Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

V. Wege -- Waldreviere, Lichtungen, Schatten.
wären zu nennen, in denen die benachbarten Berge wimmeln
von Wegen, die eigens für Curgäste angelegt wurden, kein
einziger aber auch nur fünf Minuten weit auf gleicher Höhe
gehalten ist, sondern alle, als ob eine Ziege sie vorgezeichnet
hätte, muthwillig bergauf und ab laufen. Endlich sollte die
leidliche Instandhaltung der alten Promenadenwege der An-
lage neuer immer vorgehen. Eine gute Pflege duldet darauf
nicht Mineraliensammlungen mit Stücken verschiedensten
Calibers bis zur Größe der Hühnereier, ebensowenig dicke
Schichten Kies, in denen der Fuß einsinkt wie der des Storchs
auf dem Moor, schont ferner nicht Zeugnisse neptunischer Ein-
wirkungen, wie blosgelegte Felsriffe, Baumwurzeln und
schluchtartige Aushöhlungen. Daß das Nothwendige ohne
großen Aufwand zu erreichen ist, beweisen einige wenig ge-
nannte Oertchen, wo aber Männer im Vorstand sind, die
Zeit, Lust und Fähigkeit haben, sich der öffentlichen Angelegen-
heiten anzunehmen und die verfügbaren mäßigen Mittel nicht
für Allotrien vertändeln.

Ausgedehnte Waldreviere sind bekanntlich in Deutschland
wie im ganzen südlichen und westlichen Europa schon an sich
nicht häufig und innerhalb derselben der zum medicinischen
Gebrauch günstig gelegenen und einigermaßen eingerichteten
Orte ungemein wenige. Um so mehr ist es zu bedauern,
daß in diesen fast durchweg bei Lichtungen lediglich der
forstliche Gesichtspunkt in Anwendung kommt, und so wenig
Rücksicht genommen wird auf die Bedürfnisse des Curorts
als solchen. So gut eine Anzahl römischer Maler den Fürsten
Chigi in Ariccia zu bestimmen wußte, seine herrlichen Park-
bäume, die bereits zum Beil verurtheilt waren, zu schonen,
so gut, sollte man meinen, könnte auch manchem Promenaden-
wege der Schatten gerettet werden, wenn Vorstände,
Aerzte, Hausbesitzer und Besucher in geeigneten Fällen zu
einer Petition bei der betreffenden Behörde zusammenträten.
Die finanzielle Einbuße kann nur sehr unerheblich sein, denn
es handelt sich blos darum, bei Holzschlägen diejenige schmale

V. Wege — Waldreviere, Lichtungen, Schatten.
wären zu nennen, in denen die benachbarten Berge wimmeln
von Wegen, die eigens für Curgäſte angelegt wurden, kein
einziger aber auch nur fünf Minuten weit auf gleicher Höhe
gehalten iſt, ſondern alle, als ob eine Ziege ſie vorgezeichnet
hätte, muthwillig bergauf und ab laufen. Endlich ſollte die
leidliche Inſtandhaltung der alten Promenadenwege der An-
lage neuer immer vorgehen. Eine gute Pflege duldet darauf
nicht Mineralienſammlungen mit Stücken verſchiedenſten
Calibers bis zur Größe der Hühnereier, ebenſowenig dicke
Schichten Kies, in denen der Fuß einſinkt wie der des Storchs
auf dem Moor, ſchont ferner nicht Zeugniſſe neptuniſcher Ein-
wirkungen, wie blosgelegte Felsriffe, Baumwurzeln und
ſchluchtartige Aushöhlungen. Daß das Nothwendige ohne
großen Aufwand zu erreichen iſt, beweiſen einige wenig ge-
nannte Oertchen, wo aber Männer im Vorſtand ſind, die
Zeit, Luſt und Fähigkeit haben, ſich der öffentlichen Angelegen-
heiten anzunehmen und die verfügbaren mäßigen Mittel nicht
für Allotrien vertändeln.

