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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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V. Jahreszeit.
zurückkommt von einer Reise, die er nach langer Zwischenzeit
von Neuem macht und nach welcher er brennendes Verlangen
empfand, hat seinen Grund einfach darin, daß dieses Ver-
langen sich auf den Ort nur zu beziehen schien, während es
sich thatsächlich auf die Zeit bezog, in der er mit jüngerem,
frischerem Sinne betrachtete und seine Phantasie mittlerweile
geschäftig war, dem Orte Reize zu leihen, die er nie be-
sessen.

Wer in sehr später Jahreszeit zur Erholung reist, sollte,
zumal seitdem die Brennerbahn vollendet ist, besonders auf
das Gebiet jenseits der Alpen sein Augenmerk richten, denn
die dafür zu bringenden Opfer an Zeit und Geld sind in der
That gering im Verhältniß zu den Vortheilen, die es bietet:
die weit größere Zuverlässigkeit des Wetters, im Herbste
Gewißheit heiteren Himmels (schon von andern Seiten ist
das vielfach hervorgehoben worden), Trauben, Pfirsichen,
Aprikosen, Aepfel, Kastanien gut und wohlfeil, vor Allem die
glänzende Folie, welche die dem Nordländer neue herrliche
Pflanzenwelt und die Eis- und Schneeregion, so nahe zu-
sammengerückt, sich gegenseitig bereiten. Für den Spät-
frühling wählt man gern das Gebiet der Voralpen. Da sich
der Hauptbesuch des Hochgebirgs auf wenige Wochen zu-
sammendrängt, in welchen Gasthöfe, Dampfboote, Wege und
Stege überfüllt sind, Unterkunft unsicher, Bedienung und
Verpflegung mangelhaft, Preise hoch gespannt, so entschließen
sich Touristen, die nicht auf eine bestimmte Zeit angewiesen
sind, neuerdings immer häufiger, mit ihrer Person nicht den
großen Strom verstärken zu helfen, sondern früher oder später
zu gehen und lieber auf Gletscherbesteigungen zu verzichten,
sofern sie das Wetter nicht ausnahmsweise begünstigt. Ziehen
sie den Frühling und Frühsommer vor, so entschädigt er sie
reichlich durch herrliches Wiesengrün, milde, klare Luft,
mächtige Wasserfälle, Baumblüte; auch die Gewitter sind
seltener, das Wetter beständiger als im Hochsommer, und das
schlechte, wenn es eintritt, nicht so nachhaltig und bösartig

V. Jahreszeit.
zurückkommt von einer Reiſe, die er nach langer Zwiſchenzeit
von Neuem macht und nach welcher er brennendes Verlangen
empfand, hat ſeinen Grund einfach darin, daß dieſes Ver-
langen ſich auf den Ort nur zu beziehen ſchien, während es
ſich thatſächlich auf die Zeit bezog, in der er mit jüngerem,
friſcherem Sinne betrachtete und ſeine Phantaſie mittlerweile
geſchäftig war, dem Orte Reize zu leihen, die er nie be-
ſeſſen.

