Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Thaten der Gnade. I. Stück.
wahrhaftig und aufrichtig dahin ihre Zu-
flucht genommen, seye abgewiesen worden.
Sind unter euch Seelen! denen es geht,
wie es unserer Seligen ergangen, denen der
Feind zusetzet, es seye zu spät, die Sünden
seyen zu tief eingewurzelt, diese und jene
böse Gewohnheit und Uebertrettung seye
würklich zur andern Natur geworden, die-
ses und jenes Sündenband seye durch lange
Gewohnheit im Sündigen, durch Ueber-
täubung des Gewissens, durch Verwahr-
losung aller Mitteln der Gnade nun zu hart,
als daß es mehr könnte aufgelöset werden;
will er euch in eine Art der Verzweiflung
bringen, nun allen Rath und Hofnung fah-
ren zu lassen, das Joch der Sünde bis zum
Ende fortzutragen, und sich endlich dem be-
leidigten GOtt auf Gnade und Ungnade zu
übergeben, wenn es zum Tode und Sterben,
und zu dem Uebergang in die grosse Ewig-
keit kommen solle. So wachet auf! und
merket! was die Gnade in eben diesen Um-
ständen, an dieser Person gethan: Sie hat
die Liebesmacht JEsu eben so wenig verdie-
net, als ihr, und folglich dürfet ihr eben
so wohl hoffen, daß sie die gleiche Proben
an euch thun könne und wolle, die sie an
jener gethan. Oder warum wollt ihr die
Sünde stärker machen, als die Gnade JE-
su? warum solle der Teufel bey euch mäch-

tiger
D 5

Thaten der Gnade. I. Stuͤck.
wahrhaftig und aufrichtig dahin ihre Zu-
flucht genommen, ſeye abgewieſen worden.
Sind unter euch Seelen! denen es geht,
wie es unſerer Seligen ergangen, denen der
Feind zuſetzet, es ſeye zu ſpaͤt, die Suͤnden
ſeyen zu tief eingewurzelt, dieſe und jene
boͤſe Gewohnheit und Uebertrettung ſeye
wuͤrklich zur andern Natur geworden, die-
ſes und jenes Suͤndenband ſeye durch lange
Gewohnheit im Suͤndigen, durch Ueber-
taͤubung des Gewiſſens, durch Verwahr-
loſung aller Mitteln der Gnade nun zu hart,
als daß es mehr koͤnnte aufgeloͤſet werden;
will er euch in eine Art der Verzweiflung
bringen, nun allen Rath und Hofnung fah-
ren zu laſſen, das Joch der Suͤnde bis zum
Ende fortzutragen, und ſich endlich dem be-
leidigten GOtt auf Gnade und Ungnade zu
uͤbergeben, wenn es zum Tode und Sterben,
und zu dem Uebergang in die groſſe Ewig-
keit kommen ſolle. So wachet auf! und
merket! was die Gnade in eben dieſen Um-
ſtaͤnden, an dieſer Perſon gethan: Sie hat
die Liebesmacht JEſu eben ſo wenig verdie-
net, als ihr, und folglich duͤrfet ihr eben
ſo wohl hoffen, daß ſie die gleiche Proben
an euch thun koͤnne und wolle, die ſie an
jener gethan. Oder warum wollt ihr die
Suͤnde ſtaͤrker machen, als die Gnade JE-
ſu? warum ſolle der Teufel bey euch maͤch-