Ausgedehnte Waldreviere ſind bekanntlich in Deutſchland
wie im ganzen ſüdlichen und weſtlichen Europa ſchon an ſich
nicht häufig und innerhalb derſelben der zum mediciniſchen
Gebrauch günſtig gelegenen und einigermaßen eingerichteten
Orte ungemein wenige. Um ſo mehr iſt es zu bedauern,
daß in dieſen faſt durchweg bei Lichtungen lediglich der
forſtliche Geſichtspunkt in Anwendung kommt, und ſo wenig
Rückſicht genommen wird auf die Bedürfniſſe des Curorts
als ſolchen. So gut eine Anzahl römiſcher Maler den Fürſten
Chigi in Ariccia zu beſtimmen wußte, ſeine herrlichen Park-
bäume, die bereits zum Beil verurtheilt waren, zu ſchonen,
ſo gut, ſollte man meinen, könnte auch manchem Promenaden-
wege der Schatten gerettet werden, wenn Vorſtände,
Aerzte, Hausbeſitzer und Beſucher in geeigneten Fällen zu
einer Petition bei der betreffenden Behörde zuſammenträten.
Die finanzielle Einbuße kann nur ſehr unerheblich ſein, denn
es handelt ſich blos darum, bei Holzſchlägen diejenige ſchmale

