Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Thaten der Gnade. I. Stück.
den zu ihm zu eilen, seine Hülfe in seinem
Blute zu suchen, und in seinen Erbarmun-
gen Gnade anzunehmen. Läßt sich nun
die, ohne dem in die Enge getriebene See-
le, mit dem Feinde ein, giebt sie ihm im
geringsten Beyfall, glaubt sie seinen Ein-
streuungen, oder haltet sich sonsten ängst-
lich in diesen Versuchungsstunden mit al-
lerhand traurigen Betrachtungen, einsa-
mem Nachdenken und sorgsamen Ueberle-
gungen über des Feindes beygebrachte gifti-
ge Eingebungen auf, so sieget der Versu-
cher, und die Seele lieget gewiß am Boden.
Willt du, o Seele! dem ausgeworfenen
Netze des Seelenfeindes entrinnen, so gieb
auf folgende Puncten acht: 1.) Betrachte,
wer derjenige sey, der dich um deiner Sün-
den willen von dem Sündentilger abhalten
will. Es ist der Versucher, die alte Schlan-
ge, der Lügner vom Anfang, der Verfüh-
rer, der heulende Löwe, der Tag und Nacht
umhergeht, und die Seelen zu verschlingen
sucht: Solltest du also diesem Lügner et-
was glauben! solltest du deinem Heyland
das Herzenleid anthun! diesem bösem Gei-
ste mehr Gehör und Beyfall zu geben, als
dem Ruf seiner Gnade. 2.) Stelle dir bey
denen Versuchungen die Absichten dieses
Feindes vor, es ist ihm darum zu thun,
dich, o Seele! aufzuhalten, zu dem zu ge-

hen,
D 3

Thaten der Gnade. I. Stuͤck.
den zu ihm zu eilen, ſeine Huͤlfe in ſeinem
Blute zu ſuchen, und in ſeinen Erbarmun-
gen Gnade anzunehmen. Laͤßt ſich nun
die, ohne dem in die Enge getriebene See-
le, mit dem Feinde ein, giebt ſie ihm im
geringſten Beyfall, glaubt ſie ſeinen Ein-
ſtreuungen, oder haltet ſich ſonſten aͤngſt-
lich in dieſen Verſuchungsſtunden mit al-
lerhand traurigen Betrachtungen, einſa-
mem Nachdenken und ſorgſamen Ueberle-
gungen uͤber des Feindes beygebrachte gifti-
ge Eingebungen auf, ſo ſieget der Verſu-
cher, und die Seele lieget gewiß am Boden.
Willt du, o Seele! dem ausgeworfenen
Netze des Seelenfeindes entrinnen, ſo gieb
auf folgende Puncten acht: 1.) Betrachte,
wer derjenige ſey, der dich um deiner Suͤn-
den willen von dem Suͤndentilger abhalten
will. Es iſt der Verſucher, die alte Schlan-
ge, der Luͤgner vom Anfang, der Verfuͤh-
rer, der heulende Loͤwe, der Tag und Nacht
umhergeht, und die Seelen zu verſchlingen
ſucht: Sollteſt du alſo dieſem Luͤgner et-
was glauben! ſollteſt du deinem Heyland
das Herzenleid anthun! dieſem boͤſem Gei-
ſte mehr Gehoͤr und Beyfall zu geben, als
dem Ruf ſeiner Gnade. 2.) Stelle dir bey
denen Verſuchungen die Abſichten dieſes
Feindes vor, es iſt ihm darum zu thun,
dich, o Seele! aufzuhalten, zu dem zu ge-

