Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.
tur. Die Vernunft herrscht über die Leidenschaft, und in Folge b. Die Sicherstellung der Arbeit. Die erste Aufgabe der Gesellschaft war, dem kräftigen Ar-
tur. Die Vernunft herrſcht über die Leidenſchaft, und in Folge b. Die Sicherſtellung der Arbeit. Die erſte Aufgabe der Geſellſchaft war, dem kräftigen Ar- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0128" n="118"/> tur.</hi> Die Vernunft herrſcht über die Leidenſchaft, und in Folge<lb/> der Vernunft bekundet ſich das Gleichgewicht, die Heiterkeit und<lb/> Freude. Der Menſch liebt in der Kindheit das Weib als Mutter,<lb/> im heranwachſenden Alter als Schweſter, in der Jünglingsperiode<lb/> als Geliebte, im Mannesalter als Gattin, im Greiſenalter als<lb/> Tochter. Die Periode der Fruchtbarkeit, etwa 10—15 Jahre<lb/> umfaſſend, muß nicht ausgedehnt werden wollen. Dem Sohne<lb/> zu ſpäte Brüder erzeugen, die er ernähren müßte, wäre gegen die<lb/> Gerechtigkeit. Was aber die Vernunft gebietet, das vollendet die<lb/> Arbeit, ohne auf die Erſchöpfung der Natur zu warten. Der<lb/> Menſch, bei dem ſich durch eine lange Arbeit der Zug des Geiſtes<lb/> entwickelt hat, entſagt von ſelbſt den Vergnügungen, die für ihn<lb/> kein anderes Jntereſſe mehr haben, als ein ſeinen Kindern vor-<lb/> behaltenes Gut zu ſein. So wird durch die <hi rendition="#g">Abkürzung der<lb/> Fruchtbarkeitsperiode,</hi> bei der unaufhörlichen Vermehrung<lb/> der Arbeit und der Entwickelung neuer Sitten, ſowie durch die<lb/> wachſende Zahl der Eheloſen die Vermehrung der Bevölkerung ab-<lb/> nehmen. Der allgemeine Wohlſtand wird die Bevölkerung nicht<lb/> mehr ſo vermehren, als das immer ſchroffere Hervortreten der<lb/> Gegenſätze des Proletariats und des Reichthums es in den letz-<lb/> ten Zeiten gethan hat; ſondern die Wiederherſtellung dieſes Gleich-<lb/> gewichts auch jedes andere herbeiführen, und mit der geiſtigen<lb/> Erhebung des Proletariers auch ſeine zu große Fruchtbarkeit auf-<lb/> hören.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">b.</hi> <hi rendition="#g">Die Sicherſtellung der Arbeit.</hi> </head><lb/> <p>Die erſte Aufgabe der Geſellſchaft war, dem kräftigen Ar-<lb/> beiter Arbeit zu verſchaffen, und zwar lohnende, alſo den Werth<lb/> der Arbeit der Zufälligkeit zu entreißen. Ebenſo muß aber dafür<lb/> geſorgt werden, daß, wer noch nicht kräftig zur Arbeit iſt, dazu<lb/> gemacht werde, und wer auf Zeit oder für immer die Arbeits-<lb/> kraft verloren hat, für ſeine vergangene Arbeit eine ſorgenfreie<lb/> Zukunft genieße. Jugend und Greiſenalter arbeiten nicht, und<lb/> auch der Mann kann durch Krankheit und dergleichen unfähig<lb/> zur Arbeit werden. Für alle dieſe Zufälligkeiten muß Vorſorge<lb/> getragen werden. Das Erſte, was wir hier zu betrachten haben,<lb/> iſt der Unterricht, die Erziehung; das Zweite die verſchiedenen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0128]
tur. Die Vernunft herrſcht über die Leidenſchaft, und in Folge
der Vernunft bekundet ſich das Gleichgewicht, die Heiterkeit und
Freude. Der Menſch liebt in der Kindheit das Weib als Mutter,
im heranwachſenden Alter als Schweſter, in der Jünglingsperiode
als Geliebte, im Mannesalter als Gattin, im Greiſenalter als
Tochter. Die Periode der Fruchtbarkeit, etwa 10—15 Jahre
umfaſſend, muß nicht ausgedehnt werden wollen. Dem Sohne
zu ſpäte Brüder erzeugen, die er ernähren müßte, wäre gegen die
Gerechtigkeit. Was aber die Vernunft gebietet, das vollendet die
Arbeit, ohne auf die Erſchöpfung der Natur zu warten. Der
Menſch, bei dem ſich durch eine lange Arbeit der Zug des Geiſtes
entwickelt hat, entſagt von ſelbſt den Vergnügungen, die für ihn
kein anderes Jntereſſe mehr haben, als ein ſeinen Kindern vor-
behaltenes Gut zu ſein. So wird durch die Abkürzung der
Fruchtbarkeitsperiode, bei der unaufhörlichen Vermehrung
der Arbeit und der Entwickelung neuer Sitten, ſowie durch die
wachſende Zahl der Eheloſen die Vermehrung der Bevölkerung ab-
nehmen. Der allgemeine Wohlſtand wird die Bevölkerung nicht
mehr ſo vermehren, als das immer ſchroffere Hervortreten der
Gegenſätze des Proletariats und des Reichthums es in den letz-
ten Zeiten gethan hat; ſondern die Wiederherſtellung dieſes Gleich-
gewichts auch jedes andere herbeiführen, und mit der geiſtigen
Erhebung des Proletariers auch ſeine zu große Fruchtbarkeit auf-
hören.
b. Die Sicherſtellung der Arbeit.
Die erſte Aufgabe der Geſellſchaft war, dem kräftigen Ar-
beiter Arbeit zu verſchaffen, und zwar lohnende, alſo den Werth
der Arbeit der Zufälligkeit zu entreißen. Ebenſo muß aber dafür
geſorgt werden, daß, wer noch nicht kräftig zur Arbeit iſt, dazu
gemacht werde, und wer auf Zeit oder für immer die Arbeits-
kraft verloren hat, für ſeine vergangene Arbeit eine ſorgenfreie
Zukunft genieße. Jugend und Greiſenalter arbeiten nicht, und
auch der Mann kann durch Krankheit und dergleichen unfähig
zur Arbeit werden. Für alle dieſe Zufälligkeiten muß Vorſorge
getragen werden. Das Erſte, was wir hier zu betrachten haben,
iſt der Unterricht, die Erziehung; das Zweite die verſchiedenen
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