Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Thaten der Gnade. III. Stück.
hier nicht so leicht hergehe. Leichtsinnige
und unerfahrne Menschen bilden sich ein,
sie können bey allem ungebrochenen Wesen,
ja bey ihren noch herrschenden Sünden, bey
den muthwilligen und vorsetzlichen Ueber-
trettungen, und allem Entschuldigen und
Bemänteln derselben, noch Glauben haben,
wenn man nur keinem Zweifel Platz lasse,
der Erkänntniß von JEsu äusserlich Bey-
fall gebe, sich auf die Barmherzigkeit GOt-
tes verlasse, so seye schon alles gut. Hin-
gegen wer in dem göttlichen Licht, sich in
seiner Unreinigkeit, Todes- und Fluchwür-
digkeit, JEsum aber in seiner Reinigkeit
und Heiligkeit erblicket, der wird gewiß
manchen Kampf aushalten müssen, bis er
glauben lernet, JEsus könne, wolle und
werde auch sein Heyland, Versöhner,
Freund und Erretter seyn. Damit aber keine
Seele sich weder mit einem falschen Glauben
betrüge, noch sich auch durch unzeitige Furcht
von dem wahren Glauben aufhalten lasse,
so merke auf folgende Kennzeichen des Glau-
bens: 1. Findest du bey dir eine wahre
Armuth des Geistes, ein Verzagen und ei-
ne wahre Ausgeleerheit an aller eigenen Gut-
heit, und von aller eigenen Gerechtigkeit.
2. Jst dein Herz aufrichtig wegen deinen
Sünden zerknirschet und leidtragend, zei-
get sich darinnen ein Haß, Eckel und Ab-

scheuen

Thaten der Gnade. III. Stuͤck.
hier nicht ſo leicht hergehe. Leichtſinnige
und unerfahrne Menſchen bilden ſich ein,
ſie koͤnnen bey allem ungebrochenen Weſen,
ja bey ihren noch herrſchenden Suͤnden, bey
den muthwilligen und vorſetzlichen Ueber-
trettungen, und allem Entſchuldigen und
Bemaͤnteln derſelben, noch Glauben haben,
wenn man nur keinem Zweifel Platz laſſe,
der Erkaͤnntniß von JEſu aͤuſſerlich Bey-
fall gebe, ſich auf die Barmherzigkeit GOt-
tes verlaſſe, ſo ſeye ſchon alles gut. Hin-
gegen wer in dem goͤttlichen Licht, ſich in
ſeiner Unreinigkeit, Todes- und Fluchwuͤr-
digkeit, JEſum aber in ſeiner Reinigkeit
und Heiligkeit erblicket, der wird gewiß
manchen Kampf aushalten muͤſſen, bis er
glauben lernet, JEſus koͤnne, wolle und
werde auch ſein Heyland, Verſoͤhner,
Freund und Erretter ſeyn. Damit aber keine
Seele ſich weder mit einem falſchen Glauben
betruͤge, noch ſich auch durch unzeitige Furcht
von dem wahren Glauben aufhalten laſſe,
ſo merke auf folgende Kennzeichen des Glau-
bens: 1. Findeſt du bey dir eine wahre
Armuth des Geiſtes, ein Verzagen und ei-
ne wahre Ausgeleerheit an aller eigenen Gut-
heit, und von aller eigenen Gerechtigkeit.
2. Jſt dein Herz aufrichtig wegen deinen
Suͤnden zerknirſchet und leidtragend, zei-
get ſich darinnen ein Haß, Eckel und Ab-

