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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zer im Beutel hat, so lange ist er immer zufrieden und giebt her, was er hat; da kann man freilich dem Dienstboten nicht so viel Lohn geben. Bei uns, was einer sich mit Rechtem erworben hat, das gehört ihm, und er läßt dann seinen Dienstboten so viel zukommen, daß sie mit der Zeit auch Herren werden können. Wo will bei euch daheim Einer weiter kommen? Wenn Einer ein armer Teufel ist, dann bleibt er es eben sein Lebtag! -- Hier ist auch keine Polizei und kein Schandarm; wenn wir gerade beisammensitzen des Nachts, gehen wir heim, wenn es uns freut, manchmal spät, auch manchmal früh. Hier giebt's keinen Unterschied unter den Menschen, Einer ist so gut wie der Andere. Mein Herr muß mir die Ehr' anthun, wie ich ihm; er zahlt mir den Lohn, ich thu' ihm die Arbeit, und im Uebrigen sind wir gleich, wie's auch recht ist. Der Beamte ist hier unser Beamter und muß thun, was uns zum Nutzen ist und was wir gerne sehen; und grad so der Pfarrer auch. In Amerika hat man keinen Respect vor so einem, als ob's unser Herrgott selber wär'! Man läßt sich von ihm unterrichten, aber nichts dreinreden und befehlen. Wenn der Bauer in Deutschland zum gnädigen Herrn aufs Gericht muß, da schlottern ihm die Kniee; und wenn ihn der Pfarrer einmal krumm ansieht, da meint er, er hätt' ein Verbrechen begangen und er wär' ein schlechter Kerl. Wie können die Menschen nur so einfältig sein! Ist nicht Einer den Andern werth, und muß sich nun Einer fürchten vor dem

zer im Beutel hat, so lange ist er immer zufrieden und giebt her, was er hat; da kann man freilich dem Dienstboten nicht so viel Lohn geben. Bei uns, was einer sich mit Rechtem erworben hat, das gehört ihm, und er läßt dann seinen Dienstboten so viel zukommen, daß sie mit der Zeit auch Herren werden können. Wo will bei euch daheim Einer weiter kommen? Wenn Einer ein armer Teufel ist, dann bleibt er es eben sein Lebtag! — Hier ist auch keine Polizei und kein Schandarm; wenn wir gerade beisammensitzen des Nachts, gehen wir heim, wenn es uns freut, manchmal spät, auch manchmal früh. Hier giebt's keinen Unterschied unter den Menschen, Einer ist so gut wie der Andere. Mein Herr muß mir die Ehr' anthun, wie ich ihm; er zahlt mir den Lohn, ich thu' ihm die Arbeit, und im Uebrigen sind wir gleich, wie's auch recht ist. Der Beamte ist hier unser Beamter und muß thun, was uns zum Nutzen ist und was wir gerne sehen; und grad so der Pfarrer auch. In Amerika hat man keinen Respect vor so einem, als ob's unser Herrgott selber wär'! Man läßt sich von ihm unterrichten, aber nichts dreinreden und befehlen. Wenn der Bauer in Deutschland zum gnädigen Herrn aufs Gericht muß, da schlottern ihm die Kniee; und wenn ihn der Pfarrer einmal krumm ansieht, da meint er, er hätt' ein Verbrechen begangen und er wär' ein schlechter Kerl. Wie können die Menschen nur so einfältig sein! Ist nicht Einer den Andern werth, und muß sich nun Einer fürchten vor dem

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zer im Beutel hat, so lange ist er immer zufrieden und      giebt her, was er hat; da kann man freilich dem Dienstboten nicht so viel Lohn geben. Bei uns,      was einer sich mit Rechtem erworben hat, das gehört ihm, und er läßt dann seinen Dienstboten so      viel zukommen, daß sie mit der Zeit auch Herren werden können. Wo will bei euch daheim Einer      weiter kommen? Wenn Einer ein armer Teufel ist, dann bleibt er es eben sein Lebtag! &#x2014; Hier ist      auch keine Polizei und kein Schandarm; wenn wir gerade beisammensitzen des Nachts, gehen wir      heim, wenn es uns freut, manchmal spät, auch manchmal früh. Hier giebt's keinen Unterschied      unter den Menschen, Einer ist so gut wie der Andere. Mein Herr muß mir die Ehr' anthun, wie ich      ihm; er zahlt mir den Lohn, ich thu' ihm die Arbeit, und im Uebrigen sind wir gleich, wie's      auch recht ist. Der Beamte ist hier unser Beamter und muß thun, was uns zum Nutzen ist und was      wir gerne sehen; und grad so der Pfarrer auch. In Amerika hat man keinen Respect vor so einem,      als ob's unser Herrgott selber wär'! Man läßt sich von ihm unterrichten, aber nichts dreinreden      und befehlen. Wenn der Bauer in Deutschland zum gnädigen Herrn aufs Gericht muß, da schlottern      ihm die Kniee; und wenn ihn der Pfarrer einmal krumm ansieht, da meint er, er hätt' ein      Verbrechen begangen und er wär' ein schlechter Kerl. Wie können die Menschen nur so einfältig      sein! Ist nicht Einer den Andern werth, und muß sich nun Einer fürchten vor dem<lb/></p>
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[0163] zer im Beutel hat, so lange ist er immer zufrieden und giebt her, was er hat; da kann man freilich dem Dienstboten nicht so viel Lohn geben. Bei uns, was einer sich mit Rechtem erworben hat, das gehört ihm, und er läßt dann seinen Dienstboten so viel zukommen, daß sie mit der Zeit auch Herren werden können. Wo will bei euch daheim Einer weiter kommen? Wenn Einer ein armer Teufel ist, dann bleibt er es eben sein Lebtag! — Hier ist auch keine Polizei und kein Schandarm; wenn wir gerade beisammensitzen des Nachts, gehen wir heim, wenn es uns freut, manchmal spät, auch manchmal früh. Hier giebt's keinen Unterschied unter den Menschen, Einer ist so gut wie der Andere. Mein Herr muß mir die Ehr' anthun, wie ich ihm; er zahlt mir den Lohn, ich thu' ihm die Arbeit, und im Uebrigen sind wir gleich, wie's auch recht ist. Der Beamte ist hier unser Beamter und muß thun, was uns zum Nutzen ist und was wir gerne sehen; und grad so der Pfarrer auch. In Amerika hat man keinen Respect vor so einem, als ob's unser Herrgott selber wär'! Man läßt sich von ihm unterrichten, aber nichts dreinreden und befehlen. Wenn der Bauer in Deutschland zum gnädigen Herrn aufs Gericht muß, da schlottern ihm die Kniee; und wenn ihn der Pfarrer einmal krumm ansieht, da meint er, er hätt' ein Verbrechen begangen und er wär' ein schlechter Kerl. Wie können die Menschen nur so einfältig sein! Ist nicht Einer den Andern werth, und muß sich nun Einer fürchten vor dem

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/163>, abgerufen am 27.11.2024.