tiger
D 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0109" n="57"/><fw place="top" type="header">Thaten der Gnade. <hi rendition="#aq">I</hi>. Stu&#x0364;ck.</fw><lb/>
wahrhaftig und aufrichtig dahin ihre Zu-<lb/>
flucht genommen, &#x017F;eye abgewie&#x017F;en worden.<lb/>
Sind unter euch Seelen! denen es geht,<lb/>
wie es un&#x017F;erer Seligen ergangen, denen der<lb/>
Feind zu&#x017F;etzet, es &#x017F;eye zu &#x017F;pa&#x0364;t, die Su&#x0364;nden<lb/>
&#x017F;eyen zu tief eingewurzelt, die&#x017F;e und jene<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;e Gewohnheit und Uebertrettung &#x017F;eye<lb/>
wu&#x0364;rklich zur andern Natur geworden, die-<lb/>
&#x017F;es und jenes Su&#x0364;ndenband &#x017F;eye durch lange<lb/>
Gewohnheit im Su&#x0364;ndigen, durch Ueber-<lb/>
ta&#x0364;ubung des Gewi&#x017F;&#x017F;ens, durch Verwahr-<lb/>
lo&#x017F;ung aller Mitteln der Gnade nun zu hart,<lb/>
als daß es mehr ko&#x0364;nnte aufgelo&#x0364;&#x017F;et werden;<lb/>
will er euch in eine Art der Verzweiflung<lb/>
bringen, nun allen Rath und Hofnung fah-<lb/>
ren zu la&#x017F;&#x017F;en, das Joch der Su&#x0364;nde bis zum<lb/>
Ende fortzutragen, und &#x017F;ich endlich dem be-<lb/>
leidigten GOtt auf Gnade und Ungnade zu<lb/>
u&#x0364;bergeben, wenn es zum Tode und Sterben,<lb/>
und zu dem Uebergang in die gro&#x017F;&#x017F;e Ewig-<lb/>
keit kommen &#x017F;olle. So wachet auf! und<lb/>
merket! was die Gnade in eben die&#x017F;en Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden, an die&#x017F;er Per&#x017F;on gethan: Sie hat<lb/>
die Liebesmacht JE&#x017F;u eben &#x017F;o wenig verdie-<lb/>
net, als ihr, und folglich du&#x0364;rfet ihr eben<lb/>
&#x017F;o wohl hoffen, daß &#x017F;ie die gleiche Proben<lb/>
an euch thun ko&#x0364;nne und wolle, die &#x017F;ie an<lb/>
jener gethan. Oder warum wollt ihr die<lb/>
Su&#x0364;nde &#x017F;ta&#x0364;rker machen, als die Gnade JE-<lb/>
&#x017F;u? warum &#x017F;olle der Teufel bey euch ma&#x0364;ch-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 5</fw><fw place="bottom" type="catch">tiger</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0109] Thaten der Gnade. I. Stuͤck. wahrhaftig und aufrichtig dahin ihre Zu- flucht genommen, ſeye abgewieſen worden. Sind unter euch Seelen! denen es geht, wie es unſerer Seligen ergangen, denen der Feind zuſetzet, es ſeye zu ſpaͤt, die Suͤnden ſeyen zu tief eingewurzelt, dieſe und jene boͤſe Gewohnheit und Uebertrettung ſeye wuͤrklich zur andern Natur geworden, die- ſes und jenes Suͤndenband ſeye durch lange Gewohnheit im Suͤndigen, durch Ueber- taͤubung des Gewiſſens, durch Verwahr- loſung aller Mitteln der Gnade nun zu hart, als daß es mehr koͤnnte aufgeloͤſet werden; will er euch in eine Art der Verzweiflung bringen, nun allen Rath und Hofnung fah- ren zu laſſen, das Joch der Suͤnde bis zum Ende fortzutragen, und ſich endlich dem be- leidigten GOtt auf Gnade und Ungnade zu uͤbergeben, wenn es zum Tode und Sterben, und zu dem Uebergang in die groſſe Ewig- keit kommen ſolle. So wachet auf! und merket! was die Gnade in eben dieſen Um- ſtaͤnden, an dieſer Perſon gethan: Sie hat die Liebesmacht JEſu eben ſo wenig verdie- net, als ihr, und folglich duͤrfet ihr eben ſo wohl hoffen, daß ſie die gleiche Proben an euch thun koͤnne und wolle, die ſie an jener gethan. Oder warum wollt ihr die Suͤnde ſtaͤrker machen, als die Gnade JE- ſu? warum ſolle der Teufel bey euch maͤch- tiger D 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/109
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/109>, abgerufen am 04.05.2024.