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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
Kraft des Blutes und Todes JEsu hatte,
nöthigte, ja risse sie hin, in dem lebendig-
sten Verlangen den zu suchen, den ihre See-
le nun über alles begehrte, und ohne den sie
künftighin weder leben könnte noch wollte.

So lebendig wird es in der Seele, des
durch die Gnade aufgeweckten und recht-
schaffen angegriffenen Sünders, wenn es
darum zu thun ist, daß dem HErrn durch
die neue Geburt ein Gnadenkind solle ge-
zeuget werden. Und wie selig wäre es!
wenn alle Gerührte sich willig in diesen
Bußkampf führen liessen: aber da sind viele
unlautere Seelen, die lassen sich wohl viele
und öftermahl rühren, verschieben aber mit
Muthwillen den Bußkampf von einer Zeit
zur andern, und setzen sich indessen zu denen
vorigen Fleischtöpfen in Egypten nieder,
machen sich dabey lustig, und denken, es
werden dergleichen Rührungen und Aufwe-
ckungen sich noch genug melden, und beque-
mere Gelegenheiten zur Bekehrung geben.
Und was ist hievon der Grund! es sind mei-
stens heimliche Tücke und Bande, die man
nicht gerne ablegen will; es sind Lüste und
solche Sünden, die dem Fleisch noch sehr
lieb und angenehm sind, die man zu ver-
läugnen noch nicht willig ist; es ist bey vie-
len eine sündliche Zärtlichkeit und Blödig-
keit; sie schämen sich in die Schlammgrube

ihres

Der groſſen und ſeligen
Kraft des Blutes und Todes JEſu hatte,
noͤthigte, ja riſſe ſie hin, in dem lebendig-
ſten Verlangen den zu ſuchen, den ihre See-
le nun uͤber alles begehrte, und ohne den ſie
kuͤnftighin weder leben koͤnnte noch wollte.

So lebendig wird es in der Seele, des
durch die Gnade aufgeweckten und recht-
ſchaffen angegriffenen Suͤnders, wenn es
darum zu thun iſt, daß dem HErrn durch
die neue Geburt ein Gnadenkind ſolle ge-
zeuget werden. Und wie ſelig waͤre es!
wenn alle Geruͤhrte ſich willig in dieſen
Bußkampf fuͤhren lieſſen: aber da ſind viele
unlautere Seelen, die laſſen ſich wohl viele
und oͤftermahl ruͤhren, verſchieben aber mit
Muthwillen den Bußkampf von einer Zeit
zur andern, und ſetzen ſich indeſſen zu denen
vorigen Fleiſchtoͤpfen in Egypten nieder,
machen ſich dabey luſtig, und denken, es
werden dergleichen Ruͤhrungen und Aufwe-
ckungen ſich noch genug melden, und beque-
mere Gelegenheiten zur Bekehrung geben.
Und was iſt hievon der Grund! es ſind mei-
ſtens heimliche Tuͤcke und Bande, die man
nicht gerne ablegen will; es ſind Luͤſte und
ſolche Suͤnden, die dem Fleiſch noch ſehr
lieb und angenehm ſind, die man zu ver-
laͤugnen noch nicht willig iſt; es iſt bey vie-
len eine ſuͤndliche Zaͤrtlichkeit und Bloͤdig-
keit; ſie ſchaͤmen ſich in die Schlammgrube

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[46/0098] Der groſſen und ſeligen Kraft des Blutes und Todes JEſu hatte, noͤthigte, ja riſſe ſie hin, in dem lebendig- ſten Verlangen den zu ſuchen, den ihre See- le nun uͤber alles begehrte, und ohne den ſie kuͤnftighin weder leben koͤnnte noch wollte. So lebendig wird es in der Seele, des durch die Gnade aufgeweckten und recht- ſchaffen angegriffenen Suͤnders, wenn es darum zu thun iſt, daß dem HErrn durch die neue Geburt ein Gnadenkind ſolle ge- zeuget werden. Und wie ſelig waͤre es! wenn alle Geruͤhrte ſich willig in dieſen Bußkampf fuͤhren lieſſen: aber da ſind viele unlautere Seelen, die laſſen ſich wohl viele und oͤftermahl ruͤhren, verſchieben aber mit Muthwillen den Bußkampf von einer Zeit zur andern, und ſetzen ſich indeſſen zu denen vorigen Fleiſchtoͤpfen in Egypten nieder, machen ſich dabey luſtig, und denken, es werden dergleichen Ruͤhrungen und Aufwe- ckungen ſich noch genug melden, und beque- mere Gelegenheiten zur Bekehrung geben. Und was iſt hievon der Grund! es ſind mei- ſtens heimliche Tuͤcke und Bande, die man nicht gerne ablegen will; es ſind Luͤſte und ſolche Suͤnden, die dem Fleiſch noch ſehr lieb und angenehm ſind, die man zu ver- laͤugnen noch nicht willig iſt; es iſt bey vie- len eine ſuͤndliche Zaͤrtlichkeit und Bloͤdig- keit; ſie ſchaͤmen ſich in die Schlammgrube ihres

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/98>, abgerufen am 28.04.2024.