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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. I. Stück.
wieder in den vorigen Todesschlummer, ja
zum ewigen Verderben hinzureissen. Je
deutlicher sie die gefährliche Sichtungen der
alten Schlange, und die tödtlichen Endursa-
chen derselben einsahe, desto mehr entsetzte
sich vor denenselben ihre ohne dem wegen
der Sünde erschrockene Seele, und desto
eifriger ersuchte sie den HErrn JEsum
daß er sich aufmachen, den Satan schelten,
und ihn mit allen seinen Anschlägen unter
ihre Füsse tretten möchte: Es erhörte der
Heyland auch ihre Seufzer, und stärkte sie
sehr kräftig gegen alle Anfälle der Macht
der Finsterniß.

Eines Tages erzählte sie ihrem Predi-
ger, und wollte es sich nicht ausreden lassen,
der Satan seye ihr in einer gräßlichen Gestalt
erschienen, habe sich unten an ihre Bettladen
gesetzet, und auf eine fürchterliche Weise
zu ihr gesaget: "Was sie nun so ängstlich
"ihre Sünden beweinen, und so unaufhör-
"lich um die Errettung ihrer Seele schreyen
"wollte, es seye doch vergeblich, sie habe ihm
"nun zu lange gedienet, seinen Eingebun-
"gen und Reizungen zur Sünde mehr gefol-
"get, als den Lockungen der Gnade. Jetzt
"seye die Gnadenthür verschlossen, sie kom-
"me nun mit denen thorrechten Jungfrauen
"zu spät: neben dem seyen ihre Sünden bis
"in das hohe Alter aufgehäufet, es seye die

"Men-
D 2

Thaten der Gnade. I. Stuͤck.
wieder in den vorigen Todesſchlummer, ja
zum ewigen Verderben hinzureiſſen. Je
deutlicher ſie die gefaͤhrliche Sichtungen der
alten Schlange, und die toͤdtlichen Endurſa-
chen derſelben einſahe, deſto mehr entſetzte
ſich vor denenſelben ihre ohne dem wegen
der Suͤnde erſchrockene Seele, und deſto
eifriger erſuchte ſie den HErrn JEſum
daß er ſich aufmachen, den Satan ſchelten,
und ihn mit allen ſeinen Anſchlaͤgen unter
ihre Fuͤſſe tretten moͤchte: Es erhoͤrte der
Heyland auch ihre Seufzer, und ſtaͤrkte ſie
ſehr kraͤftig gegen alle Anfaͤlle der Macht
der Finſterniß.

Eines Tages erzaͤhlte ſie ihrem Predi-
ger, und wollte es ſich nicht ausreden laſſen,
der Satan ſeye ihr in einer graͤßlichen Geſtalt
erſchienen, habe ſich unten an ihre Bettladen
geſetzet, und auf eine fuͤrchterliche Weiſe
zu ihr geſaget: „Was ſie nun ſo aͤngſtlich
„ihre Suͤnden beweinen, und ſo unaufhoͤr-
„lich um die Errettung ihrer Seele ſchreyen
„wollte, es ſeye doch vergeblich, ſie habe ihm
„nun zu lange gedienet, ſeinen Eingebun-
„gen und Reizungen zur Suͤnde mehr gefol-
„get, als den Lockungen der Gnade. Jetzt
„ſeye die Gnadenthuͤr verſchloſſen, ſie kom-
„me nun mit denen thorrechten Jungfrauen
„zu ſpaͤt: neben dem ſeyen ihre Suͤnden bis
„in das hohe Alter aufgehaͤufet, es ſeye die

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[51/0103] Thaten der Gnade. I. Stuͤck. wieder in den vorigen Todesſchlummer, ja zum ewigen Verderben hinzureiſſen. Je deutlicher ſie die gefaͤhrliche Sichtungen der alten Schlange, und die toͤdtlichen Endurſa- chen derſelben einſahe, deſto mehr entſetzte ſich vor denenſelben ihre ohne dem wegen der Suͤnde erſchrockene Seele, und deſto eifriger erſuchte ſie den HErrn JEſum daß er ſich aufmachen, den Satan ſchelten, und ihn mit allen ſeinen Anſchlaͤgen unter ihre Fuͤſſe tretten moͤchte: Es erhoͤrte der Heyland auch ihre Seufzer, und ſtaͤrkte ſie ſehr kraͤftig gegen alle Anfaͤlle der Macht der Finſterniß. Eines Tages erzaͤhlte ſie ihrem Predi- ger, und wollte es ſich nicht ausreden laſſen, der Satan ſeye ihr in einer graͤßlichen Geſtalt erſchienen, habe ſich unten an ihre Bettladen geſetzet, und auf eine fuͤrchterliche Weiſe zu ihr geſaget: „Was ſie nun ſo aͤngſtlich „ihre Suͤnden beweinen, und ſo unaufhoͤr- „lich um die Errettung ihrer Seele ſchreyen „wollte, es ſeye doch vergeblich, ſie habe ihm „nun zu lange gedienet, ſeinen Eingebun- „gen und Reizungen zur Suͤnde mehr gefol- „get, als den Lockungen der Gnade. Jetzt „ſeye die Gnadenthuͤr verſchloſſen, ſie kom- „me nun mit denen thorrechten Jungfrauen „zu ſpaͤt: neben dem ſeyen ihre Suͤnden bis „in das hohe Alter aufgehaͤufet, es ſeye die „Men- D 2

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/103>, abgerufen am 03.05.2024.