hen,
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="53"/><fw place="top" type="header">Thaten der Gnade. <hi rendition="#aq">I</hi>. Stu&#x0364;ck.</fw><lb/>
den zu ihm zu eilen, &#x017F;eine Hu&#x0364;lfe in &#x017F;einem<lb/>
Blute zu &#x017F;uchen, und in &#x017F;einen Erbarmun-<lb/>
gen Gnade anzunehmen. La&#x0364;ßt &#x017F;ich nun<lb/>
die, ohne dem in die Enge getriebene See-<lb/>
le, mit dem Feinde ein, giebt &#x017F;ie ihm im<lb/>
gering&#x017F;ten Beyfall, glaubt &#x017F;ie &#x017F;einen Ein-<lb/>
&#x017F;treuungen, oder haltet &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;ten a&#x0364;ng&#x017F;t-<lb/>
lich in die&#x017F;en Ver&#x017F;uchungs&#x017F;tunden mit al-<lb/>
lerhand traurigen Betrachtungen, ein&#x017F;a-<lb/>
mem Nachdenken und &#x017F;org&#x017F;amen Ueberle-<lb/>
gungen u&#x0364;ber des Feindes beygebrachte gifti-<lb/>
ge Eingebungen auf, &#x017F;o &#x017F;ieget der Ver&#x017F;u-<lb/>
cher, und die Seele lieget gewiß am Boden.<lb/>
Willt du, o Seele! dem ausgeworfenen<lb/>
Netze des Seelenfeindes entrinnen, &#x017F;o gieb<lb/>
auf folgende Puncten acht: 1.) Betrachte,<lb/>
wer derjenige &#x017F;ey, der dich um deiner Su&#x0364;n-<lb/>
den willen von dem Su&#x0364;ndentilger abhalten<lb/>
will. Es i&#x017F;t der Ver&#x017F;ucher, die alte Schlan-<lb/>
ge, der Lu&#x0364;gner vom Anfang, der Verfu&#x0364;h-<lb/>
rer, der heulende Lo&#x0364;we, der Tag und Nacht<lb/>
umhergeht, und die Seelen zu ver&#x017F;chlingen<lb/>
&#x017F;ucht: Sollte&#x017F;t du al&#x017F;o die&#x017F;em Lu&#x0364;gner et-<lb/>
was glauben! &#x017F;ollte&#x017F;t du deinem Heyland<lb/>
das Herzenleid anthun! die&#x017F;em bo&#x0364;&#x017F;em Gei-<lb/>
&#x017F;te mehr Geho&#x0364;r und Beyfall zu geben, als<lb/>
dem Ruf &#x017F;einer Gnade. 2.) Stelle dir bey<lb/>
denen Ver&#x017F;uchungen die Ab&#x017F;ichten die&#x017F;es<lb/>
Feindes vor, es i&#x017F;t ihm darum zu thun,<lb/>
dich, o Seele! aufzuhalten, zu dem zu ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">hen,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0105] Thaten der Gnade. I. Stuͤck. den zu ihm zu eilen, ſeine Huͤlfe in ſeinem Blute zu ſuchen, und in ſeinen Erbarmun- gen Gnade anzunehmen. Laͤßt ſich nun die, ohne dem in die Enge getriebene See- le, mit dem Feinde ein, giebt ſie ihm im geringſten Beyfall, glaubt ſie ſeinen Ein- ſtreuungen, oder haltet ſich ſonſten aͤngſt- lich in dieſen Verſuchungsſtunden mit al- lerhand traurigen Betrachtungen, einſa- mem Nachdenken und ſorgſamen Ueberle- gungen uͤber des Feindes beygebrachte gifti- ge Eingebungen auf, ſo ſieget der Verſu- cher, und die Seele lieget gewiß am Boden. Willt du, o Seele! dem ausgeworfenen Netze des Seelenfeindes entrinnen, ſo gieb auf folgende Puncten acht: 1.) Betrachte, wer derjenige ſey, der dich um deiner Suͤn- den willen von dem Suͤndentilger abhalten will. Es iſt der Verſucher, die alte Schlan- ge, der Luͤgner vom Anfang, der Verfuͤh- rer, der heulende Loͤwe, der Tag und Nacht umhergeht, und die Seelen zu verſchlingen ſucht: Sollteſt du alſo dieſem Luͤgner et- was glauben! ſollteſt du deinem Heyland das Herzenleid anthun! dieſem boͤſem Gei- ſte mehr Gehoͤr und Beyfall zu geben, als dem Ruf ſeiner Gnade. 2.) Stelle dir bey denen Verſuchungen die Abſichten dieſes Feindes vor, es iſt ihm darum zu thun, dich, o Seele! aufzuhalten, zu dem zu ge- hen, D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/105
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/105>, abgerufen am 22.11.2024.