Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Thaten der Gnade. IV. Stück. chen Umständen trittet sie in die Ehe, durchwelche ihr manche Gelegenheit zu dem vor- hin geliebten ausschweifenden Wesen benom- men wird, dieses hatte auch die Würkung, daß sie in manchem stiller und eingezogener lebte, und sich einer äusserlichen Ehrbarkeit befliesse, wordurch sie sich bey jedermann einen guten Nahmen machte, und sich die Liebe ihres Nächsten zuzoge. Das Herze blieb aber unverändert wie vorhin, und es zeigte sich auch der wenigste Schein nicht, zu einem wahren Wesen der Gottseligkeit. So ändert mancher Mensch seinen schrey-
Thaten der Gnade. IV. Stuͤck. chen Umſtaͤnden trittet ſie in die Ehe, durchwelche ihr manche Gelegenheit zu dem vor- hin geliebten ausſchweifenden Weſen benom- men wird, dieſes hatte auch die Wuͤrkung, daß ſie in manchem ſtiller und eingezogener lebte, und ſich einer aͤuſſerlichen Ehrbarkeit beflieſſe, wordurch ſie ſich bey jedermann einen guten Nahmen machte, und ſich die Liebe ihres Naͤchſten zuzoge. Das Herze blieb aber unveraͤndert wie vorhin, und es zeigte ſich auch der wenigſte Schein nicht, zu einem wahren Weſen der Gottſeligkeit. So aͤndert mancher Menſch ſeinen ſchrey-
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Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
chen Umſtaͤnden trittet ſie in die Ehe, durch
welche ihr manche Gelegenheit zu dem vor-
hin geliebten ausſchweifenden Weſen benom-
men wird, dieſes hatte auch die Wuͤrkung,
daß ſie in manchem ſtiller und eingezogener
lebte, und ſich einer aͤuſſerlichen Ehrbarkeit
beflieſſe, wordurch ſie ſich bey jedermann
einen guten Nahmen machte, und ſich die
Liebe ihres Naͤchſten zuzoge. Das Herze
blieb aber unveraͤndert wie vorhin, und es
zeigte ſich auch der wenigſte Schein nicht, zu
einem wahren Weſen der Gottſeligkeit.
So aͤndert mancher Menſch ſeinen
Stand, aber ſein Herze nicht, und betruͤ-
get ſich dabey noch klaͤglich fuͤr die Ewigkeit.
Jſt mancher Menſch in einem ungebunde-
nen und eiteln Weſen vorhin recht trunken
geweſen, wird er aber durch dieſe und jene
veranderte Umſtaͤnde ſeines Lebens ſittſa-
mer und eingezogener, ſo bildet er ſich wohl
ſo viel auf ſeine vermeinte Aenderung ein,
und erwirbet ſich gar leicht bey der Welt
viel Ruhm und Lob. Was iſt aber bey
denen meiſten Menſchen dieſe Aenderung?
Nichts anders als ein Dunſt und Schatten;
die Wunden der Seele bleiben, die Liebe zu
denen vorigen Suͤnden, und die alten Feinde
behalten ihre Herrſchaft in dem Herzen, nur
daß ſie ſich tiefer und heimlicher verſtecken,
oder die arme Seele aus offenbareren und
ſchrey-
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