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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. II. Stück.
Sahe sie die nahen hohen Berge an, so wurde
sie mit Angst und Schrecken erfüllet, denn
sie dachte, deine Sünden sind noch weit
mehr aufgehäufet, sie reichen biß in den
Himmel, und schreyen da um Rache, und
so werden sie dermahleins deiner Seele eine
weit schwerere und unerträglichere Last und
Bürde seyn, wenn du zu denen Bergen
und Felsen sprechen wirst, fallet auf mich,
und bedecket mich, für dem Angesichte des-
sen, der auf dem Stuhle sitzet, und für
dem Zorne des Lammes. Erblickte sie den
sünd- und lasterhaftesten Menschen, so war
ihr Urtheil, er ist noch bey seinem elenden
und traurigen Wesen noch besser und glück-
seliger als du; hätte er die Mittel der Gna-
de gehabt, die du von Jugend auf genossen,
würde GOtt das an ihn gewandt haben,
was er an dir gethan, so würde er schon
längstens zum Leben durchgedrungen, und
nun zu einem Denkmahle der Ehre und
Verherrlichung GOttes aufgerichtet stehen.
Jst schon dieser dein armer Nächster böse,
so hat er daneben doch auch gutes an sich,
aber in mir ist nichts, als ein böser und
fauler Grund, der zu nichts anders taugt,
als GOtt zu betrüben, den Nächsten zu är-
gern, und denen eigenen Angehörigen zur
Beschwerde zu werden. Und so wurde sie
durch die Aufdeckung der Sünden in den

Stand
J 3

Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
Sahe ſie die nahen hohen Berge an, ſo wurde
ſie mit Angſt und Schrecken erfuͤllet, denn
ſie dachte, deine Suͤnden ſind noch weit
mehr aufgehaͤufet, ſie reichen biß in den
Himmel, und ſchreyen da um Rache, und
ſo werden ſie dermahleins deiner Seele eine
weit ſchwerere und unertraͤglichere Laſt und
Buͤrde ſeyn, wenn du zu denen Bergen
und Felſen ſprechen wirſt, fallet auf mich,
und bedecket mich, fuͤr dem Angeſichte deſ-
ſen, der auf dem Stuhle ſitzet, und fuͤr
dem Zorne des Lammes. Erblickte ſie den
ſuͤnd- und laſterhafteſten Menſchen, ſo war
ihr Urtheil, er iſt noch bey ſeinem elenden
und traurigen Weſen noch beſſer und gluͤck-
ſeliger als du; haͤtte er die Mittel der Gna-
de gehabt, die du von Jugend auf genoſſen,
wuͤrde GOtt das an ihn gewandt haben,
was er an dir gethan, ſo wuͤrde er ſchon
laͤngſtens zum Leben durchgedrungen, und
nun zu einem Denkmahle der Ehre und
Verherrlichung GOttes aufgerichtet ſtehen.
Jſt ſchon dieſer dein armer Naͤchſter boͤſe,
ſo hat er daneben doch auch gutes an ſich,
aber in mir iſt nichts, als ein boͤſer und
fauler Grund, der zu nichts anders taugt,
als GOtt zu betruͤben, den Naͤchſten zu aͤr-
gern, und denen eigenen Angehoͤrigen zur
Beſchwerde zu werden. Und ſo wurde ſie
durch die Aufdeckung der Suͤnden in den

Stand
J 3
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[133/0185] Thaten der Gnade. II. Stuͤck. Sahe ſie die nahen hohen Berge an, ſo wurde ſie mit Angſt und Schrecken erfuͤllet, denn ſie dachte, deine Suͤnden ſind noch weit mehr aufgehaͤufet, ſie reichen biß in den Himmel, und ſchreyen da um Rache, und ſo werden ſie dermahleins deiner Seele eine weit ſchwerere und unertraͤglichere Laſt und Buͤrde ſeyn, wenn du zu denen Bergen und Felſen ſprechen wirſt, fallet auf mich, und bedecket mich, fuͤr dem Angeſichte deſ- ſen, der auf dem Stuhle ſitzet, und fuͤr dem Zorne des Lammes. Erblickte ſie den ſuͤnd- und laſterhafteſten Menſchen, ſo war ihr Urtheil, er iſt noch bey ſeinem elenden und traurigen Weſen noch beſſer und gluͤck- ſeliger als du; haͤtte er die Mittel der Gna- de gehabt, die du von Jugend auf genoſſen, wuͤrde GOtt das an ihn gewandt haben, was er an dir gethan, ſo wuͤrde er ſchon laͤngſtens zum Leben durchgedrungen, und nun zu einem Denkmahle der Ehre und Verherrlichung GOttes aufgerichtet ſtehen. Jſt ſchon dieſer dein armer Naͤchſter boͤſe, ſo hat er daneben doch auch gutes an ſich, aber in mir iſt nichts, als ein boͤſer und fauler Grund, der zu nichts anders taugt, als GOtt zu betruͤben, den Naͤchſten zu aͤr- gern, und denen eigenen Angehoͤrigen zur Beſchwerde zu werden. Und ſo wurde ſie durch die Aufdeckung der Suͤnden in den Stand J 3

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/185>, abgerufen am 28.04.2024.