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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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veranlassen. Du bleibst bis zum Ziel und suchst dir unterdessen einen andern Dienst -- in einem andern Ort. Die Bäbe sah wehmüthig ergeben vor sich hin. Ich seh's ein, daß Bitten mir jetzt nicht mehr helfen würden. Es soll geschehen. -- Bis dahin, fuhr die Pfarrerin fort, kommt so etwas in meinem Hause nicht mehr vor. -- O Frau Pfarrerin, rief das Mädchen, ich versprech' Ihnen -- -- Ich will schon auch selber sorgen, versetzte die Frau. Der Hausschlüssel bleibt künftig in meiner Verwahrung. -- Ein leichtes schmerzliches Lächeln flog über die Züge der Magd, die aber alsbald ruhige Fassung zeigten.

Die Pfarrerin fuhr nach einer kleinen Pause fort: Es ist mir unlieb, daß ein Mädchen, die durch mich ins Dorf gekommen ist, einen jungen Burschen verlockt und Unfrieden in eine Haushaltung gebracht hat. Der alte Schneider will seinen Sohn mit der Tochter des Bachwebers verheirathen -- ich weiß es von guter Hand. Und nun kommst du und machst den Sohn ungehorsam gegen den Vater und stiftest Händel an zwischen ihnen! Du würdest wohl daran thun, diesen Liebeshandel ganz und gar aufzugeben. Der Eber ist nicht der Mann, dem Tobias seinen Willen zu lassen, und Der, obwohl er gestern gezeigt hat, daß er auch frech sein kann, wird nicht im Stande sein, etwas gegen ihn durchzusetzen. Du solltest das einsehen und den jungen Menschen überhaupt gehen lassen, nicht nur so lange du noch bei mir bist, wo sich's von selber versteht! -- Frau Pfarrerin,

veranlassen. Du bleibst bis zum Ziel und suchst dir unterdessen einen andern Dienst — in einem andern Ort. Die Bäbe sah wehmüthig ergeben vor sich hin. Ich seh's ein, daß Bitten mir jetzt nicht mehr helfen würden. Es soll geschehen. — Bis dahin, fuhr die Pfarrerin fort, kommt so etwas in meinem Hause nicht mehr vor. — O Frau Pfarrerin, rief das Mädchen, ich versprech' Ihnen — — Ich will schon auch selber sorgen, versetzte die Frau. Der Hausschlüssel bleibt künftig in meiner Verwahrung. — Ein leichtes schmerzliches Lächeln flog über die Züge der Magd, die aber alsbald ruhige Fassung zeigten.

Die Pfarrerin fuhr nach einer kleinen Pause fort: Es ist mir unlieb, daß ein Mädchen, die durch mich ins Dorf gekommen ist, einen jungen Burschen verlockt und Unfrieden in eine Haushaltung gebracht hat. Der alte Schneider will seinen Sohn mit der Tochter des Bachwebers verheirathen — ich weiß es von guter Hand. Und nun kommst du und machst den Sohn ungehorsam gegen den Vater und stiftest Händel an zwischen ihnen! Du würdest wohl daran thun, diesen Liebeshandel ganz und gar aufzugeben. Der Eber ist nicht der Mann, dem Tobias seinen Willen zu lassen, und Der, obwohl er gestern gezeigt hat, daß er auch frech sein kann, wird nicht im Stande sein, etwas gegen ihn durchzusetzen. Du solltest das einsehen und den jungen Menschen überhaupt gehen lassen, nicht nur so lange du noch bei mir bist, wo sich's von selber versteht! — Frau Pfarrerin,

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[0124] veranlassen. Du bleibst bis zum Ziel und suchst dir unterdessen einen andern Dienst — in einem andern Ort. Die Bäbe sah wehmüthig ergeben vor sich hin. Ich seh's ein, daß Bitten mir jetzt nicht mehr helfen würden. Es soll geschehen. — Bis dahin, fuhr die Pfarrerin fort, kommt so etwas in meinem Hause nicht mehr vor. — O Frau Pfarrerin, rief das Mädchen, ich versprech' Ihnen — — Ich will schon auch selber sorgen, versetzte die Frau. Der Hausschlüssel bleibt künftig in meiner Verwahrung. — Ein leichtes schmerzliches Lächeln flog über die Züge der Magd, die aber alsbald ruhige Fassung zeigten. Die Pfarrerin fuhr nach einer kleinen Pause fort: Es ist mir unlieb, daß ein Mädchen, die durch mich ins Dorf gekommen ist, einen jungen Burschen verlockt und Unfrieden in eine Haushaltung gebracht hat. Der alte Schneider will seinen Sohn mit der Tochter des Bachwebers verheirathen — ich weiß es von guter Hand. Und nun kommst du und machst den Sohn ungehorsam gegen den Vater und stiftest Händel an zwischen ihnen! Du würdest wohl daran thun, diesen Liebeshandel ganz und gar aufzugeben. Der Eber ist nicht der Mann, dem Tobias seinen Willen zu lassen, und Der, obwohl er gestern gezeigt hat, daß er auch frech sein kann, wird nicht im Stande sein, etwas gegen ihn durchzusetzen. Du solltest das einsehen und den jungen Menschen überhaupt gehen lassen, nicht nur so lange du noch bei mir bist, wo sich's von selber versteht! — Frau Pfarrerin,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/124>, abgerufen am 20.05.2024.