Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665.Heils/ Christum gründen: denn so bald der Mensch nur die Ewigkeit einen Augenblik aus dem Herzen läst: wird er in dieser Vergänglichkeit gar leicht entweder von Hochmut und Stolz übernommen/ oder von Forcht und Ungedult nider gedrukt. Aber wir müssen den betrübten blutigen gang des herzen von Biron vollen führen. So bald er dem gerich[unleserliches Material]plaz näherte: überzoch ihme gähling eine bleiche schreken-farbe sein ganzes antliz: darnach kniete er nider auff der stegen/ und that sein gebet: Er gestund / daß sein verbrechen zwar zimlich hoch: jedoch bei weitem so groß nicht/ als es gewest were/ wann er bösen rahtschlägen hette folgen wollen: sonst were der König für zehen jahren allbereit tod gewesen. Wie der nachrichter auch hinauff gestigen/ und ihm mit einem schleier die augen verbinden/ hat ers nicht leiden wollen: sondern ihm abermals hefftig gedrohet. Das Wams zog er selbst aus/ willens einem bek andten solches zuzuwerffen: welches aber des Scharffrichters knecht verhindert: darüber er sehr zornig worden. Hernach ergriff er sein wischtüchlein/ und verband ihm selbsten die augen. Nach dem er nidergekniet/ und empfunden/ daß der Henker ihm sein langes/ bis über die schulteren herabhangendes haar abschneiden wolte/ wischete er behend in grosser furi widerum auff / strich das tuch hinweg/ sahe sich um nach dem Richtschwert/ und sprach zum scharffrichter: wer hindert mich/ daß ich dich nicht samt der Helffte von den zusehern / erwürge! Hierob erschraken alle umstehende/ und wünschten sich weit von dannen. Underdessen ersahe er einen vom adel/ den bat er/ daß er ihm das haar abschnitte: vermerkend aber/ daß selbiger nicht herfür wolte/ sondern zu weinen begunte: sagte er wider ihn: Ach du verzagter elender mensch! weigerst du mir disen lezten dienst/ wikelte darauff das haar selbst auff/ und halff ihm seiner Trabanten Lieutenant. Kaum war er wider auff die knie gefallen: als er noch eins wider auffstund/ und rieff: O Tod! o bitterer Tod! daß ich doch mein herz bezwingen möchte/ dich willig anzunemmen! Wandte sich damit zum Beichtvetter/ und bate/ dem König und seinen freunden anzuzeigen: er sturbe als ein guter Römisch-Catholischer Christ: ließ darneben sie ermanen/ sich für bösen verführischen rahtschlägen zu hüten: damits ihnen nicht ergienge/ wie ihm. Heils/ Christum gründen: denn so bald der Mensch nur die Ewigkeit einen Augenblik aus dem Herzen läst: wird er in dieser Vergänglichkeit gar leicht entweder von Hochmut und Stolz übernommen/ oder von Forcht und Ungedult nider gedrukt. Aber wir müssen den betrübten blutigen gang des herzen von Biron vollen führen. So bald er dem gerich[unleserliches Material]plaz näherte: überzoch ihme gähling eine bleiche schreken-farbe sein ganzes antliz: darnach kniete er nider auff der stegen/ und that sein gebet: Er gestund / daß sein verbrechen zwar zimlich hoch: jedoch bei weitem so groß nicht/ als es gewest were/ wann er bösen rahtschlägen hette folgen wollen: sonst were der König für zehen jahren allbereit tod gewesen. Wie der nachrichter auch hinauff gestigen/ und ihm mit einem schleier die augen verbinden/ hat ers nicht leiden wollen: sondern ihm abermals hefftig gedrohet. Das Wams zog er selbst aus/ willens einem bek andten solches zuzuwerffen: welches aber des Scharffrichters knecht verhindert: darüber er sehr zornig worden. Hernach ergriff er sein wischtüchlein/ und verband ihm selbsten die augen. Nach dem er nidergekniet/ und empfunden/ daß der Henker ihm sein langes/ bis über die schulteren herabhangendes haar abschneiden wolte/ wischete er behend in grosser furi widerum auff / strich das tuch hinweg/ sahe sich um nach dem Richtschwert/ und sprach zum scharffrichter: wer hindert mich/ daß ich dich nicht samt der Helffte von den zusehern / erwürge! Hierob erschraken alle umstehende/ und wünschten sich weit von dannen. Underdessen ersahe er einen vom adel/ den bat er/ daß er ihm das haar abschnitte: vermerkend aber/ daß selbiger nicht herfür wolte/ sondern zu weinen begunte: sagte er wider ihn: Ach du verzagter elender mensch! weigerst du mir disen lezten dienst/ wikelte darauff das haar selbst auff/ und halff ihm seiner Trabanten Lieutenant. Kaum war er wider auff die knie gefallen: als er noch eins wider auffstund/ und rieff: O Tod! o bitterer Tod! daß ich doch mein herz bezwingen möchte/ dich willig anzunemmen! Wandte sich damit zum Beichtvetter/ und bate/ dem König und seinen freunden anzuzeigen: er sturbe als ein guter Römisch-Catholischer Christ: ließ darneben sie ermanen/ sich für bösen verführischen rahtschlägen zu hüten: damits ihnen nicht ergienge/ wie ihm. