Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.sie anzuwenden, weil wir noch bis dahin nicht gekommen sind, so Und hier bemerke ich zuerst, daß, wenn die Bildung und der 8 *
ſie anzuwenden, weil wir noch bis dahin nicht gekommen ſind, ſo Und hier bemerke ich zuerſt, daß, wenn die Bildung und der 8 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0125" n="115"/> ſie anzuwenden, weil wir noch bis dahin nicht gekommen ſind, ſo<lb/> muß zur Vervollſtändigung der Löſung doch auch hierüber noch<lb/> ein Wort geſagt werden.</p><lb/> <p>Und hier bemerke ich zuerſt, daß, wenn die Bildung und der<lb/> Fortſchritt des Gewerbfleißes das Uebel hervorbringt, die ſteigende<lb/> Bevölkerung, ſo iſt damit auch zugleich die Abhülfe gegeben. Denn nur<lb/> durch die Theilung der Arbeit, die auch mit den Fortſchritten des<lb/> Gewerbfleißes ſteigt, kann die Erde ſo viel Menſchen ernähren.<lb/> Mit der Theilung der Arbeit tritt aber auch ihre <hi rendition="#g">Erſchwerung</hi><lb/> ein. Vervielfachung der Erzeugniſſe iſt gleich einer Vervielfälti-<lb/> gung der Arbeit. Die Maſchine iſt eine abgekürzte Arbeitsme-<lb/> thode, weil die menſchliche Arbeit nicht mehr genug leiſtet. Durch<lb/> die Maſchine ſchafft der Menſch ſich mehr Sorge und Mühe,<lb/> weil er ſich mit mehr Werkzeugen umgiebt, ſo z. B. bei der Lo-<lb/> comotive. Die Maſchine überträgt die Arbeit von den Muskeln<lb/> aufs Gehirn. Die Arbeit nimmt zu, weil der Menſch die Natur<lb/> immer mehr beſiegt. Wir ſind an dem Punkt angelangt, wo die<lb/> Arbeit nicht mehr erſchwert werden kann, und gerade dadurch auf<lb/> die Bevölkerung einwirkt. Arbeit und Zeugung ſchließen einander<lb/> aus; Arbeit iſt ein Gegengift gegen die Unmäßigkeit in der Liebe.<lb/> Die Wilden Amerika’s, die ein Leben voll Angſt und Unruhe<lb/> führen, ſind nur mäßig zur Liebe geneigt. Aber dies kalte Weſen<lb/> hört mit der Ruhe und dem Ueberfluß baldigſt auf. Der Arme<lb/> hat mehr Kinder, weil er weniger arbeitet; denn die geiſtige Ar-<lb/> beit, die geiſtige Zerſtreuung greift mehr an, als leibliche Kraft-<lb/> äußerung. Die Keuſchheit iſt die Genoſſin der Arbeit, die Träg-<lb/> heit hat zur Begleiterin die Lüſternheit. Die Menſchen des Ge-<lb/> dankens, der großen Arbeit ſind von mittelmäßiger Fähigkeit im<lb/> Liebesdienſt. Mirabeau ging trotz ſeiner ſtarken Geſundheit zu<lb/> Grunde, weil er, wie Proudhon ſich ausdrückt, die Heldenthaten<lb/> der Gardine mit den Triumphen der Rednerbühne verbinden wollte.<lb/> Werden wir ſtärker in der Arbeit, als unſere Väter, ſo weniger<lb/> tapfer in den Spielen der Liebe. So wird alſo mit dem Werth<lb/> der Arbeit, wenn ſie ihre höchſte Höhe erreicht hat, auch zuletzt<lb/><hi rendition="#g">die Bevölkerung fallen.</hi> Das Verhältniß der Werthe muß<lb/> alſo zuletzt auch dazu dienen, die <hi rendition="#g">Uebereinſtimmung zwiſchen<lb/> der Erdkugel und der Bevölkerung</hi> herzuſtellen. Arbeit iſt<lb/> <fw place="bottom" type="sig">8 *</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0125]
ſie anzuwenden, weil wir noch bis dahin nicht gekommen ſind, ſo
muß zur Vervollſtändigung der Löſung doch auch hierüber noch
ein Wort geſagt werden.
Und hier bemerke ich zuerſt, daß, wenn die Bildung und der
Fortſchritt des Gewerbfleißes das Uebel hervorbringt, die ſteigende
Bevölkerung, ſo iſt damit auch zugleich die Abhülfe gegeben. Denn nur
durch die Theilung der Arbeit, die auch mit den Fortſchritten des
Gewerbfleißes ſteigt, kann die Erde ſo viel Menſchen ernähren.
Mit der Theilung der Arbeit tritt aber auch ihre Erſchwerung
ein. Vervielfachung der Erzeugniſſe iſt gleich einer Vervielfälti-
gung der Arbeit. Die Maſchine iſt eine abgekürzte Arbeitsme-
thode, weil die menſchliche Arbeit nicht mehr genug leiſtet. Durch
die Maſchine ſchafft der Menſch ſich mehr Sorge und Mühe,
weil er ſich mit mehr Werkzeugen umgiebt, ſo z. B. bei der Lo-
comotive. Die Maſchine überträgt die Arbeit von den Muskeln
aufs Gehirn. Die Arbeit nimmt zu, weil der Menſch die Natur
immer mehr beſiegt. Wir ſind an dem Punkt angelangt, wo die
Arbeit nicht mehr erſchwert werden kann, und gerade dadurch auf
die Bevölkerung einwirkt. Arbeit und Zeugung ſchließen einander
aus; Arbeit iſt ein Gegengift gegen die Unmäßigkeit in der Liebe.
Die Wilden Amerika’s, die ein Leben voll Angſt und Unruhe
führen, ſind nur mäßig zur Liebe geneigt. Aber dies kalte Weſen
hört mit der Ruhe und dem Ueberfluß baldigſt auf. Der Arme
hat mehr Kinder, weil er weniger arbeitet; denn die geiſtige Ar-
beit, die geiſtige Zerſtreuung greift mehr an, als leibliche Kraft-
äußerung. Die Keuſchheit iſt die Genoſſin der Arbeit, die Träg-
heit hat zur Begleiterin die Lüſternheit. Die Menſchen des Ge-
dankens, der großen Arbeit ſind von mittelmäßiger Fähigkeit im
Liebesdienſt. Mirabeau ging trotz ſeiner ſtarken Geſundheit zu
Grunde, weil er, wie Proudhon ſich ausdrückt, die Heldenthaten
der Gardine mit den Triumphen der Rednerbühne verbinden wollte.
Werden wir ſtärker in der Arbeit, als unſere Väter, ſo weniger
tapfer in den Spielen der Liebe. So wird alſo mit dem Werth
der Arbeit, wenn ſie ihre höchſte Höhe erreicht hat, auch zuletzt
die Bevölkerung fallen. Das Verhältniß der Werthe muß
alſo zuletzt auch dazu dienen, die Uebereinſtimmung zwiſchen
der Erdkugel und der Bevölkerung herzuſtellen. Arbeit iſt
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