Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Selbstgefühl den Kopf schüttelte; ich will weiter. Und entschlossen setzte er hinzu: Ich geh' nach Amerika! -- Nach Amerika? rief der Pfarrer, indem er ihn überrascht und befremdet ansah. -- Nach Amerika! setzte die Pfarrerin etwas gedämpfter hinzu, während die Bäbe mit der seltsamsten Miene von der Welt vor sich hinsah. Ja, Herr Pfarrer! wiederholte Tobias mit Nachdruck, nach Amerika! Wir bringen nicht so viel zusammen, daß wir hier gut fortkommen könnten; aber dazu reicht's, daß wir mit einander hinüberfahren und auch für den Anfang dort etwas haben. Es ist mir berichtet worden von einem alten Bekannten, daß es mir in Amerika besonders gut gehen muß, weil ich nicht nur ein Metier gelernt hab', sondern auch das Bauernhandwerk verstehe. Was ich nicht kann, das kann meine Braut; und da hab' ich keine Sorg', daß es mit uns nicht vorwärts geht. Und alle Achtung vor unserm Ries, Herr Pfarrer; aber wenn man von Haus aus nicht viel hat, dann kommt man hier nicht gar weit; da drüben aber, da läßt sich noch ein Glück machen, wenn man seine Sachen versteht und Kurasche hat! Da kann man reich werden -- Gott weiß, wie! -- Aber auch um Alles kommen, wenn man Unglück hat, bemerkte der Geistliche warnend. -- Ich hab' was Gut's im Sinn, versetzte Tobias mit Ernst, und ich vertrau auf Gott! Meinem Vater habe ich die Sache ausgelegt; er hat zugeben müssen, daß ich Recht hab', und willigt ein. -- Das thu' ich, Herr Pfarrer, bekräftigte Selbstgefühl den Kopf schüttelte; ich will weiter. Und entschlossen setzte er hinzu: Ich geh' nach Amerika! — Nach Amerika? rief der Pfarrer, indem er ihn überrascht und befremdet ansah. — Nach Amerika! setzte die Pfarrerin etwas gedämpfter hinzu, während die Bäbe mit der seltsamsten Miene von der Welt vor sich hinsah. Ja, Herr Pfarrer! wiederholte Tobias mit Nachdruck, nach Amerika! Wir bringen nicht so viel zusammen, daß wir hier gut fortkommen könnten; aber dazu reicht's, daß wir mit einander hinüberfahren und auch für den Anfang dort etwas haben. Es ist mir berichtet worden von einem alten Bekannten, daß es mir in Amerika besonders gut gehen muß, weil ich nicht nur ein Metier gelernt hab', sondern auch das Bauernhandwerk verstehe. Was ich nicht kann, das kann meine Braut; und da hab' ich keine Sorg', daß es mit uns nicht vorwärts geht. Und alle Achtung vor unserm Ries, Herr Pfarrer; aber wenn man von Haus aus nicht viel hat, dann kommt man hier nicht gar weit; da drüben aber, da läßt sich noch ein Glück machen, wenn man seine Sachen versteht und Kurasche hat! Da kann man reich werden — Gott weiß, wie! — Aber auch um Alles kommen, wenn man Unglück hat, bemerkte der Geistliche warnend. — Ich hab' was Gut's im Sinn, versetzte Tobias mit Ernst, und ich vertrau auf Gott! Meinem Vater habe ich die Sache ausgelegt; er hat zugeben müssen, daß ich Recht hab', und willigt ein. — Das thu' ich, Herr Pfarrer, bekräftigte <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0201"/> Selbstgefühl den Kopf schüttelte; ich will weiter. Und entschlossen setzte er hinzu: Ich geh' nach Amerika! — Nach Amerika? rief der Pfarrer, indem er ihn überrascht und befremdet ansah. — Nach Amerika! setzte die Pfarrerin etwas gedämpfter hinzu, während die Bäbe mit der seltsamsten Miene von der Welt vor sich hinsah.</p><lb/> <p>Ja, Herr Pfarrer! wiederholte Tobias mit Nachdruck, nach Amerika! Wir bringen nicht so viel zusammen, daß wir hier gut fortkommen könnten; aber dazu reicht's, daß wir mit einander hinüberfahren und auch für den Anfang dort etwas haben. Es ist mir berichtet worden von einem alten Bekannten, daß es mir in Amerika besonders gut gehen muß, weil ich nicht nur ein Metier gelernt hab', sondern auch das Bauernhandwerk verstehe. Was ich nicht kann, das kann meine Braut; und da hab' ich keine Sorg', daß es mit uns nicht vorwärts geht. Und alle Achtung vor unserm Ries, Herr Pfarrer; aber wenn man von Haus aus nicht viel hat, dann kommt man hier nicht gar weit; da drüben aber, da läßt sich noch ein Glück machen, wenn man seine Sachen versteht und Kurasche hat! Da kann man reich werden — Gott weiß, wie! — Aber auch um Alles kommen, wenn man Unglück hat, bemerkte der Geistliche warnend. — Ich hab' was Gut's im Sinn, versetzte Tobias mit Ernst, und ich vertrau auf Gott! Meinem Vater habe ich die Sache ausgelegt; er hat zugeben müssen, daß ich Recht hab', und willigt ein. — Das thu' ich, Herr Pfarrer, bekräftigte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0201]
Selbstgefühl den Kopf schüttelte; ich will weiter. Und entschlossen setzte er hinzu: Ich geh' nach Amerika! — Nach Amerika? rief der Pfarrer, indem er ihn überrascht und befremdet ansah. — Nach Amerika! setzte die Pfarrerin etwas gedämpfter hinzu, während die Bäbe mit der seltsamsten Miene von der Welt vor sich hinsah.
Ja, Herr Pfarrer! wiederholte Tobias mit Nachdruck, nach Amerika! Wir bringen nicht so viel zusammen, daß wir hier gut fortkommen könnten; aber dazu reicht's, daß wir mit einander hinüberfahren und auch für den Anfang dort etwas haben. Es ist mir berichtet worden von einem alten Bekannten, daß es mir in Amerika besonders gut gehen muß, weil ich nicht nur ein Metier gelernt hab', sondern auch das Bauernhandwerk verstehe. Was ich nicht kann, das kann meine Braut; und da hab' ich keine Sorg', daß es mit uns nicht vorwärts geht. Und alle Achtung vor unserm Ries, Herr Pfarrer; aber wenn man von Haus aus nicht viel hat, dann kommt man hier nicht gar weit; da drüben aber, da läßt sich noch ein Glück machen, wenn man seine Sachen versteht und Kurasche hat! Da kann man reich werden — Gott weiß, wie! — Aber auch um Alles kommen, wenn man Unglück hat, bemerkte der Geistliche warnend. — Ich hab' was Gut's im Sinn, versetzte Tobias mit Ernst, und ich vertrau auf Gott! Meinem Vater habe ich die Sache ausgelegt; er hat zugeben müssen, daß ich Recht hab', und willigt ein. — Das thu' ich, Herr Pfarrer, bekräftigte
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