Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.V. Sonnenschirm für Curgäste. rösten und blenden lassen und noch weitere paar StundenPrüfungszeit vor sich sieht, leicht verführt, sich eine Er- frischungspause auf irgend einer schattigen, luftigen Steinbank zu gönnen, eine Pause von kürzester Dauer, doch völlig genügend, eine tüchtige Erkältung zu Stande zu bringen. Alle War- nungen vermögen nicht, Jeden von solchen Verstößen abzu- halten. Halbschattige Plätze, z. B. Lauben, gibt es nicht überall, sie erfüllen auch selten ihren Zweck und belästigen das Auge mit ihren zuckenden Lichtern noch mehr, als voller Sonnenschein. Ein Schirm dagegen schützt vor dem Ueber- maß von Wärme und vor Blendung, ohne eine Schatten- temperatur zu erzeugen. Wie Maler ihren Schirm benutzen, ist bekannt. Sie stellen ihn auf die Erde und kauern sich dar- unter auf ihr Stühlchen. Malerisch mag die Stellung sein, be- quem ist sie jedenfalls nicht, dann steht zu bezweifeln, daß unsre wohlwollendsten Leser und Leserinnen, wenn wir sie auch noch so flehentlich bäten, sich entschließen würden, auf der Promenade des Anglais in Nizza oder der Wassermauer in Meran unter einem derartigen Schirmungethüm in der nothwendigen Pose, ohne zu malen, fünf Stunden täglich zuzubringen. Nach- gerade scheint selbst einigen Malern, denen doch sonst über- triebener Hang zur Bequemlichkeit nicht vorzuwerfen ist, die Geduld ausgegangen zu sein, denn sie benutzen jetzt häufiger als Fußgestell einen Stock, der mit seinem Eisenstachel in die Erde gestoßen und auf den der Schirm geschraubt wird, so daß sie aufrecht darunter sitzen können. Am Stock ist über der Eisenspitze eine Platte oder ein Querbalken aus Metall angebracht, auf welchen die Füße gesetzt werden, um dem Gerüst mehr Halt zu geben. Curgebrauch ist aber von dieser Einrichtung meines Wissens nicht gemacht worden, dagegen tragen einzelne Engländer und Franzosen den Schirm in einem mit Täschchen versehenen Ledergürtel. Er begleitet wie ein Kleidungsstück alle ihre Bewegungen, ohne die Freiheit der Hände zu beeinträchtigen. Gerade in den wärmsten Sonnenstunden sollen jedoch die meisten Heilgäste im Freien 11*
V. Sonnenſchirm für Curgäſte. röſten und blenden laſſen und noch weitere paar StundenPrüfungszeit vor ſich ſieht, leicht verführt, ſich eine Er- friſchungspauſe auf irgend einer ſchattigen, luftigen Steinbank zu gönnen, eine Pauſe von kürzeſter Dauer, doch völlig genügend, eine tüchtige Erkältung zu Stande zu bringen. Alle War- nungen vermögen nicht, Jeden von ſolchen Verſtößen abzu- halten. Halbſchattige Plätze, z. B. Lauben, gibt es nicht überall, ſie erfüllen auch ſelten ihren Zweck und beläſtigen das Auge mit ihren zuckenden Lichtern noch mehr, als voller Sonnenſchein. Ein Schirm dagegen ſchützt vor dem Ueber- maß von Wärme und vor Blendung, ohne eine Schatten- temperatur zu erzeugen. Wie Maler ihren Schirm benutzen, iſt bekannt. Sie ſtellen ihn auf die Erde und kauern ſich dar- unter auf ihr Stühlchen. Maleriſch mag die Stellung ſein, be- quem iſt ſie jedenfalls nicht, dann ſteht zu bezweifeln, daß unſre wohlwollendſten Leſer und Leſerinnen, wenn wir ſie auch noch ſo flehentlich bäten, ſich entſchließen würden, auf der Promenade des Anglais in Nizza oder