Antwort nach ſeinem
Sinne. — Ich ſehe, rief er endlich, ich muß noch einmal von
vorn anfangen. Die Bücherangaben fußen, wie wir wiſſen
und wie Murray und Bädeker, die Wirthshaus-Leſſings,
ſelbſt eingeſtehen, auf ſchmaler, unſicherer Grundlage, und
fortwährend hört man unterwegs Klagen über unverdiente,
unverſtändige, unverantwortliche Sterne, unſchmackhafte und
unverdauliche Rechnungen, Speiſen und Getränke. Um mich
vor ſolchen Aſteroidalbeſchwerden zu bewahren, benutze ich —
wie man in Indien vermittelſt Elephanten andren Elephanten
beikommt — einen Wirth zur Ermittelung anderer.

Eduard und ich brachen in ein Gelächter aus, das reſpect-
widrig genug klang. Unſer Reiſeprofeſſor fuhr unbeirrt fort:
— So weit her hätte ich freilich meine Motive nicht holen
dürfen, ich glaubte aber, daß Eurem Verſtändniß der Um-
weg über Indien immer noch leichter fallen würde, als der
directe der Logik. Pauſe.

— Ich räume ein, verſetzte ich endlich, daß ein Wirth
über Geſchäftsgenoſſen der nächſten Stationen richtiges Ur-
theil haben mag, denn kennt er ſie und ihre Leiſtungen auch
nicht aus perſönlicher Anſchauung, ſo hört er doch über ſie
Kritiken von Leuten, die dort einkehrten, er iſt Regiſtrator
und Calculator der öffentlichen Meinung, aber — geheimer.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0182" n="168"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Nautik &#x2014; wie findet man gute Ga&#x017F;thöfe? &#x2014; Geheime Regi&#x017F;tratoren.</fw><lb/>
Zeus &#x017F;ich ihrer angenommen. Demungeachtet gelang es ihnen<lb/>
nicht immer, Klippen, Sandbänken und Verlockungen zu ent-<lb/>
gehen und im feindlichen Ocean geeignete Landungsplätze zu<lb/>
finden. Seitdem hat &#x017F;ich Vieles geändert, die alten Götter<lb/>
&#x017F;ind in Ruhe&#x017F;tand ver&#x017F;etzt, dagegen nauti&#x017F;che Erfindungen<lb/>
gemacht, vielleicht gelingt es mit ihrer Hilfe, uns zurecht zu<lb/>
finden. Als Leuchtthürme, Zeichen, wohin nicht ge&#x017F;teuert<lb/>
werden darf, dienen die erwähnten Merkmale, was benutzen<lb/>
wir nun aber als Seekarte, um gute Ankerplätze zu ermitteln?</p><lb/>
        <p>So fing un&#x017F;er Mentor in &#x017F;einer Wei&#x017F;e wieder an zu<lb/>
katechi&#x017F;iren und zu &#x017F;chelten über un&#x017F;ren Mangel an Rei&#x017F;e-<lb/>
ern&#x017F;t, an eingehendem Scharf&#x017F;inn und an &#x017F;chöpferi&#x017F;chen Ge-<lb/>
danken, denn Keiner von uns gab eine Antwort nach &#x017F;einem<lb/>
Sinne. &#x2014; Ich &#x017F;ehe, rief er endlich, ich muß noch einmal von<lb/>
vorn anfangen. Die Bücherangaben fußen, wie wir wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und wie <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117624047">Murray</persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116033290">Bädeker</persName>, die Wirthshaus-Le&#x017F;&#x017F;ings,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t einge&#x017F;tehen, auf &#x017F;chmaler, un&#x017F;icherer Grundlage, und<lb/>
fortwährend hört man unterwegs Klagen über unverdiente,<lb/>
unver&#x017F;tändige, unverantwortliche Sterne, un&#x017F;chmackhafte und<lb/>
unverdauliche Rechnungen, Spei&#x017F;en und Getränke. Um mich<lb/>
vor &#x017F;olchen A&#x017F;teroidalbe&#x017F;chwerden zu bewahren, benutze ich &#x2014;<lb/>
wie man in <placeName>Indien</placeName> vermittel&#x017F;t Elephanten andren Elephanten<lb/>
