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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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als ob sich die Herren im Ries nun vor ihm zu verkriechen hätten. Nachdem er eine Minute bedeutsam geschwiegen, gab er der Wittwe den Brief zurück und sagte: Der Andres ist ein Mann, vor dem man Respect haben muß. So ist's, wie er sagt, und nicht anders! -- Nicht wahr? versetzte die geschmeichelte Mutter; er schreibt beinah so schön wie ein Pfarrer! -- Bah, entgegnete Tobias verächtlich, wie ein Pfarrer! Die wann so schreiben könnten, ja, dann wär's gut! Aber so kann man nur in Amerika schreiben, sonst nirgends in der ganzen Welt! -- Er ergriff den Krug, dem er schon während des Lesens zugesprochen hatte, und leerte ihn mit Einem Zug, heroisch wie seine Empfindungen. Dann zahlte er und fragte die Alte, ob sie mit ihm nach Hause gehen wollte. Diese war mit der Halben, die sie sich hatte bringen lassen, gleichfalls zu Ende und freute sich, auf dem Heimweg "einen Unterhalt" zu haben.

Wie sie hinter einander den Fußweg hingingen, der sie nach Hause führte, war die Unterhaltung doch nicht so groß, wie das Weib gehofft haben mochte. Den Geist des Schneiders beschäftigte das Gelesene. Er sah mit rothem Gesicht schweigend vor sich hin; zuweilen erhob er den Kopf, blickte stolz und wild in die blaue Luft und nickte gewichtig. Schon hatten sie die Hälfte des Weges hinter sich, als er endlich den Mund öffnete und seine Gedanken verrathend sagte: Das muß ein merkwürdiges Land sein, das Amerika! Euer Andres

als ob sich die Herren im Ries nun vor ihm zu verkriechen hätten. Nachdem er eine Minute bedeutsam geschwiegen, gab er der Wittwe den Brief zurück und sagte: Der Andres ist ein Mann, vor dem man Respect haben muß. So ist's, wie er sagt, und nicht anders! — Nicht wahr? versetzte die geschmeichelte Mutter; er schreibt beinah so schön wie ein Pfarrer! — Bah, entgegnete Tobias verächtlich, wie ein Pfarrer! Die wann so schreiben könnten, ja, dann wär's gut! Aber so kann man nur in Amerika schreiben, sonst nirgends in der ganzen Welt! — Er ergriff den Krug, dem er schon während des Lesens zugesprochen hatte, und leerte ihn mit Einem Zug, heroisch wie seine Empfindungen. Dann zahlte er und fragte die Alte, ob sie mit ihm nach Hause gehen wollte. Diese war mit der Halben, die sie sich hatte bringen lassen, gleichfalls zu Ende und freute sich, auf dem Heimweg „einen Unterhalt“ zu haben.

Wie sie hinter einander den Fußweg hingingen, der sie nach Hause führte, war die Unterhaltung doch nicht so groß, wie das Weib gehofft haben mochte. Den Geist des Schneiders beschäftigte das Gelesene. Er sah mit rothem Gesicht schweigend vor sich hin; zuweilen erhob er den Kopf, blickte stolz und wild in die blaue Luft und nickte gewichtig. Schon hatten sie die Hälfte des Weges hinter sich, als er endlich den Mund öffnete und seine Gedanken verrathend sagte: Das muß ein merkwürdiges Land sein, das Amerika! Euer Andres

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/165>, abgerufen am 24.11.2024.