Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.das wir nicht weiter verfolgen wollen, da es den Lesern schwerlich so wunderschön vorkommen möchte, wie ihnen, und nichts zur Geschichte Gehöriges darin verhandelt wurde. Sie fragten sich, rühmten sich und fragten sich noch einmal, wußten eigentlich selbst nicht, was sie sagten, und fühlten nur, daß es köstlich war, und daß man so fortreden könnte ohne aufzuhören. Und beide gefielen sich besser als je vorher. Der Bäbe kam das Gesicht des Tobias heute entschlossener, männlicher vor; und sie schien dem Tobias sogar bei der Liebeserklärung nicht so lieb gewesen zu sein wie jetzt "zwischa' Liecht" (zwischen Licht, in der Dämmerung). -- Endlich hörten sie starke Schritte von Weitem und schraken auf, -- Tobias, wenn ich die Wahrheit sagen soll, etwas lebhafter, als die Bäbe. Ein Mann kam die Gasse herauf. Bäbe sagte mit gedämpft süßer Stimme Gutenacht und ging mit ruhigem Schritt und unbefangener Haltung den Weg zur Bäuerin. Tobias eilte in die Hauptgasse zurück und begab sich heim. Es war das letzte reine Glück, welches unserm Paar das Schicksal gönnte. Der Mann, der die Gasse heraufkam, war jener Bekannte des alten Schneiders, der ihm schon seine Beobachtung wegen der Sibylle mitgetheilt hatte. Den jungen Schneider so vertraulich bei der Pfarrmagd stehen zu sehen, fiel ihm auf; und so unbefangen die Bäbe an ihm vorüberging, so merkte der alte Praktikus doch aus einem gewissen Leuchten des Gesichts, daß es keine gewöhnliche Ansprache ge- das wir nicht weiter verfolgen wollen, da es den Lesern schwerlich so wunderschön vorkommen möchte, wie ihnen, und nichts zur Geschichte Gehöriges darin verhandelt wurde. Sie fragten sich, rühmten sich und fragten sich noch einmal, wußten eigentlich selbst nicht, was sie sagten, und fühlten nur, daß es köstlich war, und daß man so fortreden könnte ohne aufzuhören. Und beide gefielen sich besser als je vorher. Der Bäbe kam das Gesicht des Tobias heute entschlossener, männlicher vor; und sie schien dem Tobias sogar bei der Liebeserklärung nicht so lieb gewesen zu sein wie jetzt „zwischa' Liecht“ (zwischen Licht, in der Dämmerung). — Endlich hörten sie starke Schritte von Weitem und schraken auf, — Tobias, wenn ich die Wahrheit sagen soll, etwas lebhafter, als die Bäbe. Ein Mann kam die Gasse herauf. Bäbe sagte mit gedämpft süßer Stimme Gutenacht und ging mit ruhigem Schritt und unbefangener Haltung den Weg zur Bäuerin. Tobias eilte in die Hauptgasse zurück und begab sich heim. Es war das letzte reine Glück, welches unserm Paar das Schicksal gönnte. Der Mann, der die Gasse heraufkam, war jener Bekannte des alten Schneiders, der ihm schon seine Beobachtung wegen der Sibylle mitgetheilt hatte. Den jungen Schneider so vertraulich bei der Pfarrmagd stehen zu sehen, fiel ihm auf; und so unbefangen die Bäbe an ihm vorüberging, so merkte der alte Praktikus doch aus einem gewissen Leuchten des Gesichts, daß es keine gewöhnliche Ansprache ge- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0039"/> das wir nicht weiter verfolgen wollen, da es den Lesern schwerlich so wunderschön vorkommen möchte, wie ihnen, und nichts zur Geschichte Gehöriges darin verhandelt wurde. Sie fragten sich, rühmten sich und fragten sich noch einmal, wußten eigentlich selbst nicht, was sie sagten, und fühlten nur, daß es köstlich war, und daß man so fortreden könnte ohne aufzuhören. Und beide gefielen sich besser als je vorher. Der Bäbe kam das Gesicht des Tobias heute entschlossener, männlicher vor; und sie schien dem Tobias sogar bei der Liebeserklärung nicht so lieb gewesen zu sein wie jetzt „zwischa' Liecht“ (zwischen Licht, in der Dämmerung). — Endlich hörten sie starke Schritte von Weitem und schraken auf, — Tobias, wenn ich die Wahrheit sagen soll, etwas lebhafter, als die Bäbe. Ein Mann kam die Gasse herauf. Bäbe sagte mit gedämpft süßer Stimme Gutenacht und ging mit ruhigem Schritt und unbefangener Haltung den Weg zur Bäuerin. Tobias eilte in die Hauptgasse zurück und begab sich heim.</p><lb/> <p>Es war das letzte reine Glück, welches unserm Paar das Schicksal gönnte. Der Mann, der die Gasse heraufkam, war jener Bekannte des alten Schneiders, der ihm schon seine Beobachtung wegen der Sibylle mitgetheilt hatte. Den jungen Schneider so vertraulich bei der Pfarrmagd stehen zu sehen, fiel ihm auf; und so unbefangen die Bäbe an ihm vorüberging, so merkte der alte Praktikus doch aus einem gewissen Leuchten des Gesichts, daß es keine gewöhnliche Ansprache ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
das wir nicht weiter verfolgen wollen, da es den Lesern schwerlich so wunderschön vorkommen möchte, wie ihnen, und nichts zur Geschichte Gehöriges darin verhandelt wurde. Sie fragten sich, rühmten sich und fragten sich noch einmal, wußten eigentlich selbst nicht, was sie sagten, und fühlten nur, daß es köstlich war, und daß man so fortreden könnte ohne aufzuhören. Und beide gefielen sich besser als je vorher. Der Bäbe kam das Gesicht des Tobias heute entschlossener, männlicher vor; und sie schien dem Tobias sogar bei der Liebeserklärung nicht so lieb gewesen zu sein wie jetzt „zwischa' Liecht“ (zwischen Licht, in der Dämmerung). — Endlich hörten sie starke Schritte von Weitem und schraken auf, — Tobias, wenn ich die Wahrheit sagen soll, etwas lebhafter, als die Bäbe. Ein Mann kam die Gasse herauf. Bäbe sagte mit gedämpft süßer Stimme Gutenacht und ging mit ruhigem Schritt und unbefangener Haltung den Weg zur Bäuerin. Tobias eilte in die Hauptgasse zurück und begab sich heim.
Es war das letzte reine Glück, welches unserm Paar das Schicksal gönnte. Der Mann, der die Gasse heraufkam, war jener Bekannte des alten Schneiders, der ihm schon seine Beobachtung wegen der Sibylle mitgetheilt hatte. Den jungen Schneider so vertraulich bei der Pfarrmagd stehen zu sehen, fiel ihm auf; und so unbefangen die Bäbe an ihm vorüberging, so merkte der alte Praktikus doch aus einem gewissen Leuchten des Gesichts, daß es keine gewöhnliche Ansprache ge-
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Zitationshilfe: | Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/39>, abgerufen am 16.07.2024. |