Da aber der HErr seinen Frieden und Versöhnung, und also die wahre Ruhe der Seelen dem Menschen nicht anders als in sei- nem Sohn dem Heyland, und dem An- theil an seiner blutigen Gerechtigkeit schen- ken kann, der HErr JEsus aber einer Seele nicht ehender nöthig werden kann, als biß sie ihre Sünden mit der ganzen drückenden Last, und den traurigen Folgen derselben lebendig kennen und fühlen lernt, so ließ nun der HErr nach diesen Vorbereitungen je mehr und mehr die Morgenröthe der Gnade in ihr aufgehen, um sie in derselben alle Abgründe ihres natürlichen Verderbens sehen zu lassen, und sie zu reitzen, mit ihren Wunden und tödtlicher Seelenkrankheit zu dem Arzt und seinen Wunden zu fliehen. Es ist erstaunend! was der HErr hierinnen an ihr gethan hat. Sie war eine Person, von der man nicht sagen konnte, daß sie ei- nen argen, und mit gar zu groben Aus- brüchen befleckten Wandel geführet, aber dessen ungeachtet lernte sie in dem göttlichen Licht, und durch die Strahlen der himmli- schen Erleuchtung nach und nach das sündli- che Verderben nach allen Theilen, und die unergründliche Tiefen derselben in ihr so lebendig einsehen, daß sie einmahl gegen ih- ren Lehrer sich hievon mit folgenden Wor- ten ausgedrucket: Sie seye mitten in
der
J
Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
Da aber der HErr ſeinen Frieden und Verſoͤhnung, und alſo die wahre Ruhe der Seelen dem Menſchen nicht anders als in ſei- nem Sohn dem Heyland, und dem An- theil an ſeiner blutigen Gerechtigkeit ſchen- ken kann, der HErr JEſus aber einer Seele nicht ehender noͤthig werden kann, als biß ſie ihre Suͤnden mit der ganzen druͤckenden Laſt, und den traurigen Folgen derſelben lebendig kennen und fuͤhlen lernt, ſo ließ nun der HErr nach dieſen Vorbereitungen je mehr und mehr die Morgenroͤthe der Gnade in ihr aufgehen, um ſie in derſelben alle Abgruͤnde ihres natuͤrlichen Verderbens ſehen zu laſſen, und ſie zu reitzen, mit ihren Wunden und toͤdtlicher Seelenkrankheit zu dem Arzt und ſeinen Wunden zu fliehen. Es iſt erſtaunend! was der HErr hierinnen an ihr gethan hat. Sie war eine Perſon, von der man nicht ſagen konnte, daß ſie ei- nen argen, und mit gar zu groben Aus- bruͤchen befleckten Wandel gefuͤhret, aber deſſen ungeachtet lernte ſie in dem goͤttlichen Licht, und durch die Strahlen der himmli- ſchen Erleuchtung nach und nach das ſuͤndli- che Verderben nach allen Theilen, und die unergruͤndliche Tiefen derſelben in ihr ſo lebendig einſehen, daß ſie einmahl gegen ih- ren Lehrer ſich hievon mit folgenden Wor- ten ausgedrucket: Sie ſeye mitten in
der
J
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0181"n="129"/><fwplace="top"type="header">Thaten der Gnade. <hirendition="#aq">II</hi>. Stuͤck.</fw><lb/><p>Da aber der HErr ſeinen Frieden und<lb/>
Verſoͤhnung, und alſo die wahre Ruhe der<lb/>
Seelen dem Menſchen nicht anders als in ſei-<lb/>
nem Sohn dem Heyland, und dem An-<lb/>
theil an ſeiner blutigen Gerechtigkeit ſchen-<lb/>
ken kann, der HErr JEſus aber einer Seele<lb/>
nicht ehender noͤthig werden kann, als biß<lb/>ſie ihre Suͤnden mit der ganzen druͤckenden<lb/>
Laſt, und den traurigen Folgen derſelben<lb/>
lebendig kennen und fuͤhlen lernt, ſo ließ<lb/>
nun der HErr nach dieſen Vorbereitungen<lb/>
je mehr und mehr die Morgenroͤthe der<lb/>
Gnade in ihr aufgehen, um ſie in derſelben<lb/>
alle Abgruͤnde ihres natuͤrlichen Verderbens<lb/>ſehen zu laſſen, und ſie zu reitzen, mit ihren<lb/>
Wunden und toͤdtlicher Seelenkrankheit zu<lb/>
dem Arzt und ſeinen Wunden zu fliehen.<lb/>
Es iſt erſtaunend! was der HErr hierinnen<lb/>
an ihr gethan hat. Sie war eine Perſon,<lb/>
von der man nicht ſagen konnte, daß ſie ei-<lb/>
nen argen, und mit gar zu groben Aus-<lb/>
bruͤchen befleckten Wandel gefuͤhret, aber<lb/>
deſſen ungeachtet lernte ſie in dem goͤttlichen<lb/>
Licht, und durch die Strahlen der himmli-<lb/>ſchen Erleuchtung nach und nach das ſuͤndli-<lb/>
che Verderben nach allen Theilen, und die<lb/>
unergruͤndliche Tiefen derſelben in ihr ſo<lb/>
lebendig einſehen, daß ſie einmahl gegen ih-<lb/>
ren Lehrer ſich hievon mit folgenden Wor-<lb/>
ten ausgedrucket: <hirendition="#fr">Sie ſeye mitten in</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">J</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">der</hi></fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[129/0181]
Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
Da aber der HErr ſeinen Frieden und
Verſoͤhnung, und alſo die wahre Ruhe der
Seelen dem Menſchen nicht anders als in ſei-
nem Sohn dem Heyland, und dem An-
theil an ſeiner blutigen Gerechtigkeit ſchen-
ken kann, der HErr JEſus aber einer Seele
nicht ehender noͤthig werden kann, als biß
ſie ihre Suͤnden mit der ganzen druͤckenden
Laſt, und den traurigen Folgen derſelben
lebendig kennen und fuͤhlen lernt, ſo ließ
nun der HErr nach dieſen Vorbereitungen
je mehr und mehr die Morgenroͤthe der
Gnade in ihr aufgehen, um ſie in derſelben
alle Abgruͤnde ihres natuͤrlichen Verderbens
ſehen zu laſſen, und ſie zu reitzen, mit ihren
Wunden und toͤdtlicher Seelenkrankheit zu
dem Arzt und ſeinen Wunden zu fliehen.
Es iſt erſtaunend! was der HErr hierinnen
an ihr gethan hat. Sie war eine Perſon,
von der man nicht ſagen konnte, daß ſie ei-
nen argen, und mit gar zu groben Aus-
bruͤchen befleckten Wandel gefuͤhret, aber
deſſen ungeachtet lernte ſie in dem goͤttlichen
Licht, und durch die Strahlen der himmli-
ſchen Erleuchtung nach und nach das ſuͤndli-
che Verderben nach allen Theilen, und die
unergruͤndliche Tiefen derſelben in ihr ſo
lebendig einſehen, daß ſie einmahl gegen ih-
ren Lehrer ſich hievon mit folgenden Wor-
ten ausgedrucket: Sie ſeye mitten in
der
J
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/181>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.