Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.Durch den Zinseszins verliert die Arbeit alle vierzehn Jahr das Auch der Credit kommt nicht dem Arbeiter zu Gute, sondern Durch den Zinſeszins verliert die Arbeit alle vierzehn Jahr das Auch der Credit kommt nicht dem Arbeiter zu Gute, ſondern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0070" n="60"/> Durch den Zinſeszins verliert die Arbeit alle vierzehn Jahr das<lb/> Capital, welches ſie in Bewegung ſetzt. Die Sparkaſſe iſt eine<lb/> Plünderung, weil das Volk die Zinſen zahlen muß. Um mög-<lb/> liches Elend zu verhindern, läßt die Sparkaſſe den Arbeiter jeden<lb/> Tag noch mehr darben, als er ſonſt brauchte. Auch die Jnva-<lb/> lidenkaſſe erfüllt noch nicht die Forderung einer wahren Gegen-<lb/> ſeitigkeit, weil die Hälfte der Menſchen, die früher ſtirbt, nichts<lb/> davon hat. Kurz, immerwährende Bankerotte ſind das letzte Wort<lb/> des Credits.</p><lb/> <p>Auch der Credit kommt nicht dem Arbeiter zu Gute, ſondern<lb/> nur dem Eigenthümer. Wenn die Waare, auf die ich Credit er-<lb/> halten ſoll, im Preiſe fällt, weil ſie keinen Abſatz hat, ſo wird<lb/> mir kein Credit darauf gegeben, und beim größten Reichthum<lb/> verſchmachte ich in Dürftigkeit. Von dem Suchen des Abſatzes<lb/> nach außen ſind wir auf eine innere Hülfe, den Credit, zurück-<lb/> gekehrt. Der Abſatz im Jnnern mangelt nur, weil der Umlauf<lb/> ſtockt; der ſtockende Umlauf wird durch den Credit beſeitigt. Aber<lb/> was hilft aller Umlauf, wenn drinnen oder draußen keine Ver-<lb/> zehrer da ſind, um die Erzeugniſſe zu genießen? Die letzte Hilfe<lb/> der Staatswirthſchaft iſt alſo, Verzehrer hervorzubringen; ſie be-<lb/> günſtigt die Ehe, verhindert Kindermord, kurz ſucht auf alle mög-<lb/> liche Weiſe die <hi rendition="#g">Bevölkerung</hi> zu vermehren. Die Blüthe aller<lb/> Staaten iſt daher auch am ſicherſten aus der Vermehrung der<lb/> Bevölkerung zu erkennen. Je mehr die Bevölkerung ſteigt, deſto<lb/> mehr Waaren können verbraucht werden. Jhre Erzeugung ſteigt,<lb/> und damit die Arbeit und der Wohlſtand der Arbeiter. Steigende<lb/> Erzeugung, ſteigender Verbrauch, ſteigende Bevölkerung ſind alſo<lb/> Wechſelbegriffe, die einander fordern. Aber es werden mehr Eſſer<lb/> erzeugt, als Nahrungsmittel da ſind! Das ſchadet nichts. Kann<lb/> der Boden die ſteigende Bevölkerung nicht faſſen, ſo ſchickt das<lb/> Land Pflanzer in unbebaute Länder. Zu dem Platze, welcher<lb/> dadurch für neue Bevölkerung leer wird, fügt ſich noch eine Ab-<lb/> ſatzquelle des inländiſchen Gewerbfleißes hinzu. Die Abkömmlinge<lb/> werden vorzugsweiſe die Erzeugniſſe des Mutterlandes gebrauchen<lb/> wollen, weil ſie an heimiſchen Gewohnheiten hangen; und auch<lb/> ohne Zwang, durch freie Uebereinkunft wird der Handel mit der<lb/><hi rendition="#g">Pflanzſtadt</hi> das Mutterland bereichern. So wird der vermehrte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0070]
Durch den Zinſeszins verliert die Arbeit alle vierzehn Jahr das
Capital, welches ſie in Bewegung ſetzt. Die Sparkaſſe iſt eine
Plünderung, weil das Volk die Zinſen zahlen muß. Um mög-
liches Elend zu verhindern, läßt die Sparkaſſe den Arbeiter jeden
Tag noch mehr darben, als er ſonſt brauchte. Auch die Jnva-
lidenkaſſe erfüllt noch nicht die Forderung einer wahren Gegen-
ſeitigkeit, weil die Hälfte der Menſchen, die früher ſtirbt, nichts
davon hat. Kurz, immerwährende Bankerotte ſind das letzte Wort
des Credits.
Auch der Credit kommt nicht dem Arbeiter zu Gute, ſondern
nur dem Eigenthümer. Wenn die Waare, auf die ich Credit er-
halten ſoll, im Preiſe fällt, weil ſie keinen Abſatz hat, ſo wird
mir kein Credit darauf gegeben, und beim größten Reichthum
verſchmachte ich in Dürftigkeit. Von dem Suchen des Abſatzes
nach außen ſind wir auf eine innere Hülfe, den Credit, zurück-
gekehrt. Der Abſatz im Jnnern mangelt nur, weil der Umlauf
ſtockt; der ſtockende Umlauf wird durch den Credit beſeitigt. Aber
was hilft aller Umlauf, wenn drinnen oder draußen keine Ver-
zehrer da ſind, um die Erzeugniſſe zu genießen? Die letzte Hilfe
der Staatswirthſchaft iſt alſo, Verzehrer hervorzubringen; ſie be-
günſtigt die Ehe, verhindert Kindermord, kurz ſucht auf alle mög-
liche Weiſe die Bevölkerung zu vermehren. Die Blüthe aller
Staaten iſt daher auch am ſicherſten aus der Vermehrung der
Bevölkerung zu erkennen. Je mehr die Bevölkerung ſteigt, deſto
mehr Waaren können verbraucht werden. Jhre Erzeugung ſteigt,
und damit die Arbeit und der Wohlſtand der Arbeiter. Steigende
Erzeugung, ſteigender Verbrauch, ſteigende Bevölkerung ſind alſo
Wechſelbegriffe, die einander fordern. Aber es werden mehr Eſſer
erzeugt, als Nahrungsmittel da ſind! Das ſchadet nichts. Kann
der Boden die ſteigende Bevölkerung nicht faſſen, ſo ſchickt das
Land Pflanzer in unbebaute Länder. Zu dem Platze, welcher
dadurch für neue Bevölkerung leer wird, fügt ſich noch eine Ab-
ſatzquelle des inländiſchen Gewerbfleißes hinzu. Die Abkömmlinge
werden vorzugsweiſe die Erzeugniſſe des Mutterlandes gebrauchen
wollen, weil ſie an heimiſchen Gewohnheiten hangen; und auch
ohne Zwang, durch freie Uebereinkunft wird der Handel mit der
Pflanzſtadt das Mutterland bereichern. So wird der vermehrte
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