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0120" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">V.</hi> Wege &#x2014; Waldreviere, Lichtungen, Schatten.</fw><lb/>
wären zu nennen, in denen die benachbarten Berge wimmeln<lb/>
von Wegen, die eigens für Curgä&#x017F;te angelegt wurden, kein<lb/>
einziger aber auch nur fünf Minuten weit auf gleicher Höhe<lb/>
gehalten i&#x017F;t, &#x017F;ondern alle, als ob eine Ziege &#x017F;ie vorgezeichnet<lb/>
hätte, muthwillig bergauf und ab laufen. Endlich &#x017F;ollte die<lb/>
leidliche In&#x017F;tandhaltung der alten Promenadenwege der An-<lb/>
lage neuer immer vorgehen. Eine gute Pflege duldet darauf<lb/>
nicht Mineralien&#x017F;ammlungen mit Stücken ver&#x017F;chieden&#x017F;ten<lb/>
Calibers bis zur Größe der Hühnereier, eben&#x017F;owenig dicke<lb/>
Schichten Kies, in denen der Fuß ein&#x017F;inkt wie der des Storchs<lb/>
auf dem Moor, &#x017F;chont ferner nicht Zeugni&#x017F;&#x017F;e neptuni&#x017F;cher Ein-<lb/>
wirkungen, wie blosgelegte Felsriffe, Baumwurzeln und<lb/>
&#x017F;chluchtartige Aushöhlungen. Daß das Nothwendige ohne<lb/>
großen Aufwand zu erreichen i&#x017F;t, bewei&#x017F;en einige wenig ge-<lb/>
nannte Oertchen, wo aber Männer im Vor&#x017F;tand &#x017F;ind, die<lb/>
Zeit, Lu&#x017F;t und Fähigkeit haben, &#x017F;ich der öffentlichen Angelegen-<lb/>
heiten anzunehmen und die verfügbaren mäßigen Mittel nicht<lb/>
für Allotrien vertändeln.</p><lb/>
        <p>Ausgedehnte <hi rendition="#g">Waldreviere</hi> &#x017F;ind bekanntlich in <placeName>Deut&#x017F;chland</placeName><lb/>
wie im ganzen &#x017F;üdlichen und we&#x017F;tlichen <placeName>Europa</placeName> &#x017F;chon an &#x017F;ich<lb/>
nicht häufig und innerhalb der&#x017F;elben der zum medicini&#x017F;chen<lb/>
Gebrauch gün&#x017F;tig gelegenen und einigermaßen eingerichteten<lb/>
Orte ungemein wenige. Um &#x017F;o mehr i&#x017F;t es zu bedauern,<lb/>
daß in die&#x017F;en fa&#x017F;t durchweg bei <hi rendition="#g">Lichtungen</hi> lediglich der<lb/>
for&#x017F;tliche Ge&#x017F;ichtspunkt in Anwendung kommt, und &#x017F;o wenig<lb/>
Rück&#x017F;icht genommen wird auf die Bedürfni&#x017F;&#x017F;e des Curorts<lb/>
als &#x017F;olchen. So gut eine Anzahl römi&#x017F;cher Maler den Für&#x017F;ten<lb/>
Chigi in <placeName>Ariccia</placeName> zu be&#x017F;timmen wußte, &#x017F;eine herrlichen Park-<lb/>
bäume, die bereits zum Beil verurtheilt waren, zu &#x017F;chonen,<lb/>
&#x017F;o gut, &#x017F;ollte man meinen, könnte auch manchem Promenaden-<lb/>
wege der <hi rendition="#g">Schatten</hi> gerettet werden, wenn Vor&#x017F;tände,<lb/>
Aerzte, Hausbe&#x017F;itzer und Be&#x017F;ucher in geeigneten Fällen zu<lb/>
einer Petition bei der betreffenden Behörde zu&#x017F;ammenträten.<lb/>
Die finanzielle Einbuße kann nur &#x017F;ehr unerheblich &#x017F;ein, denn<lb/>
es handelt &#x017F;ich blos darum, bei Holz&#x017F;chlägen diejenige &#x017F;chmale<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0120] V. Wege — Waldreviere, Lichtungen, Schatten. wären zu nennen, in denen die benachbarten Berge wimmeln von Wegen, die eigens für Curgäſte angelegt wurden, kein einziger aber auch nur fünf Minuten weit auf gleicher Höhe gehalten iſt, ſondern alle, als ob eine Ziege ſie vorgezeichnet hätte, muthwillig bergauf und ab laufen. Endlich ſollte die leidliche Inſtandhaltung der alten Promenadenwege der An- lage neuer immer vorgehen. Eine gute Pflege duldet darauf nicht Mineralienſammlungen mit Stücken verſchiedenſten Calibers bis zur Größe der Hühnereier, ebenſowenig dicke Schichten Kies, in denen der Fuß einſinkt wie der des Storchs auf dem Moor, ſchont ferner nicht Zeugniſſe neptuniſcher Ein- wirkungen, wie blosgelegte Felsriffe, Baumwurzeln und ſchluchtartige Aushöhlungen. Daß das Nothwendige ohne großen Aufwand zu erreichen iſt, beweiſen einige wenig ge- nannte Oertchen, wo aber Männer im Vorſtand ſind, die Zeit, Luſt und Fähigkeit haben, ſich der öffentlichen Angelegen- heiten anzunehmen und die verfügbaren mäßigen Mittel nicht für Allotrien vertändeln. Ausgedehnte Waldreviere ſind bekanntlich in Deutſchland wie im ganzen ſüdlichen und weſtlichen Europa ſchon an ſich nicht häufig und innerhalb derſelben der zum mediciniſchen Gebrauch günſtig gelegenen und einigermaßen eingerichteten Orte ungemein wenige. Um ſo mehr iſt es zu bedauern, daß in dieſen faſt durchweg bei Lichtungen lediglich der forſtliche Geſichtspunkt in Anwendung kommt, und ſo wenig Rückſicht genommen wird auf die Bedürfniſſe des Curorts als ſolchen. So gut eine Anzahl römiſcher Maler den Fürſten Chigi in Ariccia zu beſtimmen wußte, ſeine herrlichen Park- bäume, die bereits zum Beil verurtheilt waren, zu ſchonen, ſo gut, ſollte man meinen, könnte auch manchem Promenaden- wege der Schatten gerettet werden, wenn Vorſtände, Aerzte, Hausbeſitzer und Beſucher in geeigneten Fällen zu einer Petition bei der betreffenden Behörde zuſammenträten. Die finanzielle Einbuße kann nur ſehr unerheblich ſein, denn es handelt ſich blos darum, bei Holzſchlägen diejenige ſchmale

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/120
Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/120>, abgerufen am 19.12.2024.