Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Und mit dem Humor der Verzweiflung setzte er hinzu: Nun -- und was weiter? -- Den andern Morgen hat sie mir's vorgehalten und mir den Dienst gekündigt. -- So! erwiderte der Schneider. Und mich hat mein Vater aus dem Pfarrhause kommen sehen, hat mir aufgepaßt und mich geschlagen, bis er genug gehabt hat! -- Ach du armer Tobias! rief die Bäbe und faßte ihn mitleidig bei der Hand. -- Und die Leute wissen Alles, die Ledigen haben heut ihren Spott mit mir gehabt im Wirthshaus und haben mich beinah aus der Haut geärgert -- in drei Tagen wird man im ganzen Ries davon reden! -- Da haben wir's, versetzte die Bäbe. Wer hätte gedacht, daß es uns so unglücklich ginge! -- Im Tone seines desperaten Humors fuhr der Schneider fort: Was kann uns denn jetzt eigentlich noch passiren? -- Nicht viel mehr, antwortete die Bäbe. -- Das mein' ich auch, sagte der Bursche. Schweigend sah er vor sich hin. Nach einer Weile richtete er seinen Kopf empor, seine Augen erweiterten sich, und er rief: Nun paß aus, was ich dir sag'! Ich hab' um dich Angst ausgestanden; ich hab' Schläg' ausgehalten und Schande verschluckt an allen Ecken und Enden. Jetzt bin ich fertig mit der Welt -- und jetzt sag' ich dir: du, die Bäbe, die hier vor mir steht -- du wirst mein Weib und keine Andere! -- O du guter Tobias, rief die Bäbe, halb anerkennend, halb nicht zu glauben wagend. -- Bäbe, rief der Schneider, ich verlang', daß du mir glaubst! Meine Geduld ist am Und mit dem Humor der Verzweiflung setzte er hinzu: Nun — und was weiter? — Den andern Morgen hat sie mir's vorgehalten und mir den Dienst gekündigt. — So! erwiderte der Schneider. Und mich hat mein Vater aus dem Pfarrhause kommen sehen, hat mir aufgepaßt und mich geschlagen, bis er genug gehabt hat! — Ach du armer Tobias! rief die Bäbe und faßte ihn mitleidig bei der Hand. — Und die Leute wissen Alles, die Ledigen haben heut ihren Spott mit mir gehabt im Wirthshaus und haben mich beinah aus der Haut geärgert — in drei Tagen wird man im ganzen Ries davon reden! — Da haben wir's, versetzte die Bäbe. Wer hätte gedacht, daß es uns so unglücklich ginge! — Im Tone seines desperaten Humors fuhr der Schneider fort: Was kann uns denn jetzt eigentlich noch passiren? — Nicht viel mehr, antwortete die Bäbe. — Das mein' ich auch, sagte der Bursche. Schweigend sah er vor sich hin. Nach einer Weile richtete er seinen Kopf empor, seine Augen erweiterten sich, und er rief: Nun paß aus, was ich dir sag'! Ich hab' um dich Angst ausgestanden; ich hab' Schläg' ausgehalten und Schande verschluckt an allen Ecken und Enden. Jetzt bin ich fertig mit der Welt — und jetzt sag' ich dir: du, die Bäbe, die hier vor mir steht — du wirst mein Weib und keine Andere! — O du guter Tobias, rief die Bäbe, halb anerkennend, halb nicht zu glauben wagend. — Bäbe, rief der Schneider, ich verlang', daß du mir glaubst! Meine Geduld ist am <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0151"/> Und mit dem Humor der Verzweiflung setzte er hinzu: Nun — und was weiter? — Den andern Morgen hat sie mir's vorgehalten und mir den Dienst gekündigt. — So! erwiderte der Schneider. Und mich hat mein Vater aus dem Pfarrhause kommen sehen, hat mir aufgepaßt und mich geschlagen, bis er genug gehabt hat! — Ach du armer Tobias! rief die Bäbe und faßte ihn mitleidig bei der Hand. — Und die Leute wissen Alles, die Ledigen haben heut ihren Spott mit mir gehabt im Wirthshaus und haben mich beinah aus der Haut geärgert — in drei Tagen wird man im ganzen Ries davon reden! — Da haben wir's, versetzte die Bäbe. Wer hätte gedacht, daß es uns so unglücklich ginge! — Im Tone seines desperaten Humors fuhr der Schneider fort: Was kann uns denn jetzt eigentlich noch passiren? — Nicht viel mehr, antwortete die Bäbe. — Das mein' ich auch, sagte der Bursche.</p><lb/> <p>Schweigend sah er vor sich hin. Nach einer Weile richtete er seinen Kopf empor, seine Augen erweiterten sich, und er rief: Nun paß aus, was ich dir sag'! Ich hab' um dich Angst ausgestanden; ich hab' Schläg' ausgehalten und Schande verschluckt an allen Ecken und Enden. Jetzt bin ich fertig mit der Welt — und jetzt sag' ich dir: du, die Bäbe, die hier vor mir steht — du wirst mein Weib und keine Andere! — O du guter Tobias, rief die Bäbe, halb anerkennend, halb nicht zu glauben wagend. — Bäbe, rief der Schneider, ich verlang', daß du mir glaubst! Meine Geduld ist am<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0151]
Und mit dem Humor der Verzweiflung setzte er hinzu: Nun — und was weiter? — Den andern Morgen hat sie mir's vorgehalten und mir den Dienst gekündigt. — So! erwiderte der Schneider. Und mich hat mein Vater aus dem Pfarrhause kommen sehen, hat mir aufgepaßt und mich geschlagen, bis er genug gehabt hat! — Ach du armer Tobias! rief die Bäbe und faßte ihn mitleidig bei der Hand. — Und die Leute wissen Alles, die Ledigen haben heut ihren Spott mit mir gehabt im Wirthshaus und haben mich beinah aus der Haut geärgert — in drei Tagen wird man im ganzen Ries davon reden! — Da haben wir's, versetzte die Bäbe. Wer hätte gedacht, daß es uns so unglücklich ginge! — Im Tone seines desperaten Humors fuhr der Schneider fort: Was kann uns denn jetzt eigentlich noch passiren? — Nicht viel mehr, antwortete die Bäbe. — Das mein' ich auch, sagte der Bursche.
Schweigend sah er vor sich hin. Nach einer Weile richtete er seinen Kopf empor, seine Augen erweiterten sich, und er rief: Nun paß aus, was ich dir sag'! Ich hab' um dich Angst ausgestanden; ich hab' Schläg' ausgehalten und Schande verschluckt an allen Ecken und Enden. Jetzt bin ich fertig mit der Welt — und jetzt sag' ich dir: du, die Bäbe, die hier vor mir steht — du wirst mein Weib und keine Andere! — O du guter Tobias, rief die Bäbe, halb anerkennend, halb nicht zu glauben wagend. — Bäbe, rief der Schneider, ich verlang', daß du mir glaubst! Meine Geduld ist am
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