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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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stolz und zufrieden neben dem Vater stehen sah, gaffte er ihn an. Tobias rief: Ah, du kommst grad recht! Und mit dem Blick eines Gebieters fügte er hinzu: Hilf der Bas' die Sachen zusammenklauben. Mach! -- Der Bube, mit entrüstet trotziger Miene, sagte: Klaub du nur selber zusammen! -- Da ging Tobias auf ihn zu, erhob die Rechte und rief: Willst du gleich helfen, dummer Bub, oder ich geb' dir eine Ohrfeig', daß du den Himmel für eine Baßgeig' ansiehst! -- Kasper, der den Bruder entschlossen, den Vater unbeweglich sah, bekam eine Ahnung von dem Stand der Dinge, ging knurrend beiseite und gehorchte. Nachdem so ziemlich aufgeräumt war, eilte die Walpurg aus der Stube. Bald ließ sich auf der Gasse ein Gemurmel hören nebst Ausrufungen der Verwunderung, und der Haufe zerstreute sich. Die Alte kam dann mit einem Kübel voll Wasser und einem Waschlappen zurück und begann die völlige Reinigung der Stube.

Nach einer guten halben Stunde saß die ganze Familie friedlich beim Abendessen. Alle Spuren der Zerstörung waren verwischt -- die Stube frischer als vorher und so heimlich als jemals. Tobias hatte die Zeit zu seiner Execution insofern gut gewählt, als am Samstag Boden, Tisch und Bänke ohnehin geputzt werden mußten; es machte kaum besondere Arbeit nöthig, und die Haushälterin konnte noch am Tage die Suppe austragen. Die gute Alte war nach ihm am vergnügtesten. Ueber die Ereignisse des Abends in der Haupt-

stolz und zufrieden neben dem Vater stehen sah, gaffte er ihn an. Tobias rief: Ah, du kommst grad recht! Und mit dem Blick eines Gebieters fügte er hinzu: Hilf der Bas' die Sachen zusammenklauben. Mach! — Der Bube, mit entrüstet trotziger Miene, sagte: Klaub du nur selber zusammen! — Da ging Tobias auf ihn zu, erhob die Rechte und rief: Willst du gleich helfen, dummer Bub, oder ich geb' dir eine Ohrfeig', daß du den Himmel für eine Baßgeig' ansiehst! — Kasper, der den Bruder entschlossen, den Vater unbeweglich sah, bekam eine Ahnung von dem Stand der Dinge, ging knurrend beiseite und gehorchte. Nachdem so ziemlich aufgeräumt war, eilte die Walpurg aus der Stube. Bald ließ sich auf der Gasse ein Gemurmel hören nebst Ausrufungen der Verwunderung, und der Haufe zerstreute sich. Die Alte kam dann mit einem Kübel voll Wasser und einem Waschlappen zurück und begann die völlige Reinigung der Stube.

Nach einer guten halben Stunde saß die ganze Familie friedlich beim Abendessen. Alle Spuren der Zerstörung waren verwischt — die Stube frischer als vorher und so heimlich als jemals. Tobias hatte die Zeit zu seiner Execution insofern gut gewählt, als am Samstag Boden, Tisch und Bänke ohnehin geputzt werden mußten; es machte kaum besondere Arbeit nöthig, und die Haushälterin konnte noch am Tage die Suppe austragen. Die gute Alte war nach ihm am vergnügtesten. Ueber die Ereignisse des Abends in der Haupt-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/182>, abgerufen am 27.11.2024.