Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und schaute einen Moment verwirrt für sich hin. Aber eine sehr wohlthuende Empfindung durchdrang sie; und schnell gefaßt und lächelnd wendete sie sich zu dem Mädchen und sprach: Nun, ich weiß jetzt genug von der Geschichte. Aber ich glaube, dem Tobias und der, welche er im Sinn haben soll, geschähe ein Gefallen, wenn du dafür sorgen würdest, daß die Sache nicht weiter auskäme. Und mit ihrem holdesten Schmeichelton setzte sie hinzu: Willst du das? Bist du so gut? Gieb mir deine Hand! -- Nun, versetzte die Andere, indem sie einschlug, weil du so ehrlich bist und bekennst -- da hast du meine Hand darauf. Die Freundin wünschte nun ihrerseits zu erfahren, wie die Bäbe mit dem Tobias denn eigentlich stände. Aber darauf entgegnete diese: Das kann ich dir nicht sagen, lieb's Mädle. Wir stehen eigentlich gar nicht mit einander, und weiß Gott, was noch geschieht. Wenn die Sache ein Gesicht bekommt, sollst du's erfahren. -- Die Nachricht der Kamerädin war gegründet. Der alte Schneider hatte von einem Bekannten gehört, ihm scheine es, als ob der junge Schuster ein Aug' auf die Sibylle habe; dies hatte ihn aufgeregt und bestimmt, den Angriff auf Tobias früher zu unternehmen, als er im Sinn gehabt. Zu seinem Erstaunen fand er den Burschen widerspenstig. Er sei jetzt nicht in der Laune, um ein Mädchen anzuhalten; wenn der Schuster sein Glück versuchen wolle, könne er ihn nicht hindern, und wenn er sie kriege, werde er sich darum auch keinen Tod und schaute einen Moment verwirrt für sich hin. Aber eine sehr wohlthuende Empfindung durchdrang sie; und schnell gefaßt und lächelnd wendete sie sich zu dem Mädchen und sprach: Nun, ich weiß jetzt genug von der Geschichte. Aber ich glaube, dem Tobias und der, welche er im Sinn haben soll, geschähe ein Gefallen, wenn du dafür sorgen würdest, daß die Sache nicht weiter auskäme. Und mit ihrem holdesten Schmeichelton setzte sie hinzu: Willst du das? Bist du so gut? Gieb mir deine Hand! — Nun, versetzte die Andere, indem sie einschlug, weil du so ehrlich bist und bekennst — da hast du meine Hand darauf. Die Freundin wünschte nun ihrerseits zu erfahren, wie die Bäbe mit dem Tobias denn eigentlich stände. Aber darauf entgegnete diese: Das kann ich dir nicht sagen, lieb's Mädle. Wir stehen eigentlich gar nicht mit einander, und weiß Gott, was noch geschieht. Wenn die Sache ein Gesicht bekommt, sollst du's erfahren. — Die Nachricht der Kamerädin war gegründet. Der alte Schneider hatte von einem Bekannten gehört, ihm scheine es, als ob der junge Schuster ein Aug' auf die Sibylle habe; dies hatte ihn aufgeregt und bestimmt, den Angriff auf Tobias früher zu unternehmen, als er im Sinn gehabt. Zu seinem Erstaunen fand er den Burschen widerspenstig. Er sei jetzt nicht in der Laune, um ein Mädchen anzuhalten; wenn der Schuster sein Glück versuchen wolle, könne er ihn nicht hindern, und wenn er sie kriege, werde er sich darum auch keinen Tod <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0080"/> und schaute einen Moment verwirrt für sich hin. Aber eine sehr wohlthuende Empfindung durchdrang sie; und schnell gefaßt und lächelnd wendete sie sich zu dem Mädchen und sprach: Nun, ich weiß jetzt genug von der Geschichte. Aber ich glaube, dem Tobias und der, welche er im Sinn haben soll, geschähe ein Gefallen, wenn du dafür sorgen würdest, daß die Sache nicht weiter auskäme. Und mit ihrem holdesten Schmeichelton setzte sie hinzu: Willst du das? Bist du so gut? Gieb mir deine Hand! — Nun, versetzte die Andere, indem sie einschlug, weil du so ehrlich bist und bekennst — da hast du meine Hand darauf.</p><lb/> <p>Die Freundin wünschte nun ihrerseits zu erfahren, wie die Bäbe mit dem Tobias denn eigentlich stände. Aber darauf entgegnete diese: Das kann ich dir nicht sagen, lieb's Mädle. Wir stehen eigentlich gar nicht mit einander, und weiß Gott, was noch geschieht. Wenn die Sache ein Gesicht bekommt, sollst du's erfahren. —</p><lb/> <p>Die Nachricht der Kamerädin war gegründet. Der alte Schneider hatte von einem Bekannten gehört, ihm scheine es, als ob der junge Schuster ein Aug' auf die Sibylle habe; dies hatte ihn aufgeregt und bestimmt, den Angriff auf Tobias früher zu unternehmen, als er im Sinn gehabt. Zu seinem Erstaunen fand er den Burschen widerspenstig. Er sei jetzt nicht in der Laune, um ein Mädchen anzuhalten; wenn der Schuster sein Glück versuchen wolle, könne er ihn nicht hindern, und wenn er sie kriege, werde er sich darum auch keinen Tod<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
und schaute einen Moment verwirrt für sich hin. Aber eine sehr wohlthuende Empfindung durchdrang sie; und schnell gefaßt und lächelnd wendete sie sich zu dem Mädchen und sprach: Nun, ich weiß jetzt genug von der Geschichte. Aber ich glaube, dem Tobias und der, welche er im Sinn haben soll, geschähe ein Gefallen, wenn du dafür sorgen würdest, daß die Sache nicht weiter auskäme. Und mit ihrem holdesten Schmeichelton setzte sie hinzu: Willst du das? Bist du so gut? Gieb mir deine Hand! — Nun, versetzte die Andere, indem sie einschlug, weil du so ehrlich bist und bekennst — da hast du meine Hand darauf.
Die Freundin wünschte nun ihrerseits zu erfahren, wie die Bäbe mit dem Tobias denn eigentlich stände. Aber darauf entgegnete diese: Das kann ich dir nicht sagen, lieb's Mädle. Wir stehen eigentlich gar nicht mit einander, und weiß Gott, was noch geschieht. Wenn die Sache ein Gesicht bekommt, sollst du's erfahren. —
Die Nachricht der Kamerädin war gegründet. Der alte Schneider hatte von einem Bekannten gehört, ihm scheine es, als ob der junge Schuster ein Aug' auf die Sibylle habe; dies hatte ihn aufgeregt und bestimmt, den Angriff auf Tobias früher zu unternehmen, als er im Sinn gehabt. Zu seinem Erstaunen fand er den Burschen widerspenstig. Er sei jetzt nicht in der Laune, um ein Mädchen anzuhalten; wenn der Schuster sein Glück versuchen wolle, könne er ihn nicht hindern, und wenn er sie kriege, werde er sich darum auch keinen Tod
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