Wer in ſehr ſpäter Jahreszeit zur Erholung reiſt, ſollte,
zumal ſeitdem die Brennerbahn vollendet iſt, beſonders auf
das Gebiet jenſeits der Alpen ſein Augenmerk richten, denn
die dafür zu bringenden Opfer an Zeit und Geld ſind in der
That gering im Verhältniß zu den Vortheilen, die es bietet:
die weit größere Zuverläſſigkeit des Wetters, im Herbſte
Gewißheit heiteren Himmels (ſchon von andern Seiten iſt
das vielfach hervorgehoben worden), Trauben, Pfirſichen,
Aprikoſen, Aepfel, Kaſtanien gut und wohlfeil, vor Allem die
glänzende Folie, welche die dem Nordländer neue herrliche
Pflanzenwelt und die Eis- und Schneeregion, ſo nahe zu-
ſammengerückt, ſich gegenſeitig bereiten. Für den Spät-
frühling wählt man gern das Gebiet der Voralpen. Da ſich
der Hauptbeſuch des Hochgebirgs auf wenige Wochen zu-
ſammendrängt, in welchen Gaſthöfe, Dampfboote, Wege und
Stege überfüllt ſind, Unterkunft unſicher, Bedienung und
Verpflegung mangelhaft, Preiſe hoch geſpannt, ſo entſchließen
ſich Touriſten, die nicht auf eine beſtimmte Zeit angewieſen
ſind, neuerdings immer häufiger, mit ihrer Perſon nicht den
großen Strom verſtärken zu helfen, ſondern früher oder ſpäter
zu gehen und lieber auf Gletſcherbeſteigungen zu verzichten,
ſofern ſie das Wetter nicht ausnahmsweiſe begünſtigt. Ziehen
ſie den Frühling und Frühſommer vor, ſo entſchädigt er ſie
reichlich durch herrliches Wieſengrün, milde, klare Luft,
mächtige Waſſerfälle, Baumblüte; auch die Gewitter ſind
ſeltener, das Wetter beſtändiger als im Hochſommer, und das
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[133/0147] V. Jahreszeit. zurückkommt von einer Reiſe, die er nach langer Zwiſchenzeit von Neuem macht und nach welcher er brennendes Verlangen empfand, hat ſeinen Grund einfach darin, daß dieſes Ver- langen ſich auf den Ort nur zu beziehen ſchien, während es ſich thatſächlich auf die Zeit bezog, in der er mit jüngerem, friſcherem Sinne betrachtete und ſeine Phantaſie mittlerweile geſchäftig war, dem Orte Reize zu leihen, die er nie be- ſeſſen. Wer in ſehr ſpäter Jahreszeit zur Erholung reiſt, ſollte, zumal ſeitdem die Brennerbahn vollendet iſt, beſonders auf das Gebiet jenſeits der Alpen ſein Augenmerk richten, denn die dafür zu bringenden Opfer an Zeit und Geld ſind in der That gering im Verhältniß zu den Vortheilen, die es bietet: die weit größere Zuverläſſigkeit des Wetters, im Herbſte Gewißheit heiteren Himmels (ſchon von andern Seiten iſt das vielfach hervorgehoben worden), Trauben, Pfirſichen, Aprikoſen, Aepfel, Kaſtanien gut und wohlfeil, vor Allem die glänzende Folie, welche die dem Nordländer neue herrliche Pflanzenwelt und die Eis- und Schneeregion, ſo nahe zu- ſammengerückt, ſich gegenſeitig bereiten. Für den Spät- frühling wählt man gern das Gebiet der Voralpen. Da ſich der Hauptbeſuch des Hochgebirgs auf wenige Wochen zu- ſammendrängt, in welchen Gaſthöfe, Dampfboote, Wege und Stege überfüllt ſind, Unterkunft unſicher, Bedienung und Verpflegung mangelhaft, Preiſe hoch geſpannt, ſo entſchließen ſich Touriſten, die nicht auf eine beſtimmte Zeit angewieſen ſind, neuerdings immer häufiger, mit ihrer Perſon nicht den großen Strom verſtärken zu helfen, ſondern früher oder ſpäter zu gehen und lieber auf Gletſcherbeſteigungen zu verzichten, ſofern ſie das Wetter nicht ausnahmsweiſe begünſtigt. Ziehen ſie den Frühling und Frühſommer vor, ſo entſchädigt er ſie reichlich durch herrliches Wieſengrün, milde, klare Luft, mächtige Waſſerfälle, Baumblüte; auch die Gewitter ſind ſeltener, das Wetter beſtändiger als im Hochſommer, und das ſchlechte, wenn es eintritt, nicht ſo nachhaltig und bösartig

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/147>, abgerufen am 24.11.2024.