beikommt &#x2014; einen Wirth zur Ermittelung anderer.</p><lb/>
        <p><persName ref="nognd">Eduard</persName> und ich brachen in ein Gelächter aus, das re&#x017F;pect-<lb/>
widrig genug klang. Un&#x017F;er Rei&#x017F;eprofe&#x017F;&#x017F;or fuhr unbeirrt fort:<lb/>
&#x2014; So weit her hätte ich freilich meine Motive nicht holen<lb/>
dürfen, ich glaubte aber, daß Eurem Ver&#x017F;tändniß der Um-<lb/>
weg über <placeName>Indien</placeName> immer noch leichter fallen würde, als der<lb/>
directe der Logik. Pau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>&#x2014; Ich räume ein, ver&#x017F;etzte ich endlich, daß ein Wirth<lb/>
über Ge&#x017F;chäftsgeno&#x017F;&#x017F;en der näch&#x017F;ten Stationen richtiges Ur-<lb/>
theil haben mag, denn kennt er &#x017F;ie und ihre Lei&#x017F;tungen auch<lb/>
nicht aus per&#x017F;önlicher An&#x017F;chauung, &#x017F;o hört er doch über &#x017F;ie<lb/>
Kritiken von Leuten, die dort einkehrten, er i&#x017F;t Regi&#x017F;trator<lb/>
und Calculator der öffentlichen Meinung, aber &#x2014; geheimer.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0182] VI. Nautik — wie findet man gute Gaſthöfe? — Geheime Regiſtratoren. Zeus ſich ihrer angenommen. Demungeachtet gelang es ihnen nicht immer, Klippen, Sandbänken und Verlockungen zu ent- gehen und im feindlichen Ocean geeignete Landungsplätze zu finden. Seitdem hat ſich Vieles geändert, die alten Götter ſind in Ruheſtand verſetzt, dagegen nautiſche Erfindungen gemacht, vielleicht gelingt es mit ihrer Hilfe, uns zurecht zu finden. Als Leuchtthürme, Zeichen, wohin nicht geſteuert werden darf, dienen die erwähnten Merkmale, was benutzen wir nun aber als Seekarte, um gute Ankerplätze zu ermitteln? So fing unſer Mentor in ſeiner Weiſe wieder an zu katechiſiren und zu ſchelten über unſren Mangel an Reiſe- ernſt, an eingehendem Scharfſinn und an ſchöpferiſchen Ge- danken, denn Keiner von uns gab eine Antwort nach ſeinem Sinne. — Ich ſehe, rief er endlich, ich muß noch einmal von vorn anfangen. Die Bücherangaben fußen, wie wir wiſſen und wie Murray und Bädeker, die Wirthshaus-Leſſings, ſelbſt eingeſtehen, auf ſchmaler, unſicherer Grundlage, und fortwährend hört man unterwegs Klagen über unverdiente, unverſtändige, unverantwortliche Sterne, unſchmackhafte und unverdauliche Rechnungen, Speiſen und Getränke. Um mich vor ſolchen Aſteroidalbeſchwerden zu bewahren, benutze ich — wie man in Indien vermittelſt Elephanten andren Elephanten beikommt — einen Wirth zur Ermittelung anderer. Eduard und ich brachen in ein Gelächter aus, das reſpect- widrig genug klang. Unſer Reiſeprofeſſor fuhr unbeirrt fort: — So weit her hätte ich freilich meine Motive nicht holen dürfen, ich glaubte aber, daß Eurem Verſtändniß der Um- weg über Indien immer noch leichter fallen würde, als der directe der Logik. Pauſe. — Ich räume ein, verſetzte ich endlich, daß ein Wirth über Geſchäftsgenoſſen der nächſten Stationen richtiges Ur- theil haben mag, denn kennt er ſie und ihre Leiſtungen auch nicht aus perſönlicher Anſchauung, ſo hört er doch über ſie Kritiken von Leuten, die dort einkehrten, er iſt Regiſtrator und Calculator der öffentlichen Meinung, aber — geheimer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/182
Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/182>, abgerufen am 22.11.2024.