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0353" n="319"/> Heils/ Christum gründen: denn so bald der Mensch nur die Ewigkeit einen Augenblik aus dem Herzen läst: wird er in dieser Vergänglichkeit gar leicht entweder von Hochmut und Stolz übernommen/ oder von Forcht und Ungedult nider gedrukt.</p> <p>Aber wir müssen den betrübten blutigen gang des herzen von Biron vollen führen. So bald er dem gerich<gap reason="illegible"/>plaz näherte: überzoch ihme gähling eine bleiche schreken-farbe sein ganzes antliz: darnach kniete er nider auff der stegen/ und that sein gebet: Er gestund / daß sein verbrechen zwar zimlich hoch: jedoch bei weitem so groß nicht/ als es gewest were/ wann er bösen rahtschlägen hette folgen wollen: sonst were der König für zehen jahren allbereit tod gewesen.</p> <p>Wie der nachrichter auch hinauff gestigen/ und ihm mit einem schleier die augen verbinden/ hat ers nicht leiden wollen: sondern ihm abermals hefftig gedrohet. Das Wams zog er selbst aus/ willens einem bek andten solches zuzuwerffen: welches aber des Scharffrichters knecht verhindert: darüber er sehr zornig worden.</p> <p>Hernach ergriff er sein wischtüchlein/ und verband ihm selbsten die augen. Nach dem er nidergekniet/ und empfunden/ daß der Henker ihm sein langes/ bis über die schulteren herabhangendes haar abschneiden wolte/ wischete er behend in grosser furi widerum auff / strich das tuch hinweg/ sahe sich um nach dem Richtschwert/ und sprach zum scharffrichter: wer hindert mich/ daß ich dich nicht samt der Helffte von den zusehern / erwürge! Hierob erschraken alle umstehende/ und wünschten sich weit von dannen. Underdessen ersahe er einen vom adel/ den bat er/ daß er ihm das haar abschnitte: vermerkend aber/ daß selbiger nicht herfür wolte/ sondern zu weinen begunte: sagte er wider ihn: Ach du verzagter elender mensch! weigerst du mir disen lezten dienst/ wikelte darauff das haar selbst auff/ und halff ihm seiner Trabanten Lieutenant. Kaum war er wider auff die knie gefallen: als er noch eins wider auffstund/ und rieff: O Tod! o bitterer Tod! daß ich doch mein herz bezwingen möchte/ dich willig anzunemmen! Wandte sich damit zum Beichtvetter/ und bate/ dem König und seinen freunden anzuzeigen: er sturbe als ein guter Römisch-Catholischer Christ: ließ darneben sie ermanen/ sich für bösen verführischen rahtschlägen zu hüten: damits ihnen nicht ergienge/ wie ihm.</p> </div> </body> </text> </TEI> [319/0353]
Heils/ Christum gründen: denn so bald der Mensch nur die Ewigkeit einen Augenblik aus dem Herzen läst: wird er in dieser Vergänglichkeit gar leicht entweder von Hochmut und Stolz übernommen/ oder von Forcht und Ungedult nider gedrukt.
Aber wir müssen den betrübten blutigen gang des herzen von Biron vollen führen. So bald er dem gerich_ plaz näherte: überzoch ihme gähling eine bleiche schreken-farbe sein ganzes antliz: darnach kniete er nider auff der stegen/ und that sein gebet: Er gestund / daß sein verbrechen zwar zimlich hoch: jedoch bei weitem so groß nicht/ als es gewest were/ wann er bösen rahtschlägen hette folgen wollen: sonst were der König für zehen jahren allbereit tod gewesen.
Wie der nachrichter auch hinauff gestigen/ und ihm mit einem schleier die augen verbinden/ hat ers nicht leiden wollen: sondern ihm abermals hefftig gedrohet. Das Wams zog er selbst aus/ willens einem bek andten solches zuzuwerffen: welches aber des Scharffrichters knecht verhindert: darüber er sehr zornig worden.
Hernach ergriff er sein wischtüchlein/ und verband ihm selbsten die augen. Nach dem er nidergekniet/ und empfunden/ daß der Henker ihm sein langes/ bis über die schulteren herabhangendes haar abschneiden wolte/ wischete er behend in grosser furi widerum auff / strich das tuch hinweg/ sahe sich um nach dem Richtschwert/ und sprach zum scharffrichter: wer hindert mich/ daß ich dich nicht samt der Helffte von den zusehern / erwürge! Hierob erschraken alle umstehende/ und wünschten sich weit von dannen. Underdessen ersahe er einen vom adel/ den bat er/ daß er ihm das haar abschnitte: vermerkend aber/ daß selbiger nicht herfür wolte/ sondern zu weinen begunte: sagte er wider ihn: Ach du verzagter elender mensch! weigerst du mir disen lezten dienst/ wikelte darauff das haar selbst auff/ und halff ihm seiner Trabanten Lieutenant. Kaum war er wider auff die knie gefallen: als er noch eins wider auffstund/ und rieff: O Tod! o bitterer Tod! daß ich doch mein herz bezwingen möchte/ dich willig anzunemmen! Wandte sich damit zum Beichtvetter/ und bate/ dem König und seinen freunden anzuzeigen: er sturbe als ein guter Römisch-Catholischer Christ: ließ darneben sie ermanen/ sich für bösen verführischen rahtschlägen zu hüten: damits ihnen nicht ergienge/ wie ihm.
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Zitationshilfe: | Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/353>, abgerufen am 07.07.2024. |