Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.I. Verabredungen. die es nicht können. Wie nun aber Ihr das literarische Volkseid, so sind wir Engländer das touristische. Während Ihr mehr Literaturgeschichten besitzt, als alle anderen Völker zu- sammen, gibt es bei uns mehr Reisebeschreibungen als im ganzen Schriftenthum der übrigen Welt und wenn viele Uebung den Meister macht, so müssen wir die Reisemeister sein. Es würde mich freuen, wenn Ihre Landsleute aus mei- nen Erfahrungen und Einfällen einigen Nutzen zögen. Warum eigentlich der alte Herr nicht selbst ein Buch über Befürchten Sie nichts der Art, erwiderte er. Ich bin I. Verabredungen. die es nicht können. Wie nun aber Ihr das literariſche Volkſeid, ſo ſind wir Engländer das touriſtiſche. Während Ihr mehr Literaturgeſchichten beſitzt, als alle anderen Völker zu- ſammen, gibt es bei uns mehr Reiſebeſchreibungen als im ganzen Schriftenthum der übrigen Welt und wenn viele Uebung den Meiſter macht, ſo müſſen wir die Reiſemeiſter ſein. Es würde mich freuen, wenn Ihre Landsleute aus mei- nen Erfahrungen und Einfällen einigen Nutzen zögen. Warum eigentlich der alte Herr nicht ſelbſt ein Buch über Befürchten Sie nichts der Art, erwiderte er. Ich bin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="4"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Verabredungen.</fw><lb/> die es nicht können. Wie nun aber Ihr das literariſche Volk<lb/> ſeid, ſo ſind wir Engländer das touriſtiſche. Während Ihr<lb/> mehr Literaturgeſchichten beſitzt, als alle anderen Völker zu-<lb/> ſammen, gibt es bei uns mehr Reiſebeſchreibungen als im<lb/> ganzen Schriftenthum der übrigen Welt und wenn viele<lb/> Uebung den Meiſter macht, ſo müſſen wir die Reiſemeiſter<lb/> ſein. Es würde mich freuen, wenn Ihre Landsleute aus mei-<lb/> nen Erfahrungen und Einfällen einigen Nutzen zögen.</p><lb/> <p>Warum eigentlich der alte Herr nicht ſelbſt ein Buch über<lb/> die Kunſt der Reiſe ſchrieb, iſt mir bis heute nicht recht klar<lb/> geworden. Wiederholt ſuchte ich ihn darüber auszuforſchen,<lb/> immer aber antwortete er ausweichend oder ſcherzend. Hat<lb/> doch auch, ſagte er einmal, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118615270">Sokrates</persName> Schülern überlaſſen,<lb/> ſeine Weisheit der Welt zu verkünden, von Ihnen hoffe ich,<lb/> daß Sie ſich zu mir wie <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118594893">Plato</persName> zu ihm verhalten werden.<lb/> Alle Lehre wird, mündlich vorgetragen, eindringlicher, ſoll<lb/> jedoch ein Buch die Vermittelung übernehmen, ſo hat dieſes<lb/> den Leſern gegenüber einen beſſern Stand, wenn ſein geiſtiger<lb/> Urheber nicht ſelbſt für jedes Wort einzuſtehen braucht, denn<lb/> Unvollkommenes daran wird dann dem Herausgeber zur Laſt<lb/> gelegt und dem Anſehen des Erſteren geſchieht kein Abbruch. Ein<lb/> andermal war die Entgegnung, er ſei zum Soldaten, nicht<lb/> zum Schriftſteller erzogen; dann wieder munkelte er von Ver-<lb/> hältniſſen, die ihn hinderten, ſelbſt Hand anzulegen, kurz, es<lb/> ſchien, als ob es ihm darauf ankomme, mich im Dunkeln zu<lb/> laſſen über ſeine Beweggründe. Auf ſeine ſonſtigen Abſichten<lb/> und Pläne wird das letzte Capitel einiges Licht werfen, hier<lb/> will ich nur noch ſeine Antwort auf ein von mir geäußertes<lb/> Bedenken einſchalten, „ob nicht etwa ſeine Theorie eine ſpeci-<lb/> fiſch engliſche ſei, die ſich zur Mittheilung an meine Lands-<lb/> leute wenig eigne.“</p><lb/> <p>Befürchten Sie nichts der Art, erwiderte er. Ich bin<lb/> dem Blute und der Erziehung nach zur Hälfte deutſch, habe<lb/> den Haupttheil meiner Reiſezeit auf deutſchem Gebiete und<lb/> im geſelligen Verkehre mit Deutſchen zugebracht und könnte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0018]
I. Verabredungen.
die es nicht können. Wie nun aber Ihr das literariſche Volk
ſeid, ſo ſind wir Engländer das touriſtiſche. Während Ihr
mehr Literaturgeſchichten beſitzt, als alle anderen Völker zu-
ſammen, gibt es bei uns mehr Reiſebeſchreibungen als im
ganzen Schriftenthum der übrigen Welt und wenn viele
Uebung den Meiſter macht, ſo müſſen wir die Reiſemeiſter
ſein. Es würde mich freuen, wenn Ihre Landsleute aus mei-
nen Erfahrungen und Einfällen einigen Nutzen zögen.
Warum eigentlich der alte Herr nicht ſelbſt ein Buch über
die Kunſt der Reiſe ſchrieb, iſt mir bis heute nicht recht klar
geworden. Wiederholt ſuchte ich ihn darüber auszuforſchen,
immer aber antwortete er ausweichend oder ſcherzend. Hat
doch auch, ſagte er einmal, Sokrates Schülern überlaſſen,
ſeine Weisheit der Welt zu verkünden, von Ihnen hoffe ich,
daß Sie ſich zu mir wie Plato zu ihm verhalten werden.
Alle Lehre wird, mündlich vorgetragen, eindringlicher, ſoll
jedoch ein Buch die Vermittelung übernehmen, ſo hat dieſes
den Leſern gegenüber einen beſſern Stand, wenn ſein geiſtiger
Urheber nicht ſelbſt für jedes Wort einzuſtehen braucht, denn
Unvollkommenes daran wird dann dem Herausgeber zur Laſt
gelegt und dem Anſehen des Erſteren geſchieht kein Abbruch. Ein
andermal war die Entgegnung, er ſei zum Soldaten, nicht
zum Schriftſteller erzogen; dann wieder munkelte er von Ver-
hältniſſen, die ihn hinderten, ſelbſt Hand anzulegen, kurz, es
ſchien, als ob es ihm darauf ankomme, mich im Dunkeln zu
laſſen über ſeine Beweggründe. Auf ſeine ſonſtigen Abſichten
und Pläne wird das letzte Capitel einiges Licht werfen, hier
will ich nur noch ſeine Antwort auf ein von mir geäußertes
Bedenken einſchalten, „ob nicht etwa ſeine Theorie eine ſpeci-
fiſch engliſche ſei, die ſich zur Mittheilung an meine Lands-
leute wenig eigne.“
Befürchten Sie nichts der Art, erwiderte er. Ich bin
dem Blute und der Erziehung nach zur Hälfte deutſch, habe
den Haupttheil meiner Reiſezeit auf deutſchem Gebiete und
im geſelligen Verkehre mit Deutſchen zugebracht und könnte
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