Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Thaten der Gnade. II. Stück.
gegen ihren Jammer kein Vergnügen su-
chen, in der Creatur und bey denen Men-
schen wußte sie weder Trost, weder Rath
noch Erleichterung, zu dem Heyland aber
hatte sie kein Herz, und die Wege zu ihm
waren ihrer Seele sehr zuwider.

O wie bey vielen Menschen zeigen die
argen Feinde eben solche Liste und Ränke!
Wenn der HErr gewisse Wege mit ihnen
einschlägt, und sie durch dieselbige zur Gna-
de und zum Leben zu führen, oder diese
und jene Mittel anwendet, die der Seele
zum Segen dienen sollten, so kommt der
Feind, und macht just das, wodurch der
HErr der Seele helfen will, bitter und un-
erträglich, stürmt und wütet am meisten,
und setzet seine gröste List, Macht und Kräf-
te an, wenn man durch diese Wege und
Mittel zu dem HErrn übergehen soll. Da
wird der unerfahrne Mensch irre, und gänz-
lich verlegen, er meynt in solchen verwirr-
ten Umständen und dunkelen Stunden das-
jenige vermehre noch seinen Jammer, da-
von man ihm saget, daß es ein Mittel zum
Leben seiner Seele sey. Das böseste hiebey
ist dieses, daß solche Menschen andern er-
fahrnen Christen keinen Glauben beymessen;
man mag ihnen sagen was man will, so
halten sie dafür, man habe entweder nicht
Licht und Erfahrung genug, oder man kenne

die
H 4

Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
gegen ihren Jammer kein Vergnuͤgen ſu-
chen, in der Creatur und bey denen Men-
ſchen wußte ſie weder Troſt, weder Rath
noch Erleichterung, zu dem Heyland aber
hatte ſie kein Herz, und die Wege zu ihm
waren ihrer Seele ſehr zuwider.

O wie bey vielen Menſchen zeigen die
argen Feinde eben ſolche Liſte und Raͤnke!
Wenn der HErr gewiſſe Wege mit ihnen
einſchlaͤgt, und ſie durch dieſelbige zur Gna-
de und zum Leben zu fuͤhren, oder dieſe
und jene Mittel anwendet, die der Seele
zum Segen dienen ſollten, ſo kommt der
Feind, und macht juſt das, wodurch der
HErr der Seele helfen will, bitter und un-
ertraͤglich, ſtuͤrmt und wuͤtet am meiſten,
und ſetzet ſeine groͤſte Liſt, Macht und Kraͤf-
te an, wenn man durch dieſe Wege und
Mittel zu dem HErrn uͤbergehen ſoll. Da
wird der unerfahrne Menſch irre, und gaͤnz-
lich verlegen, er meynt in ſolchen verwirr-
ten Umſtaͤnden und dunkelen Stunden das-
jenige vermehre noch ſeinen Jammer, da-
von man ihm ſaget, daß es ein Mittel zum
Leben ſeiner Seele ſey. Das boͤſeſte hiebey
iſt dieſes, daß ſolche Menſchen andern er-
fahrnen Chriſten keinen Glauben beymeſſen;
man mag ihnen ſagen was man will, ſo
halten ſie dafuͤr, man habe entweder nicht
Licht und Erfahrung genug, oder man kenne

