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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
nung zu seinen Seligkeiten entfernet seye.
Die Einsicht in dieses alles machte die See-
le nicht nur recht arm und gebeugt, voller
Schaam und Demüthigung, sondern er-
füllte das Herz mit einem innigen Leidwe-
sen, und legte dasselbe in einer herzlichen
Reue und Traurigkeit in den Staub. Da
fiengen die Schmerzen an, durch welche dem
HErrn in der neuen Geburt ein Gnaden-
kind sollte gebohren werden.

O wie selig sind die Stunden, da eine
Seele in dem Gesichte und Gefühl ihrer
Verdorbenheit und Sünden, voller thrä-
nender Demuth, voller geängstigter Seuf-
zer, voller Leidtragen und Traurigkeit zu
denen Füssen des beleidigten GOttes lieget,
und mit innigstem Sehnen nach Gnade und
Erbarmung ringet. Freylich geht es einer
in der Busse arbeitenden Seele, wie der
Heyland sagt, Joh. 16:21. Ein Weib,
wann sie gebieret, so hat sie Traurig-
keit.
Es kostet mancher ängstliche Kampf,
manche Zerschmelzung, Bekümmerniß und
zu Zeiten Thränen. Wenn sie aber das
Kind gebohren hat, denket sie nicht
mehr an die Bedrängniß, von wegen
der Freude, daß der Mensch zur Welt
gebohren ist.
Wenn die Seele zur Ver-
sohnung und zum Frieden durchgedrungen,
da folget Erquickung und Freude. Die

Buß-

Der groſſen und ſeligen
nung zu ſeinen Seligkeiten entfernet ſeye.
Die Einſicht in dieſes alles machte die See-
le nicht nur recht arm und gebeugt, voller
Schaam und Demuͤthigung, ſondern er-
fuͤllte das Herz mit einem innigen Leidwe-
ſen, und legte daſſelbe in einer herzlichen
Reue und Traurigkeit in den Staub. Da
fiengen die Schmerzen an, durch welche dem
HErrn in der neuen Geburt ein Gnaden-
kind ſollte gebohren werden.

O wie ſelig ſind die Stunden, da eine
Seele in dem Geſichte und Gefuͤhl ihrer
Verdorbenheit und Suͤnden, voller thraͤ-
nender Demuth, voller geaͤngſtigter Seuf-
zer, voller Leidtragen und Traurigkeit zu
denen Fuͤſſen des beleidigten GOttes lieget,
und mit innigſtem Sehnen nach Gnade und
Erbarmung ringet. Freylich geht es einer
in der Buſſe arbeitenden Seele, wie der
Heyland ſagt, Joh. 16:21. Ein Weib,
wann ſie gebieret, ſo hat ſie Traurig-
keit.
Es koſtet mancher aͤngſtliche Kampf,
manche Zerſchmelzung, Bekuͤmmerniß und
zu Zeiten Thraͤnen. Wenn ſie aber das
Kind gebohren hat, denket ſie nicht
mehr an die Bedraͤngniß, von wegen
der Freude, daß der Menſch zur Welt
gebohren iſt.
Wenn die Seele zur Ver-
ſohnung und zum Frieden durchgedrungen,
da folget Erquickung und Freude. Die

Buß-
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[330/0382] Der groſſen und ſeligen nung zu ſeinen Seligkeiten entfernet ſeye. Die Einſicht in dieſes alles machte die See- le nicht nur recht arm und gebeugt, voller Schaam und Demuͤthigung, ſondern er- fuͤllte das Herz mit einem innigen Leidwe- ſen, und legte daſſelbe in einer herzlichen Reue und Traurigkeit in den Staub. Da fiengen die Schmerzen an, durch welche dem HErrn in der neuen Geburt ein Gnaden- kind ſollte gebohren werden. O wie ſelig ſind die Stunden, da eine Seele in dem Geſichte und Gefuͤhl ihrer Verdorbenheit und Suͤnden, voller thraͤ- nender Demuth, voller geaͤngſtigter Seuf- zer, voller Leidtragen und Traurigkeit zu denen Fuͤſſen des beleidigten GOttes lieget, und mit innigſtem Sehnen nach Gnade und Erbarmung ringet. Freylich geht es einer in der Buſſe arbeitenden Seele, wie der Heyland ſagt, Joh. 16:21. Ein Weib, wann ſie gebieret, ſo hat ſie Traurig- keit. Es koſtet mancher aͤngſtliche Kampf, manche Zerſchmelzung, Bekuͤmmerniß und zu Zeiten Thraͤnen. Wenn ſie aber das Kind gebohren hat, denket ſie nicht mehr an die Bedraͤngniß, von wegen der Freude, daß der Menſch zur Welt gebohren iſt. Wenn die Seele zur Ver- ſohnung und zum Frieden durchgedrungen, da folget Erquickung und Freude. Die Buß-

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/382>, abgerufen am 22.11.2024.