ſcheuen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0323" n="271"/><fw place="top" type="header">Thaten der Gnade. <hi rendition="#aq">III</hi>. Stu&#x0364;ck.</fw><lb/>
hier nicht &#x017F;o leicht hergehe. Leicht&#x017F;innige<lb/>
und unerfahrne Men&#x017F;chen bilden &#x017F;ich ein,<lb/>
&#x017F;ie ko&#x0364;nnen bey allem ungebrochenen We&#x017F;en,<lb/>
ja bey ihren noch herr&#x017F;chenden Su&#x0364;nden, bey<lb/>
den muthwilligen und vor&#x017F;etzlichen Ueber-<lb/>
trettungen, und allem Ent&#x017F;chuldigen und<lb/>
Bema&#x0364;nteln der&#x017F;elben, noch Glauben haben,<lb/>
wenn man nur keinem Zweifel Platz la&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
der Erka&#x0364;nntniß von JE&#x017F;u a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich Bey-<lb/>
fall gebe, &#x017F;ich auf die Barmherzigkeit GOt-<lb/>
tes verla&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;o &#x017F;eye &#x017F;chon alles gut. Hin-<lb/>
gegen wer in dem go&#x0364;ttlichen Licht, &#x017F;ich in<lb/>
&#x017F;einer Unreinigkeit, Todes- und Fluchwu&#x0364;r-<lb/>
digkeit, JE&#x017F;um aber in &#x017F;einer Reinigkeit<lb/>
und Heiligkeit erblicket, der wird gewiß<lb/>
manchen Kampf aushalten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, bis er<lb/>
glauben lernet, JE&#x017F;us ko&#x0364;nne, wolle und<lb/>
werde auch &#x017F;ein Heyland, Ver&#x017F;o&#x0364;hner,<lb/>
Freund und Erretter &#x017F;eyn. Damit aber keine<lb/>
Seele &#x017F;ich weder mit einem fal&#x017F;chen Glauben<lb/>
betru&#x0364;ge, noch &#x017F;ich auch durch unzeitige Furcht<lb/>
von dem wahren Glauben aufhalten la&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
&#x017F;o merke auf folgende Kennzeichen des Glau-<lb/>
bens: 1. Finde&#x017F;t du bey dir eine wahre<lb/>
Armuth des Gei&#x017F;tes, ein Verzagen und ei-<lb/>
ne wahre Ausgeleerheit an aller eigenen Gut-<lb/>
heit, und von aller eigenen Gerechtigkeit.<lb/>
2. J&#x017F;t dein Herz aufrichtig wegen deinen<lb/>
Su&#x0364;nden zerknir&#x017F;chet und leidtragend, zei-<lb/>
get &#x017F;ich darinnen ein Haß, Eckel und Ab-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;cheuen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0323] Thaten der Gnade. III. Stuͤck. hier nicht ſo leicht hergehe. Leichtſinnige und unerfahrne Menſchen bilden ſich ein, ſie koͤnnen bey allem ungebrochenen Weſen, ja bey ihren noch herrſchenden Suͤnden, bey den muthwilligen und vorſetzlichen Ueber- trettungen, und allem Entſchuldigen und Bemaͤnteln derſelben, noch Glauben haben, wenn man nur keinem Zweifel Platz laſſe, der Erkaͤnntniß von JEſu aͤuſſerlich Bey- fall gebe, ſich auf die Barmherzigkeit GOt- tes verlaſſe, ſo ſeye ſchon alles gut. Hin- gegen wer in dem goͤttlichen Licht, ſich in ſeiner Unreinigkeit, Todes- und Fluchwuͤr- digkeit, JEſum aber in ſeiner Reinigkeit und Heiligkeit erblicket, der wird gewiß manchen Kampf aushalten muͤſſen, bis er glauben lernet, JEſus koͤnne, wolle und werde auch ſein Heyland, Verſoͤhner, Freund und Erretter ſeyn. Damit aber keine Seele ſich weder mit einem falſchen Glauben betruͤge, noch ſich auch durch unzeitige Furcht von dem wahren Glauben aufhalten laſſe, ſo merke auf folgende Kennzeichen des Glau- bens: 1. Findeſt du bey dir eine wahre Armuth des Geiſtes, ein Verzagen und ei- ne wahre Ausgeleerheit an aller eigenen Gut- heit, und von aller eigenen Gerechtigkeit. 2. Jſt dein Herz aufrichtig wegen deinen Suͤnden zerknirſchet und leidtragend, zei- get ſich darinnen ein Haß, Eckel und Ab- ſcheuen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/323
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/323>, abgerufen am 14.05.2024.