gegen ihren Jammer kein Vergnügen su- chen, in der Creatur und bey denen Men- schen wußte sie weder Trost, weder Rath noch Erleichterung, zu dem Heyland aber hatte sie kein Herz, und die Wege zu ihm waren ihrer Seele sehr zuwider.
O wie bey vielen Menschen zeigen die argen Feinde eben solche Liste und Ränke! Wenn der HErr gewisse Wege mit ihnen einschlägt, und sie durch dieselbige zur Gna- de und zum Leben zu führen, oder diese und jene Mittel anwendet, die der Seele zum Segen dienen sollten, so kommt der Feind, und macht just das, wodurch der HErr der Seele helfen will, bitter und un- erträglich, stürmt und wütet am meisten, und setzet seine gröste List, Macht und Kräf- te an, wenn man durch diese Wege und Mittel zu dem HErrn übergehen soll. Da wird der unerfahrne Mensch irre, und gänz- lich verlegen, er meynt in solchen verwirr- ten Umständen und dunkelen Stunden das- jenige vermehre noch seinen Jammer, da- von man ihm saget, daß es ein Mittel zum Leben seiner Seele sey. Das böseste hiebey ist dieses, daß solche Menschen andern er- fahrnen Christen keinen Glauben beymessen; man mag ihnen sagen was man will, so halten sie dafür, man habe entweder nicht Licht und Erfahrung genug, oder man kenne
die
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Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
gegen ihren Jammer kein Vergnuͤgen ſu- chen, in der Creatur und bey denen Men- ſchen wußte ſie weder Troſt, weder Rath noch Erleichterung, zu dem Heyland aber hatte ſie kein Herz, und die Wege zu ihm waren ihrer Seele ſehr zuwider.
O wie bey vielen Menſchen zeigen die argen Feinde eben ſolche Liſte und Raͤnke! Wenn der HErr gewiſſe Wege mit ihnen einſchlaͤgt, und ſie durch dieſelbige zur Gna- de und zum Leben zu fuͤhren, oder dieſe und jene Mittel anwendet, die der Seele zum Segen dienen ſollten, ſo kommt der Feind, und macht juſt das, wodurch der HErr der Seele helfen will, bitter und un- ertraͤglich, ſtuͤrmt und wuͤtet am meiſten, und ſetzet ſeine groͤſte Liſt, Macht und Kraͤf- te an, wenn man durch dieſe Wege und Mittel zu dem HErrn uͤbergehen ſoll. Da wird der unerfahrne Menſch irre, und gaͤnz- lich verlegen, er meynt in ſolchen verwirr- ten Umſtaͤnden und dunkelen Stunden das- jenige vermehre noch ſeinen Jammer, da- von man ihm ſaget, daß es ein Mittel zum Leben ſeiner Seele ſey. Das boͤſeſte hiebey iſt dieſes, daß ſolche Menſchen andern er- fahrnen Chriſten keinen Glauben beymeſſen; man mag ihnen ſagen was man will, ſo halten ſie dafuͤr, man habe entweder nicht Licht und Erfahrung genug, oder man kenne
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Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
gegen ihren Jammer kein Vergnuͤgen ſu-
chen, in der Creatur und bey denen Men-
ſchen wußte ſie weder Troſt, weder Rath
noch Erleichterung, zu dem Heyland aber
hatte ſie kein Herz, und die Wege zu ihm
waren ihrer Seele ſehr zuwider.
O wie bey vielen Menſchen zeigen die
argen Feinde eben ſolche Liſte und Raͤnke!
Wenn der HErr gewiſſe Wege mit ihnen
einſchlaͤgt, und ſie durch dieſelbige zur Gna-
de und zum Leben zu fuͤhren, oder dieſe
und jene Mittel anwendet, die der Seele
zum Segen dienen ſollten, ſo kommt der
Feind, und macht juſt das, wodurch der
HErr der Seele helfen will, bitter und un-
ertraͤglich, ſtuͤrmt und wuͤtet am meiſten,
und ſetzet ſeine groͤſte Liſt, Macht und Kraͤf-
te an, wenn man durch dieſe Wege und
Mittel zu dem HErrn uͤbergehen ſoll. Da
wird der unerfahrne Menſch irre, und gaͤnz-
lich verlegen, er meynt in ſolchen verwirr-
ten Umſtaͤnden und dunkelen Stunden das-
jenige vermehre noch ſeinen Jammer, da-
von man ihm ſaget, daß es ein Mittel zum
Leben ſeiner Seele ſey. Das boͤſeſte hiebey
iſt dieſes, daß ſolche Menſchen andern er-
fahrnen Chriſten keinen Glauben beymeſſen;
man mag ihnen ſagen was man will, ſo
halten ſie dafuͤr, man habe entweder nicht
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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/171>, abgerufen am 22.11.2024.
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