die
H 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="119"/><fw place="top" type="header">Thaten der Gnade. <hi rendition="#aq">II</hi>. Stu&#x0364;ck.</fw><lb/>
gegen ihren Jammer kein Vergnu&#x0364;gen &#x017F;u-<lb/>
chen, in der Creatur und bey denen Men-<lb/>
&#x017F;chen wußte &#x017F;ie weder Tro&#x017F;t, weder Rath<lb/>
noch Erleichterung, zu dem Heyland aber<lb/>
hatte &#x017F;ie kein Herz, und die Wege zu ihm<lb/>
waren ihrer Seele &#x017F;ehr zuwider.</p><lb/>
        <p>O wie bey vielen Men&#x017F;chen zeigen die<lb/>
argen Feinde eben &#x017F;olche Li&#x017F;te und Ra&#x0364;nke!<lb/>
Wenn der HErr gewi&#x017F;&#x017F;e Wege mit ihnen<lb/>
ein&#x017F;chla&#x0364;gt, und &#x017F;ie durch die&#x017F;elbige zur Gna-<lb/>
de und zum Leben zu fu&#x0364;hren, oder die&#x017F;e<lb/>
und jene Mittel anwendet, die der Seele<lb/>
zum Segen dienen &#x017F;ollten, &#x017F;o kommt der<lb/>
Feind, und macht ju&#x017F;t das, wodurch der<lb/>
HErr der Seele helfen will, bitter und un-<lb/>
ertra&#x0364;glich, &#x017F;tu&#x0364;rmt und wu&#x0364;tet am mei&#x017F;ten,<lb/>
und &#x017F;etzet &#x017F;eine gro&#x0364;&#x017F;te Li&#x017F;t, Macht und Kra&#x0364;f-<lb/>
te an, wenn man durch die&#x017F;e Wege und<lb/>
Mittel zu dem HErrn u&#x0364;bergehen &#x017F;oll. Da<lb/>
wird der unerfahrne Men&#x017F;ch irre, und ga&#x0364;nz-<lb/>
lich verlegen, er meynt in &#x017F;olchen verwirr-<lb/>
ten Um&#x017F;ta&#x0364;nden und dunkelen Stunden das-<lb/>
jenige vermehre noch &#x017F;einen Jammer, da-<lb/>
von man ihm &#x017F;aget, daß es ein Mittel zum<lb/>
Leben &#x017F;einer Seele &#x017F;ey. Das bo&#x0364;&#x017F;e&#x017F;te hiebey<lb/>
i&#x017F;t die&#x017F;es, daß &#x017F;olche Men&#x017F;chen andern er-<lb/>
fahrnen Chri&#x017F;ten keinen Glauben beyme&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
man mag ihnen &#x017F;agen was man will, &#x017F;o<lb/>
halten &#x017F;ie dafu&#x0364;r, man habe entweder nicht<lb/>
Licht und Erfahrung genug, oder man kenne<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 4</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0171] Thaten der Gnade. II. Stuͤck. gegen ihren Jammer kein Vergnuͤgen ſu- chen, in der Creatur und bey denen Men- ſchen wußte ſie weder Troſt, weder Rath noch Erleichterung, zu dem Heyland aber hatte ſie kein Herz, und die Wege zu ihm waren ihrer Seele ſehr zuwider. O wie bey vielen Menſchen zeigen die argen Feinde eben ſolche Liſte und Raͤnke! Wenn der HErr gewiſſe Wege mit ihnen einſchlaͤgt, und ſie durch dieſelbige zur Gna- de und zum Leben zu fuͤhren, oder dieſe und jene Mittel anwendet, die der Seele zum Segen dienen ſollten, ſo kommt der Feind, und macht juſt das, wodurch der HErr der Seele helfen will, bitter und un- ertraͤglich, ſtuͤrmt und wuͤtet am meiſten, und ſetzet ſeine groͤſte Liſt, Macht und Kraͤf- te an, wenn man durch dieſe Wege und Mittel zu dem HErrn uͤbergehen ſoll. Da wird der unerfahrne Menſch irre, und gaͤnz- lich verlegen, er meynt in ſolchen verwirr- ten Umſtaͤnden und dunkelen Stunden das- jenige vermehre noch ſeinen Jammer, da- von man ihm ſaget, daß es ein Mittel zum Leben ſeiner Seele ſey. Das boͤſeſte hiebey iſt dieſes, daß ſolche Menſchen andern er- fahrnen Chriſten keinen Glauben beymeſſen; man mag ihnen ſagen was man will, ſo halten ſie dafuͤr, man habe entweder nicht Licht und Erfahrung genug, oder man kenne die H 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/171
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/171>, abgerufen am 28.04.2024.