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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
keit, der Zerschmelzung und Zerbrechung
der Herzen durchwatten, aber ehrliche Leu-
te, die ehrbar und tugendhaft (wie man es
nennet) wandlen, die durch grobe Misse-
thaten sich nicht befleckten, die niemand un-
recht thäten, und betrübten, die den Got-
tesdienst fleißig besuchten, und anderer gu-
ter Werke sich befliessen, solche hätten nicht
nöthig solche Bekehrungswege zu gehen,
ja bey ihnen wäre es unmöglich, daß eine
solche Sündenerkenntniß und Beugung
könnte statt haben. Aber ach wie betrügen
solche arme Menschen ihre Seelen nicht!
Findest du o Seele schon keine tödtliche
Blutflecken von groben heidnischen Uebel-
thaten und garstigen Befleckungen an dir,
o so würdest du doch gewiß genug zu sehen
kriegen, wenn GOtt dir die Gnade erwiese,
daß du einen rechten Blick in dein Herz
thun könntest, um das Ungeziefer und die
Schlangenbrut zu sehen, die darinnen wim-
len, da würdest du vor allem aus dem Greu-
el aller Greueln, die unreine Quelle, daraus
alle andere auch die grösten Sünden fliessen,
erblicken, nämlich die Erbsünde, da wür-
dest du in dem göttlichen Licht deinen herr-
schenden und verdammlichen Unglauben,
deine Welt, Creatur und Eigenliebe, Hoch-
muth, Geitz, Rache, deine Sicherheit, dein
ganz todtes und erstorbenes Wesen gewahr

wer-

Der groſſen und ſeligen
keit, der Zerſchmelzung und Zerbrechung
der Herzen durchwatten, aber ehrliche Leu-
te, die ehrbar und tugendhaft (wie man es
nennet) wandlen, die durch grobe Miſſe-
thaten ſich nicht befleckten, die niemand un-
recht thaͤten, und betruͤbten, die den Got-
tesdienſt fleißig beſuchten, und anderer gu-
ter Werke ſich beflieſſen, ſolche haͤtten nicht
noͤthig ſolche Bekehrungswege zu gehen,
ja bey ihnen waͤre es unmoͤglich, daß eine
ſolche Suͤndenerkenntniß und Beugung
koͤnnte ſtatt haben. Aber ach wie betruͤgen
ſolche arme Menſchen ihre Seelen nicht!
Findeſt du o Seele ſchon keine toͤdtliche
Blutflecken von groben heidniſchen Uebel-
thaten und garſtigen Befleckungen an dir,
o ſo wuͤrdeſt du doch gewiß genug zu ſehen
kriegen, wenn GOtt dir die Gnade erwieſe,
daß du einen rechten Blick in dein Herz
thun koͤnnteſt, um das Ungeziefer und die
Schlangenbrut zu ſehen, die darinnen wim-
len, da wuͤrdeſt du vor allem aus dem Greu-
el aller Greueln, die unreine Quelle, daraus
alle andere auch die groͤſten Suͤnden flieſſen,
erblicken, naͤmlich die Erbſuͤnde, da wuͤr-
deſt du in dem goͤttlichen Licht deinen herr-
ſchenden und verdammlichen Unglauben,
deine Welt, Creatur und Eigenliebe, Hoch-
muth, Geitz, Rache, deine Sicherheit, dein
ganz todtes und erſtorbenes Weſen gewahr

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[136/0188] Der groſſen und ſeligen keit, der Zerſchmelzung und Zerbrechung der Herzen durchwatten, aber ehrliche Leu- te, die ehrbar und tugendhaft (wie man es nennet) wandlen, die durch grobe Miſſe- thaten ſich nicht befleckten, die niemand un- recht thaͤten, und betruͤbten, die den Got- tesdienſt fleißig beſuchten, und anderer gu- ter Werke ſich beflieſſen, ſolche haͤtten nicht noͤthig ſolche Bekehrungswege zu gehen, ja bey ihnen waͤre es unmoͤglich, daß eine ſolche Suͤndenerkenntniß und Beugung koͤnnte ſtatt haben. Aber ach wie betruͤgen ſolche arme Menſchen ihre Seelen nicht! Findeſt du o Seele ſchon keine toͤdtliche Blutflecken von groben heidniſchen Uebel- thaten und garſtigen Befleckungen an dir, o ſo wuͤrdeſt du doch gewiß genug zu ſehen kriegen, wenn GOtt dir die Gnade erwieſe, daß du einen rechten Blick in dein Herz thun koͤnnteſt, um das Ungeziefer und die Schlangenbrut zu ſehen, die darinnen wim- len, da wuͤrdeſt du vor allem aus dem Greu- el aller Greueln, die unreine Quelle, daraus alle andere auch die groͤſten Suͤnden flieſſen, erblicken, naͤmlich die Erbſuͤnde, da wuͤr- deſt du in dem goͤttlichen Licht deinen herr- ſchenden und verdammlichen Unglauben, deine Welt, Creatur und Eigenliebe, Hoch- muth, Geitz, Rache, deine Sicherheit, dein ganz todtes und erſtorbenes Weſen gewahr wer-

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/188>, abgerufen am 28.04.2024.