Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Thaten der Gnade. IV. Stück. mel zu erlangen genug, wenn man den Na-men eines ehrlichen Mannes oder honetten und ehrbaren Menschen verdiene. Und was ist denn insgemein bey der Welt ein sol- cher ehrlicher Mann? gewiß zu Zeiten kaum ein ehrlicher Heide, nicht einen tollen, der Vernunft widersprechenden und ungebun- denen Wandel führen, sondern in denen Schranken einer äussern Ehrbarkeit leben. Niemand mit Gewalt unterdrucken, son- dern sich einer gewissen Billigkeit in seinen Handlungen befleissen. Die Religion, und das, was heilig ist, nicht öffentlich spotten und mit Füssen tretten, sondern die äusser- lichen Uebungen in dem Christenthum mit machen, das ist meistens der grosse, aber gewiß recht arme und klägliche Begriff, den die Welt von solchen Leuten macht, die sie zum Seligwerden mehr als zu tüchtig hält. Sind schon alle ehemahlige Sünden noch mit Blut in dem Gewissen angeschrieben, ist das Herz schon noch voll von innerlichen Greueln, kennt man kaum den äussern Buchstaben von dem wahren Christenthum, weißt man gleich weder von JEsu als dem einigen Sündentilger etwas rechtschaffenes, noch von der Ordnung, da man allein durch eine wahre innere Bekehrung und lebendi- gen Glauben zu seiner seligmachenden Ge- meinschaft, und der daraus fliessenden Ver- söh- U
Thaten der Gnade. IV. Stuͤck. mel zu erlangen genug, wenn man den Na-men eines ehrlichen Mannes oder honetten und ehrbaren Menſchen verdiene. Und was iſt denn insgemein bey der Welt ein ſol- cher ehrlicher Mann? gewiß zu Zeiten kaum ein ehrlicher Heide, nicht einen tollen, der Vernunft widerſprechenden und ungebun- denen Wandel fuͤhren, ſondern in denen Schranken einer aͤuſſern Ehrbarkeit leben. Niemand mit Gewalt unterdrucken, ſon- dern ſich einer gewiſſen Billigkeit in ſeinen Handlungen befleiſſen. Die Religion, und das, was heilig iſt, nicht oͤffentlich ſpotten und mit Fuͤſſen tretten, ſondern die aͤuſſer- lichen Uebungen in dem Chriſtenthum mit machen, das iſt meiſtens der groſſe, aber gewiß recht arme und klaͤgliche Begriff, den die Welt von ſolchen Leuten macht, die ſie zum Seligwerden mehr als zu tuͤchtig haͤlt. Sind ſchon alle ehemahlige Suͤnden noch mit Blut in dem Gewiſſen angeſchrieben, iſt das Herz ſchon noch voll von innerlichen Greueln, kennt man kaum den aͤuſſern Buchſtaben von dem wahren Chriſtenthum, weißt man gleich weder von JEſu als dem einigen Suͤndentilger etwas rechtſchaffenes, noch von der Ordnung, da man allein durch eine wahre innere Bekehrung und lebendi- gen Glauben zu ſeiner ſeligmachenden Ge- meinſchaft, und der daraus flieſſenden Ver- ſoͤh- U
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Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
mel zu erlangen genug, wenn man den Na-
men eines ehrlichen Mannes oder honetten
und ehrbaren Menſchen verdiene. Und
was iſt denn insgemein bey der Welt ein ſol-
cher ehrlicher Mann? gewiß zu Zeiten kaum
ein ehrlicher Heide, nicht einen tollen, der
Vernunft widerſprechenden und ungebun-
denen Wandel fuͤhren, ſondern in denen
Schranken einer aͤuſſern Ehrbarkeit leben.
Niemand mit Gewalt unterdrucken, ſon-
dern ſich einer gewiſſen Billigkeit in ſeinen
Handlungen befleiſſen. Die Religion, und
das, was heilig iſt, nicht oͤffentlich ſpotten
und mit Fuͤſſen tretten, ſondern die aͤuſſer-
lichen Uebungen in dem Chriſtenthum mit
machen, das iſt meiſtens der groſſe, aber
gewiß recht arme und klaͤgliche Begriff, den
die Welt von ſolchen Leuten macht, die ſie
zum Seligwerden mehr als zu tuͤchtig haͤlt.
Sind ſchon alle ehemahlige Suͤnden noch
mit Blut in dem Gewiſſen angeſchrieben,
iſt das Herz ſchon noch voll von innerlichen
Greueln, kennt man kaum den aͤuſſern
Buchſtaben von dem wahren Chriſtenthum,
weißt man gleich weder von JEſu als dem
einigen Suͤndentilger etwas rechtſchaffenes,
noch von der Ordnung, da man allein durch
eine wahre innere Bekehrung und lebendi-
gen Glauben zu ſeiner ſeligmachenden Ge-
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