der Waſſermauer in Meran unter einem derartigen Schirmungethüm in der nothwendigen Poſe, ohne zu malen, fünf Stunden täglich zuzubringen. Nach- gerade ſcheint ſelbſt einigen Malern, denen doch ſonſt über- triebener Hang zur Bequemlichkeit nicht vorzuwerfen iſt, die Geduld ausgegangen zu ſein, denn ſie benutzen jetzt häufiger als Fußgeſtell einen Stock, der mit ſeinem Eiſenſtachel in die Erde geſtoßen und auf den der Schirm geſchraubt wird, ſo daß ſie aufrecht darunter ſitzen können. Am Stock iſt über der Eiſenſpitze eine Platte oder ein Querbalken aus Metall angebracht, auf welchen die Füße geſetzt werden, um dem Gerüſt mehr Halt zu geben. Curgebrauch iſt aber von dieſer Einrichtung meines Wiſſens nicht gemacht worden, dagegen tragen einzelne Engländer und Franzoſen den Schirm in einem mit Täſchchen verſehenen Ledergürtel. Er begleitet wie ein Kleidungsſtück alle ihre Bewegungen, ohne die Freiheit der Hände zu beeinträchtigen. Gerade in den wärmſten Sonnenſtunden ſollen jedoch die meiſten Heilgäſte im Freien 11*
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V. Sonnenſchirm für Curgäſte.
röſten und blenden laſſen und noch weitere paar Stunden
Prüfungszeit vor ſich ſieht, leicht verführt, ſich eine Er-
friſchungspauſe auf irgend einer ſchattigen, luftigen Steinbank
zu gönnen, eine Pauſe von kürzeſter Dauer, doch völlig genügend,
eine tüchtige Erkältung zu Stande zu bringen. Alle War-
nungen vermögen nicht, Jeden von ſolchen Verſtößen abzu-
halten. Halbſchattige Plätze, z. B. Lauben, gibt es nicht
überall, ſie erfüllen auch ſelten ihren Zweck und beläſtigen
das Auge mit ihren zuckenden Lichtern noch mehr, als voller
Sonnenſchein. Ein Schirm dagegen ſchützt vor dem Ueber-
maß von Wärme und vor Blendung, ohne eine Schatten-
temperatur zu erzeugen. Wie Maler ihren Schirm benutzen,
iſt bekannt. Sie ſtellen ihn auf die Erde und kauern ſich dar-
unter auf ihr Stühlchen. Maleriſch mag die Stellung ſein, be-
quem iſt ſie jedenfalls nicht, dann ſteht zu bezweifeln, daß unſre
wohlwollendſten Leſer und Leſerinnen, wenn wir ſie auch noch ſo
flehentlich bäten, ſich entſchließen würden, auf der Promenade
des Anglais in Nizza oder der Waſſermauer in Meran unter
einem derartigen Schirmungethüm in der nothwendigen Poſe,
ohne zu malen, fünf Stunden täglich zuzubringen. Nach-
gerade ſcheint ſelbſt einigen Malern, denen doch ſonſt über-
triebener Hang zur Bequemlichkeit nicht vorzuwerfen iſt, die
Geduld ausgegangen zu ſein, denn ſie benutzen jetzt häufiger
als Fußgeſtell einen Stock, der mit ſeinem Eiſenſtachel in die
Erde geſtoßen und auf den der Schirm geſchraubt wird, ſo
daß ſie aufrecht darunter ſitzen können. Am Stock iſt über
der Eiſenſpitze eine Platte oder ein Querbalken aus Metall
angebracht, auf welchen die Füße geſetzt werden, um dem
Gerüſt mehr Halt zu geben. Curgebrauch iſt aber von dieſer
Einrichtung meines Wiſſens nicht gemacht worden, dagegen
tragen einzelne Engländer und Franzoſen den Schirm in
einem mit Täſchchen verſehenen Ledergürtel. Er begleitet wie
ein Kleidungsſtück alle ihre Bewegungen, ohne die Freiheit
der Hände zu beeinträchtigen. Gerade in den wärmſten
Sonnenſtunden ſollen jedoch die meiſten Heilgäſte im Freien
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