Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

lich: Du bist mein Vater, du bist stärker als ich, und du kannst mich schlagen. Ich kann nichts dagegen thun und muß es mir gefallen lassen. Aber das sag' ich dir: wenn du mich todtschlägst, lass' ich die Bäbe nicht! Dann erst recht nicht! -- Dies war mit einem Ausdruck von Märtyrer-Entschlossenheit gesprochen, daß der Alte erstarrte und verstummte. Er sah ihn an wie einen, mit dem's nicht richtig ist, gegen den man aber ebendeßwegen vorderhand nichts machen kann, und erwiderte nur: Gut, das wollen wir sehen! -- Und Tobias versetzte keck: Ja, das wollen wir sehen!

Die Walpurg erschien mit der brennenden Ampel -- eine Unterbrechung, die dem Alten lieber war, als dem Sohn. Das Weib machte ein sonderbares Gesicht. Sie hatte die zankenden Stimmen gehört und war halb aus Neugierde, halb um einen schrecklichen Auftritt zu verhindern, in die Stube gegangen, stellte sich aber nun, als ob sie von nichts wüßte. Sie suchte den Alten durch häusliche Fragen auf andere Gedanken zu bringen, verlor die Geduld nicht, als dieser sie anschnauzte, und erlangte es endlich, daß er ihr Gehör gab. Nach einer Weile erhob sich Tobias, der sich wieder gesetzt hatte, wünschte gelassen und wohlwollend Gute Nacht und ging in seine Kammer.

Ein erhebendes Gefühl durchdrang ihn. Er hatte mit seinem Vater gekämpft und -- gesiegt. Er hatte nichts mehr verheimlicht, ihm nichts vorgespiegelt, sondern ganz ehrlich Alles gesagt, wie's war -- und der

lich: Du bist mein Vater, du bist stärker als ich, und du kannst mich schlagen. Ich kann nichts dagegen thun und muß es mir gefallen lassen. Aber das sag' ich dir: wenn du mich todtschlägst, lass' ich die Bäbe nicht! Dann erst recht nicht! — Dies war mit einem Ausdruck von Märtyrer-Entschlossenheit gesprochen, daß der Alte erstarrte und verstummte. Er sah ihn an wie einen, mit dem's nicht richtig ist, gegen den man aber ebendeßwegen vorderhand nichts machen kann, und erwiderte nur: Gut, das wollen wir sehen! — Und Tobias versetzte keck: Ja, das wollen wir sehen!

Die Walpurg erschien mit der brennenden Ampel — eine Unterbrechung, die dem Alten lieber war, als dem Sohn. Das Weib machte ein sonderbares Gesicht. Sie hatte die zankenden Stimmen gehört und war halb aus Neugierde, halb um einen schrecklichen Auftritt zu verhindern, in die Stube gegangen, stellte sich aber nun, als ob sie von nichts wüßte. Sie suchte den Alten durch häusliche Fragen auf andere Gedanken zu bringen, verlor die Geduld nicht, als dieser sie anschnauzte, und erlangte es endlich, daß er ihr Gehör gab. Nach einer Weile erhob sich Tobias, der sich wieder gesetzt hatte, wünschte gelassen und wohlwollend Gute Nacht und ging in seine Kammer.

Ein erhebendes Gefühl durchdrang ihn. Er hatte mit seinem Vater gekämpft und — gesiegt. Er hatte nichts mehr verheimlicht, ihm nichts vorgespiegelt, sondern ganz ehrlich Alles gesagt, wie's war — und der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0130"/>
lich: Du bist mein Vater, du bist stärker als ich, und du kannst mich schlagen. Ich      kann nichts dagegen thun und muß es mir gefallen lassen. Aber das sag' ich dir: wenn du mich      todtschlägst, lass' ich die Bäbe nicht! Dann erst recht nicht! &#x2014; Dies war mit einem Ausdruck      von Märtyrer-Entschlossenheit gesprochen, daß der Alte erstarrte und verstummte. Er sah ihn an      wie einen, mit dem's nicht richtig ist, gegen den man aber ebendeßwegen vorderhand nichts      machen kann, und erwiderte nur: Gut, das wollen wir sehen! &#x2014; Und Tobias versetzte keck: Ja, das      wollen wir sehen!</p><lb/>
        <p>Die Walpurg erschien mit der brennenden Ampel &#x2014; eine Unterbrechung, die dem Alten lieber war,      als dem Sohn. Das Weib machte ein sonderbares Gesicht. Sie hatte die zankenden Stimmen gehört      und war halb aus Neugierde, halb um einen schrecklichen Auftritt zu verhindern, in die Stube      gegangen, stellte sich aber nun, als ob sie von nichts wüßte. Sie suchte den Alten durch      häusliche Fragen auf andere Gedanken zu bringen, verlor die Geduld nicht, als dieser sie      anschnauzte, und erlangte es endlich, daß er ihr Gehör gab. Nach einer Weile erhob sich Tobias,      der sich wieder gesetzt hatte, wünschte gelassen und wohlwollend Gute Nacht und ging in seine      Kammer.</p><lb/>
        <p>Ein erhebendes Gefühl durchdrang ihn. Er hatte mit seinem Vater gekämpft und &#x2014; gesiegt. Er      hatte nichts mehr verheimlicht, ihm nichts vorgespiegelt, sondern ganz ehrlich Alles gesagt,      wie's war &#x2014; und der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0130] lich: Du bist mein Vater, du bist stärker als ich, und du kannst mich schlagen. Ich kann nichts dagegen thun und muß es mir gefallen lassen. Aber das sag' ich dir: wenn du mich todtschlägst, lass' ich die Bäbe nicht! Dann erst recht nicht! — Dies war mit einem Ausdruck von Märtyrer-Entschlossenheit gesprochen, daß der Alte erstarrte und verstummte. Er sah ihn an wie einen, mit dem's nicht richtig ist, gegen den man aber ebendeßwegen vorderhand nichts machen kann, und erwiderte nur: Gut, das wollen wir sehen! — Und Tobias versetzte keck: Ja, das wollen wir sehen! Die Walpurg erschien mit der brennenden Ampel — eine Unterbrechung, die dem Alten lieber war, als dem Sohn. Das Weib machte ein sonderbares Gesicht. Sie hatte die zankenden Stimmen gehört und war halb aus Neugierde, halb um einen schrecklichen Auftritt zu verhindern, in die Stube gegangen, stellte sich aber nun, als ob sie von nichts wüßte. Sie suchte den Alten durch häusliche Fragen auf andere Gedanken zu bringen, verlor die Geduld nicht, als dieser sie anschnauzte, und erlangte es endlich, daß er ihr Gehör gab. Nach einer Weile erhob sich Tobias, der sich wieder gesetzt hatte, wünschte gelassen und wohlwollend Gute Nacht und ging in seine Kammer. Ein erhebendes Gefühl durchdrang ihn. Er hatte mit seinem Vater gekämpft und — gesiegt. Er hatte nichts mehr verheimlicht, ihm nichts vorgespiegelt, sondern ganz ehrlich Alles gesagt, wie's war — und der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/130
Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/130>, abgerufen am 27.11.2024.